Als einziger Schwarzer im CDU-Bundesvorstand
Wer den Lebenslauf von Joe Chialo liest, dem wird klar: Gewöhnlich war das bisherige Leben des 52-Jährigen nicht. Der gläubige CDU-Politiker Joe Chialo hat für das Buch «Der Kampf geht weiter. Mein Leben zwischen zwei Welten» seinen Werdegang nacherzählt.
Schon seine Grosseltern seien tiefgläubige Menschen gewesen, beginnt Chialo seine Autobiografie. In Tansania entdeckten Lehrer und Eltern das Talent seines Grossvaters und schickten ihn auf die Schule eines Benediktinerklosters. Auch dessen Sohn, Joe Chialos Vater, zeigte früh Talent und bekam ein Stipendium für einen Studienaufenthalt in Deutschland. Er studierte in Marburg Volkswirtschaft und wurde in den 60er Jahren Diplomat für Tansania in Deutschland.
Im Internat
Während des Dienstes in Bonn wurde Joe geboren. Als seine Eltern 1979 zur Botschaft in Schweden versetzt wurden, brachten sie ihn und seinen Bruder in das katholische Internat der Salesianer im Kloster Marienhausen in Rüdesheim-Aulhausen am Rhein. «Als gläubige Menschen waren sie immer in christlichen Gemeinden engagiert und hatten schon vor meiner Geburt in Deutschland eine Reihe von Gemeinden und Priestern kennengelernt», schreibt Chialo. Einer davon war Pater Karl Oerder, der dem Orden der Salesianer Don Boscos angehörte und für das Leben Chialos noch wichtig werden sollte. Bei ihm erhielten Chialo und sein Bruder Kommunions- und Bibelunterricht. «Er las mit uns in der Bibel und festigte in vielen Diskussionen im Kleinen wie im Grossen meinen Glauben», schreibt Chialo.
Im Internat herrschten «Zucht und Ordnung», erinnert sich der Autor. «Vor jedem Essen wurde gebetet, abends wurde gebetet und am Sonntag ging es mit der ganzen Familie in die Kirche.» Pater Oerder sorgte dafür, dass Chialo und sein Bruder später ins christliche Gymnasium in Neunkirchen-Seelscheid kamen, wo sie Abitur machten. «Ein Elite-Internat», so Chialo, «das die dort tätigen Ordensbrüder sicher nie so nennen würden, aber man stellte einen ganz klaren Anspruch an die Schüler.»
Politik und Musik
Schon als Jugendlicher interessierte sich Chialo besonders für zwei Dinge: Politik und Musik. Und beide sollten sein späteres Leben bestimmen. Bei dem Besuch eines Vortrages von Guido Westerwelle kam ihm erstmals der Wunsch, so wie der FDP-Politiker später einmal geschliffene Reden zu halten und schlagkräftige Argumente auszutauschen. Die ideologische Basis für seine spätere Politik habe er bei den katholischen Geistlichen bekommen. «Die Patres waren weltoffen und konservativ, und damit CDU-nah. Über die Weltpolitik wurde fast jeden Abend gesprochen.»
Es folgte für Chialo eine Ausbildung als Zerspanungsmechaniker in Nürnberg. Im Jahr 1990 trat er, 20-jährig, bei den Grünen ein und studierte Politik, Geschichte und wirtschaftliche Staatswissenschaften. Sein Nebenjob: Türsteher in einer Diskothek. Schliesslich wurde Chialo Sänger und Frontman der Metal-Band «Blue Manner Haze». Noch heute kann man deren Hits wie «By Any Means» oder «One By One», deren Videosclips damals bei MTV gespielt wurden, im Internet sehen. «Kein Fremdschämen, richtig geil!», schreibt Chialo heute rückblickend nicht ohne Stolz. Die Band spielte auf Festivals wie Rock am Ring und Bizarre und war Nachfolgeband von Grössen wie Joy Division und Slash von Guns N’ Roses.
Es folgte für Chialo eine Karriere in der Musikbranche. In Amsterdam arbeitete er für Universal als Talentscout. Unter anderem brachte er nach eigener Aussage Verträge mit Bands wie «Juli» und «Ich + Ich» zustande, hatte Britney Spears in Deutschland in die Radios gebracht und für das Anlaufen der Fernsehsendung «Popstars» gesorgt.
Geistliche Musik
Als 2011 eine Welle an Missbrauchsfällen in der Katholischen Kirche bekannt wurde, traf ihn das ins Herz, schreibt er. Chialo wollte mit einer explizit katholischen Band einen positiven Gegenpol zu den schlechten Schlagzeilen setzen. «Weil ich der katholischen Kirche viel zu verdanken habe und weil Kirche so viel mehr ist als diese Missbrauchsvorfälle.» So rief er die Band «Die Priester» ins Leben, drei singende katholische Geistliche, die mit «Spiritus Dei» ihr Debütalbum herausgaben. Darauf fanden sich auf Latein und Deutsch gesungene klassische Lieder sowie Titel wie «Halleluja» von Leonard Cohen. Chialo war begeistert: «Erfolg mit einer Musik, die ein tiefes Empfinden auslöst und die einen Beitrag zum menschlichen Bedürfnis nach Spiritualität liefert!» Er fügt hinzu: «Dass es der Glaube war, der mich wieder an meinen Beruf glauben liess, war eine wunderbare Erfahrung. Ich war wieder zurück. Mit Demut und mit Gottes Hilfe.»
Das C für christlich
Chialo gründete 2013 ein eigenes Label mit dem Namen «Airforce1». Im Jahr 2016 trat er in die CDU ein. Auch aus einer Bewunderung für die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel heraus, wie Chialo schreibt. Sie habe angesichts von flüchtenden Menschen aus Syrien, Afghanistan und den Ländern Afrikas eine bedingungslose Hilfe für Menschen in Not gezeigt. «Das war das 'C'. Das war christlich. Sie handelte gegen ungemein viele Widerstände, auch innerhalb der eigenen Partei. Und sie handelte so, wie eine Christin handeln muss: Liebe deinen Nächsten! Hilf denen, die sich selbst nicht helfen können!» Für ihn war klar: «In dieser Partei, in der eine Vorsitzende sich von der Humanität und ihrem christlichen Glauben leiten lässt, in der es einen klaren moralischen Kompass gibt, will ich mich fest engagieren.»
Er selbst wolle etwas bewegen, schreibt Chialos. «Nicht warten, bis ich bewegt werde.» Für den gläubigen Katholiken sei die CDU «vor allem eine Partei der Werte». Bei der Wahl zum Bundestag im September 2021 scheiterte Chialo in seinem Wahlkreis Spandau/Charlottenburg-Nord an seinem SPD-Kontrahenten. Doch er wolle dranbleiben, schreibt er. «Die gleiche Leidenschaft, die mich in der Musikindustrie antreibt, begleitet mich auch in der Politik. Und die Unterschiede sind gar nicht so gross: Sowohl in der Musik als auch in der Politik muss man Menschen im Herzen berühren.»
Im Januar 2022 wurde er auf dem Bundesparteitag mit 799 von 983 Stimmen in den Bundesvorstand der CDU gewählt, mit dem besten Ergebnis aller Kandidaten und Kandidatinnen, schreibt Chialo stolz. Und: «Ich bin der erste Schwarze in diesem Gremium.»
Dieser Artikel erschien zuerst auf PRO Medienmagazin
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Datum: 24.10.2022
Autor: Jörn Schumacher
Quelle: PRO Medienmagazin