Bibellesen leicht(er) gemacht

Die Schöpfung und Gottes Weg mit Israel

Israel ist Teil von Gottes überragender Schöpfung.
Im Johannesevangelium geht es nicht nur um die Spuren von Jesus, sondern es schimmert auch immer wieder die Gedankenwelt des Alten Testaments durch. Eine Miniserie zeigt diese Dimensionen auf und erleichtert damit den Einstieg ins Bibellesen.

Das Johannesevangelium beginnt mit der Schöpfung (Johannes Kapitel 1, Verse 1 - 5, Verse 9-14 und Verse 16-18): «Am Anfang war das Wort. Das Wort war bei Gott, und in allem war es Gott gleich. Von Anfang an war es bei Gott. Alles wurde durch das Wort geschaffen; und ohne das Wort ist nichts entstanden. In ihm war das Leben, und dieses Leben war das Licht für die Menschen. Das Licht strahlt in der Dunkelheit, aber die Dunkelheit hat sich ihm verschlossen. (…) Das wahre Licht, das in die Welt gekommen ist und nun allen Menschen leuchtet, ist er, der das Wort ist. Er, das Wort, war schon immer in der Welt, die Welt ist durch ihn geschaffen worden, und doch erkannte sie ihn nicht. Er kam in seine eigene Schöpfung, doch seine Geschöpfe, die Menschen, wiesen ihn ab. Aber allen, die ihn aufnahmen und ihm Glauben schenkten, verlieh er das Recht, Kinder Gottes zu werden. Das werden sie nicht durch natürliche Geburt oder menschliches Wollen und Machen, sondern weil Gott ihnen ein neues Leben gibt. Er, das Wort, wurde ein Mensch, ein wirklicher Mensch von Fleisch und Blut. Er lebte unter uns, und wir sahen seine Macht und Hoheit, die göttliche Hoheit, die ihm der Vater gegeben hat, ihm, seinem einzigen Sohn. Gottes ganze Güte und Treue ist uns in ihm begegnet. (…) Aus seinem Reichtum hat er uns beschenkt, uns alle mit grenzenloser Güte überschüttet. Durch Mose gab Gott uns das Gesetz, in Jesus Christus aber ist uns seine Güte und Treue begegnet. Kein Mensch hat Gott jemals gesehen. Nur der Eine, der selbst Gott ist und mit dem Vater in engster Gemeinschaft steht, hat uns gesagt und gezeigt, wer Gott ist.»

Ich mag an diesem Bibelwort, dass Johannes mich mitnimmt zur überwältigenden Existenz von Jesus. So kann ich mit Jesus auf einmal am Anfang des Alten Testaments stehen – und staunen. Ich kann die grossen Worte der Schöpfungsgeschichte ganz neu im Licht von Jesus sehen.

Genauer hingeschaut…

Johannes beginnt seinen Bericht von Jesus nicht mit dessen Geburtsgeschichte, sondern mit einer sehr umfassenden theologischen Einordnung. Er macht von vornherein klar, dass Jesus nicht irgendein Mensch ist. Jesus ist der Sohn Gottes, das Wort Gottes, das schon bei der Schöpfung aktiv war. Er ist das Wort Gottes, das Mensch geworden ist und zu seinem Volk kam.

Es ist fast so, als ob für Johannes alle Bilder von Jesus nicht ausreichten, um ihn zu beschreiben. Am Ende nimmt er das grösste Bild, nämlich den Schöpfungsbericht (1. Mose Kapitel 1), um zu zeigen, welche unvergleichliche Person Jesus ist. Er ist nicht nur ganz Mensch, sondern eben auch ganz Gott. Als solcher war er nicht nur vor allen Zeiten existent (Vers 2), sondern er hat an der Schöpfung als das Wort Gottes direkt mitgewirkt (Vers 3-4). Wenn Gott etwas sagt und es dann geschieht, sieht Johannes Jesus aktiv an der Schöpfung beteiligt.

So wie das Licht am Anfang der Schöpfung scheint Jesus, das Licht Gottes, im geistlichen Sinn in die dunkle Welt. Er schenkt Orientierung und Rettung (Vers 4-10). Er zeigt sich den Menschen in seiner ganzen Liebe und Zuwendung. An ihm können die Jünger sehen und fühlen, wer Gott ist. Johannes kommt aus dem Staunen nicht heraus, als er in seinem ersten Brief genau diese Tatsache wiederholt (1. Johannes Kapitel 1, Verse 1-5). Die Menschen der ersten Schöpfung haben die unmittelbare Nähe zu Gott verloren, doch mit Jesus beginnt ein Neuanfang. Dies wird an der geistlichen Neuschöpfung eines Menschen, der Jesus annimmt, deutlich (Vers 12-13).

Er wohnte unter uns

Gott ist mit seinem Volk gegangen. Er war seit dem Auszug aus Ägypten im Zeltheiligtum gegenwärtig (siehe z. B. 2. Mose Kapitel 29, Verse 42-46). Daran erinnert das Wort «er nahm Wohnung unter uns» (Vers 14; vgl. 2. Mose Kapitel 26, Vers 1). Im Griechischen steht hier ein hebräisches Fremdwort, das auf Gottes Innewohnen in einem Zelt hinweist. Ein Hinweis, dass Gottes Herrlichkeit, die Schechina, bei seinem Volk ist und mit ihm geht. Genauso wohnt Jesus bei seinem Volk, wurde einer von ihnen und lebte bzw. «zeltete» mit ihnen.

Aber viele Menschen und besonders Menschen aus seinem eigenen Volk nahmen ihn nicht als Retter auf. Hinter der Formulierung von Johannes steckt Trauer und Unverständnis. Gott, der die Welt erschaffen hat, wird Mensch und kommt zu den Menschen. Er kommt zu seinem geliebten Volk. Doch Israel nimmt ihn nicht als Ganzes auf. Nur einzelne erkennen ihn und werden seine Kinder (Vers 11-12).

Der einzige Weg zum Vater – und zur Urschöpfung

Daraus folgt, wie zentral Jesus für die Geschichte der Menschheit ist. Als Sohn Gottes ist er nicht nur an der Schöpfung beteiligt, sondern er geht mit seinem Volk und schenkt Rettung. Als «Wohnung Gottes» ist er der verlässliche Treffpunkt, an dem wir Gott begegnen können. Gott zu suchen, z. B. im Gebet oder in Zeiten der Unklarheit, kann gut damit beginnen, sich an Jesus zu wenden.

Wenn Jesus als Mit-Schöpfer das Licht schuf und zugleich das Licht für alle Menschen ist, das jetzt allen leuchtet – dann ist er die einzige Möglichkeit, wie wir uns wieder dem zerbrochenen Urbild der Schöpfung annähern können. Mit anderen Worten: Wir können wieder zu den Menschen werden, wie Gott sie eigentlich gemeint hat – in der Nachfolge hinter Jesus her, dem Licht, das uns den Weg weist. Was für eine hoffnungsvolle Möglichkeit!

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Datum: 30.06.2024
Autor: Thomas Finis
Quelle: Magazin Faszination Bibel 02/24, SCM Bundes-Verlag

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