Luther und der verbrannte Brief
1520 war kein Jahr des Dialogs zwischen evangelischer und katholischer Kirche: Der Papst drohte Martin Luther mit dem Kirchenbann, dieser reagierte mit einer Verbrennung des päpstlichen Briefes.
Eine unerhörte Aktion
Vor gut 500 Jahren, am 10. Dezember 1520 trat der Wittenberger Theologieprofessor Martin Luther (1483–1546) zusammen mit Kollegen und Studenten vor die Wittenberger Stadtmauer. Dort brannte bereits ein Feuer. In dieses warf Luther Bücher zum Kirchenrecht und theologische Literatur – und die von Papst Leo X. (1475–1521) gegen ihn erlassene Androhung des Kirchenbanns, die ihn zum Ketzer stempeln sollte.
In den vergangenen Monaten waren bereits etliche Schriften Luthers geächtet und verbrannt worden. Doch dies hier war eine Premiere: Jetzt brannten die Schriften des Papstes. Die Historiker sind sich nicht einig, ob der Reformator das Feuer inszenierte oder ob er eher zufällig zu einer studentischen Aktion dazukam. Der Reformationshistoriker Markus Wriedt sieht in erster Linie die zufällige Variante – schon weil der Reformator selbst kaum darauf Bezug nahm –, doch Luther unterstrich damit eindrücklich, dass er den Vatikan mit seinem Anspruch ignorierte.
Zwischen Prozess und Pause
Drei Jahre vorher hatte Luther den Streit eröffnet: Am 31. Oktober 1517 hatte er seine 95 Thesen veröffentlicht. Er hatte damit Praktiken der katholischen Kirche als unchristlich gekennzeichnet, besonders die Ablasszahlungen.
Zunächst griff der Schutz seines Landesfürsten, Friedrichs des Weisen von Sachsen (1463–1525), weil der Papst kurz vor der Wahl eines neuen Königs keine Konfrontation wollte, doch schliesslich nahm der Vatikan den Prozess gegen den Reformator wieder auf. Der Papst erliess seine Bannandrohungsbulle «Exsurge domine», benannt nach Psalm 10, Vers 12: «Steh auf, oh Herr!» Der Folgevers beginnt mit den Worten: «Warum soll der Gottlose Gott lästern?» Darin gebot der Papst die Verbrennung sämtlicher Schriften Luthers und forderte seinen Widerruf binnen zwei Monaten. Mit dem angedrohten Kirchenbann, dem die Reichsacht folgen würde, wäre Luther exkommuniziert, rechtlos und vogelfrei.
Diese Anklage blieb nicht unkommentiert. Der Humanist Ulrich von Hutten schrieb: «Hier geht es ja nicht um Luther, sondern um alle; nicht nur gegen einen wird das Schwert erhoben, sondern uns alle greift man öffentlich an. Sie wollen nicht, dass man ihrer Tyrannei Widerstand leistet; sie wollen nicht, dass man ihren Betrug aufdeckt, ihre Vorstellung durchschaut, ihrem Wüten trotzt.»
Der Gegenschlag
In dieser aufgeheizten Stimmung verbrannte Luther die Bannandrohungsbulle des Papstes zusammen mit dem Kirchenrecht. Es war der Schlusspunkt seiner publizistischen Tätigkeit 1520. Drei Hauptwerke der Reformation hatte er in diesem Jahr verfasst: «Die babylonische Gefangenschaft der Kirche», «An den christlichen Adel deutscher Nation» und «Von der Freiheit eines Christenmenschen».
Der Papst setzte seine Drohung in die Tat um und veröffentlichte die Bannbulle gegen Luther. Doch die Konsequenzen waren geringer als erwartet: Luther gewann immer mehr Anhänger, und Kurfürst Friedrich von Sachsen widersetzte sich der Forderung Roms nach einer Auslieferung. «Die politischen Umstände haben Luther das Leben gerettet», erläutert der Kirchenhistoriker Wriedt. Längst gärte es im Römischen Reich und Luthers theologisch begründeter Protest passte in die Zeit: «allein aus Glauben, allein durch Gnade, allein die Schrift, allein Christus» liessen sich nicht mehr aufhalten.
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Datum: 27.12.2020
Autor: Hauke Burgarth / Jens Bayer-Gimm
Quelle: Livenet / epd