Von Gaben und Berufungen

Du bist begabt!

Schatztruhe

Ist Ihnen auch schon aufgefallen, mit wie viel Selbstbewusstsein manche Menschen auftreten? Die Amerikaner sind darin wahre Weltmeister. Sie "können" skifahren, auch wenn sie nur einmal auf Skiern gestanden sind. Sie "reden" Spanisch, auch wenn sie nur einige Brocken beherrschen. In der Schweiz ist das oft anders: Viele Menschen wissen viel besser, was sie nicht können, als was sie gut können! Viel Potenzial, viel an Wissen und Erfahrungen, viele Begabungen liegen ungenutzt herum - auch in den Gemeinden.

Unsere Gemeindelosung heisst: "Ihr seid alle zusammen der Leib von Christus und als Einzelne seid ihr Teile an diesem Leib." (1. Kor. 12.28) - Wir leben heute in einer Gesellschaft, in der immer mehr der Einzelne in den Vordergrund tritt. Vieles dreht sich um einzelne Stars, CEO's, Promis, V.I.P.'s , Keyplayers oder wie immer man diese "Leuchten" nennen mag. Nebenbei bemerkt: Viele Stars sind bestenfalls Sternschnuppen, die schnell wieder verglühen. Klar ist, die meisten Erfolge in Wirtschaft, Kultur, Forschung und Sport sind nur möglich, weil ein ganzes Team wirklich zusammenspielt, jeder sein Bestes gibt und seine Gaben voll einbringt. Genauso ist es in der christlichen Gemeinde. Jesus wählte sich ein Team von zwölf Jüngern. Sogar "Losers" gehörten zu diesem Kreis. Judas z.B. betrieb Werksspionage und verkaufte sein Wissen an die Konkurrenz. Petrus liess seinen Chef allein, als es darauf ankam. Dennoch, es braucht im Reich Gottes Jede und Jeden: Starke und Schwache. Junge und Alte. Visionäre Träumer und überlegte treue Schaffer.

Über zwei Dinge stolpern aber viele christliche Gemeinden, wenn es darum geht, ein gutes Team zu werden bzw. als Leib Christi zusammen zu funktionieren:

1. Die unterschiedlichen Begabungen und Neigungen der einzelnen Glieder führen häufig zu Konkurrenz, Neid und Streit. Warum kann der das nicht auch (so) machen, wie ich das mache? Warum ist für den nicht auch das geistlich wichtig, was für mich ganz wichtig ist?

2. In vielen Gemeinden schlummern ganz viele untätige Talente. Da sind Menschen, die sich nicht hineinwagen, weil sie Angst haben, sie könnten Fehler machen. Es herrscht ein Klima von Angst statt ein Klima des Vertrauens und der Ermutigung.

Ein Schlüsselerlebnis war für mich ein Satz, den mir ein Angestellter der Vereinigten Bibelgruppen (VBG) sagte, lange bevor ich mir überhaupt vorstellen konnte, ein Theologiestudium zu beginnen. Sein erster Satz, als er sah, wie ich eine Aufgabe erledigt habe, lautete: "Du bist begabt!" - Wie gut hat mir das getan! Von der Schule her wusste ich vor allem, was ich nicht konnte. Meine damals schlechten Schulnoten prägten in mir eher das Bild eines Unbegabten. Meine erste Frage an ihn war: Wie meinst du das? Wo siehst du meine Gaben?

Gaben entdecken

Von dem Tag an begann für mich eine längere Reise. Ich suchte nicht mehr zuerst nach den eigenen Fehlern und Schwächen, sondern nach dem, was Gott an Gutem in mich hineingelegt hatte. Die Bibel lehrt uns, dass jeder Mensch, so einmalig er bzw. sie ist, auch ganz persönliche Gaben empfangen hat: "Dienet einander ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes." (1. Petr. 4.10) Jeder Christ ist charismatisch, d.h. von Gottes Gnade in einer speziellen Art beschenkt. Aber wie entdecken wir das, was uns gegeben ist? Durch Wagnis und Feedback!

Wer meint, er hätte künstlerisches Talent, der wird das nur entdecken, wenn er ein Kunstwerk wagt! Üben und immer wieder probieren! Wer eine geistliche Lehrgabe hat, muss ja nicht gleich auf die Kanzel der Gellertkirche steigen, um dort das erste Mal zu üben. Im Hauskreis, im Full House oder im Alphalive-Kurs sind genügend Gelegenheiten, um erste Schritte zu wagen. Wichtig ist auch, dass wir Leute um uns haben, die uns ehrliche Feedbacks geben: ermutigend, wertschätzend, wertschätzend, aber auch aufrichtig und kritisch. Manchmal heisst das: "Ich bin sicher, du kannst das noch viel besser..."

Ein anderes Mal müssen wir aber auch sagen: "Ich glaube nicht, dass das deine Hauptbegabung ist..." Falsche Nettigkeiten helfen niemandem. Schliesslich werden wir nur dann gerne in einem Team mitarbeiten, wenn wir das tun, was uns Spass macht und was wir gut und gerne tun.

Jeder Mensch ist anders!

Die Vielfalt von uns Menschen irritiert immer wieder. Gott hat uns in einer grossen Unterschiedlichkeit geschaffen. Häufig passiert es, dass wir von unseren eigenen Gaben und Stärken ausgehen und die anderen an unserem Tun und Können messen. Warum kann der die Sachen nicht auch so verlässlich organisieren, wie ich das mache? Warum steht die nicht auch so offenherzig auf die Strasse oder in den MParc und verteilt dort Einladungszettel für den Alphalive-Kurs? Warum kommt der nie in eine Gebetsgruppe? Warum tut der keine so mutigen Glaubensschritte wie ich? - Der amerikanische Theologe Peter C. Wagner hat schon vor vielen Jahren vor "Gabenprojektion" gewarnt. Damit meint er, dass viele Christen erwarten, die andern müssten die Dinge genauso gut tun können wie sie selber. Sie vergessen dabei, dass sie eine eigene, andere Begabung und Persönlichkeit als die andern haben. Viel Druck und viel Überforderung kommt daher, dass wir Erwartungen auf andere projizieren, die mit unseren eigenen Gaben zu tun haben. Uns fällt es leicht, aber der andere ist überfordert. - Prüfen wir darum unsere Erwartungen immer wieder. Jeder Mensch ist anders!

Jeder Christ ist charismatisch, das heisst von Gottes Gnade in einer speziellen Art beschenkt. Aber wie entdecken wir das, was uns gegeben ist? Durch Wagnis und Feedback!

Aber Gaben oder vielmehr nicht vorhandene "Gaben" sind leider für manche eine willkommene Ausrede, um unangenehme Dinge in der Gemeinde nicht tun zu müssen. Um in der Kirche aufzuräumen, braucht es keine speziellen Gaben, höchstens einen einigermassen gesunden Rücken. Um im Kirchenkaffeeteam mitzuarbeiten, braucht es keine Talente als Chefkellner, höchstens etwas Zeit und Freundlichkeit für Gäste. Für andere beten, anderen das Evangelium weitergeben, anderen praktisch dienen, das sind allgemeine Aufträge, die Jesus allen seinen Jüngerinnen und Jüngern gibt.

Gaben sind keine frommen Ehrenabzeichen!

Im Neuen Testament werden neun verschiedene Worte für "Gabe/Geschenk" gebraucht. Je nach dem, ob es sich um ein Geschenk von Mensch zu Mensch handelt oder von Gott an den Menschen oder auch eine Opfergabe des Menschen an Gott. Auffällig ist, wie Paulus in 1. Korinther 12 den Begriff "Gabe" verwendet. In Anlehnung an die Wortwahl der Korinther greift er den Begriff "pneumatika" für Gabe auf (12.1), lässt ihn aber sofort wieder fallen. Denn mit pneumatika steht der "Geistbesitz" im Vordergrund. Anscheinend sind einige in der Gemeinde stolz auf ihre besonderen Gaben, sei das Prophetie, Sprachengebet, Geisterunterscheidung oder andere mehr (vgl. 1. Kor. 12.7-11). Für Paulus geht es nicht ums Besitzen und Haben von Gaben. Gaben sind keine frommen Ehrenabzeichen für besonders erfolgreiche und leidenschaftliche Christen. Paulus nennt sie "charismata" (V. 4).

Hier wird betont, dass die Gaben "Gnadengeschenke" sind. In den Gaben erweist Gott uns seine Gunst. Gott will, dass wir sie zum Nutzen aller einsetzen. Gaben sind also Geschenke mit einer Art "Verpflichtung", sie mit anderen zu teilen. Ziel ist also nicht, möglichst viele geistliche Gaben zu haben, sondern möglichst viel von dem einzusetzen, was Gott uns geschenkt hat. Ich bin überzeugt, dass dies unsere Gemeinde nochmals gewaltig verändern würde, wenn jeder von uns einmal pro Woche eines oder zwei seiner Talente dafür einsetzen würde, dass die Liebe Gottes zu den Menschen kommt. Die letzte Alphalive-Initiative gab uns einen Vorgeschmack, was passiert, wenn einige ihre besten Talente zusammenlegen und fürs Reich Gottes einsetzen.

Gaben vermehren und einsetzen

Das Gleichnis von den anvertrauten Talenten (Lk. 19.12-27) zeigt, was passiert, wenn Menschen ihre Talente einbringen und was, wenn wir nichts tun. Wer im Kleinen treu ist, den setzt Gott über mehr. Entscheidend ist auch hier nicht, wie viel einer mitbringt. Unsere Voraussetzungen im Leben mögen verschieden sein. Klar, Paulus war, längst bevor er Jünger von Jesus wurde und seine herausragenden Briefe schrieb, ein äusserst kluger Theologe in der Partei der Pharisäer. Gott brauchte seine Begabung, scharf zu denken, um wichtige Lehren von Jesus und seiner Erlösung am Kreuz in Worte zu fassen. Aber egal, ob wir viel oder weniger mitbringen und können: Entscheidend ist, dass wir es wagen, uns von Gott dort gebrauchen zu lassen, wo er uns hingestellt hat: in der Familie, im Beruf, im Verein, unter Freunden, in der Politik etc. Wo wir das wagen, werden wir erleben, wie Gott uns mehr anvertraut! Vergraben wir nicht die Schätze von Gott. Er will, dass sie auch unter uns wieder hell leuchten. Welche Gabe willst du als nächste einbringen? Vergiss nicht: Jeder und jede ist wichtig!

Datum: 05.06.2005
Autor: Roger Rohner
Quelle: Teamwork

Werbung
Livenet Service
Werbung