Teenagermagazin

Happy birthday, teensmag!

Blattmachen für die schnellste Zielgruppe der Welt. Das Teenagermagazin "teensmag" feiert Geburtstag: Vor 20 Jahren in der Schweiz als TEENS lanciert, erscheint es seit 1995 als deutsch-helvetische Teamproduktion. 18'000 Hefte gehen an Abonnenten, auch Kioske verkaufen teensmag. – Andreas Malessa gratuliert.
Startausgabe Teensmag
Zeitschrift Teensmag
Andreas Malessa

Wem noch vor zehn Jahren die vertrauten Klänge des ARD-Sandmännchens das Ende eines aufregend verspielten Tages einläuteten, der verfolgt heute auf VIVA den aufregend nachgespielten Prozess gegen Michael Jackson am Ende eines langweiligen Schul-Tages. Wer gestern noch Pippi Langstrumpf mit den Zöpfen wackeln sah, sieht heute schon Christina Aguilera dasselbe mit dem Po tun.

Zwischen 5 und 15 liegen für Eltern "nur" zehn Jahre. Für Kinder aber die Strecke von der adretten Mary Poppins zu den Ekel-Orgien von "Jackass".

Die Signale

Pubertät – das ist für Mütter und Väter ein Grund zum Augenverdrehen, wenn sie unter Freunden sind. Für Kinder ein Grund zum Augenöffnen, welche Welt es gibt, wenn sie bei Freunden sind. Die "richtigen" oder die "falschen" Freunde finden Teenager zunächst äusserlich durch Stammes-Zeichen. Winnetou als Apache erkannte ja auch jeden Komantschen von weitem. Ob sich Mädchen bei Pimkie, Orsay und Xanaka einkleiden oder bei Zero, H & M und Esprit – das ist für Eltern eine Frage des Geldbeutels, für die Betroffenen eine Frage der Ehre.

Was dem frommen Vater der Fisch am Auto ist, könnte dem Sohn das "WWJD"-Armband oder das G-sus-Sweatshirt mit Dornenkrone sein. Und wenn in der Hohlstunde (Schüler würden sagen, alle Stunden sind Hohlstunden) ein "teensmag" aus dem Rucksack ragt – dann ist auch das eins von vielen gruppen-identifizierenden "Signalen". Wie die militärischen Feldzeichen in Opas Preussen...

Ernst und wahr

Pubertierende sind keine vorläufigen Menschen. Teenager leben auch kein "uneigentliches" Leben. Sie wollen und müssen ganz und gar ernstgenommen und wahr-genommen werden, auch wenn nichts so ganz ernst und das meiste morgen schon nicht mehr wahr ist.

Das ist für Eltern und Lehrer schwierig genug. Wie viel mehr für Redakteurinnen und Redakteure, für fromme Blattmacher, die Heft für Heft den Geschmack dieser Leserschaft treffen müssen. Der aber ändert sich so abrupt wie die Flugrichtung eines Finkenschwarms.

Vor zehn Jahren, als Kohl noch Kanzler, Ostdeutschland noch eine demnächst blühende Landschaft und das Internet nur was für Computerfreaks waren, da passierte etwas Erstaunliches: Das Schweizer christliche Magazin TEENS hatte mit der Ausgabe 9/94 mehr Finanzlöcher als ein Emmentaler Käse Löcher haben kann. Die Druckmaschinen stoppten. Trotz kreativer, legendärer Einfälle (das Sommer-Doppelheft 1990 z.B. hatte ein 3,5 cm grosses Loch; in der Sommernummer 1988 klebte ein Kamm; im April 1992 prangte die erste Fotostory zum Thema CD-Klau im Kaufhaus usw.) gab es keine wirtschaftliche Zukunft für das Heft. Der deutsche Bundes-Verlag in Witten bot eine Zusammenarbeit an und – im Frühjahr 1995 erschien teensmag mit 68 Seiten, einer kostenlosen Erstauflage von 100.000 Exemplaren und bald über 10.000 Abonnenten in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Im Dreieck gesprungen

Wie würden Sie das machen: Mit christlicher Ethik an 12- bis 17-jährige herantreten, ohne in Sandmännchen-Pädagogik zu verfallen ("Nun, liebe Kinder, gebt fein acht ...")? Grosse Fotostrecken fahren ohne Softporno-Sex?

Nachahmenswerte Stars und Idole installieren, ohne dümmlicher Idolisierung anheim zu fallen ? Wir würden Sie es tun ?

Anja Gundlach, Bettina Wendland, Niklaus Mosimann, Anja Schäfer und viele freie Autorinnen und Autoren haben es getan und sind dabei Heft für Heft im Dreieck gesprungen: Zwischen den Ansprüchen eines christlich geprägten Verlages, den Ansprüchen der Teenie-Eltern, die das Abo ja meist bezahlen und den Ansprüchen der jungen Leserinnen und Leser.

Als Pastor (einer Freikirche), Vater (zweier Teenagertöchter) und Journalist (mehrerer Hörfunk-Sender) stelle ich fest: Die Blattmacherinnen haben sich fast immer für die Leser entschieden. Nehmen die Pubertierenden ernst. Stellen sich solidarisch an ihre Seite. Das war und bleibt richtig und überlebenswichtig.

Nah bei ihren Lesern

BRAVO begann in der zweiten Hälfte der 90er seinen Auflagen-Sinkflug. Hauptschüler wechselten zu YAM. Gymnasiastinnen entdeckten YOUNG MISS. Jungen hörten überhaupt auf zu lesen – es gab ja Computerspiele und Internet. Und da griff teensmag zur Jahrtausendwende eine gute alte Idee der Schweizer auf und brachte einen "Lyrik-Kalender" heraus? Eine "teensmag-Bibel"? Ein Buch "This is my church"? Erhöhte seine Auflage auf heute über 20.000 Abonnenten? Erstaunlich.

Kein Journalist darf nur am Schreibtisch hocken, sondern muss den "Puls der Zeit" draussen, auf der Strasse, unter Menschen, selber spüren. Muss die gesellschaftlichen und kulturellen Stimmungen und Trends mit-fühlen. Muss vorausahnen, wann und wohin der Wind sich dreht.

Wer für Erwachsene schreibt oder sendet, trifft dort draussen mehrheitlich auf artikulationsfähige und diskussionswillige Auskunftgeber. Und wenn nicht, dann gräbt er unter den hohen Papierbergen gesicherter Umfrage-Ergebnisse nach seinem Gold. Wer für Teenager schreibt oder sendet, trifft dort draussen mehrheitlich auf kurz angebundene, maulfaul diskussionsunwillige Auskunftgeizer.

Und wenn er unter Papierbergen das Gold der Umfrage-Ergebnisse schürft ("Shell-Jugendstudie"...), ist es selten gesichert, denn: Fast immer haben erwachsene Soziologen und besorgt dreinschauende Pädagogen die Teenager befragt. Und Teenager wissen, was man erwachsenen Soziologen und besorgt dreinschauenden Pädagogen erzählen muss...

Dieses kulturelle Ausserirdisch-Sein erleben Eltern zunächst an Äusserlichkeiten: Bis ich den Unterschied von Freundschaftsbändchen zu Scooby-Doo-Bändern kapierte, waren beide aus der Mode. Dass es im grossen Flipflop-Sommer 2003 Latschen zu 50 Cent und Latschen zu 23 Euro gab, entdeckte ich erst an der Kaufhauskasse. Und dass "50 Cent" keine Preisangabe, sondern ein Hiphopper ist, noch viel später ... Was aber, wenn man von Berufs wegen gar nicht ausserirdisch sein darf? Kurz: An den teensmag-Machern bewundere ich, wie sie die Nähe zu ihren Lesern halten. Woher sie immer wissen, was sie wissen müssen. Wie sie die Hintergründe zu ihren Geschichten holen. Wie sie ihren "Sound" aktualisieren und das Lebensgefühl ihrer Leserschaft nach- und mitfühlen.

Öffentliche Stammeszeichen

Seit es teensmag am Kiosk gibt (seit einem halben Jahr in Deutschland und zwei Jahren in der Schweiz), wird u.a. dies über die tatsächlich "missionarische" Wirkung der Zeitschrift entscheiden, vermute ich mal.

Denn die liebenswerte Stärke des Blattes – das "Wir-Gefühl" zwischen Lesern untereinander und zwischen den Machern und den Lesern – könnte sich am Kiosk als Schwäche herausstellen: Wenn säkulare Erstkäufer vor einer eingeschworenen Abonnenten-"Gemeinde" stehen, die trotz ihres jugendfrischen Tons schon eine Lesergemeinde mit festen Traditionen ist.

Auf welchen Wegen lernen die das Blatt kennen? Wahrscheinlich so, wie man das meiste kennen lernt in der Pubertät: durch Freunde. Und da, so meine ich, liegt nach erfolgreichen zehn Jahren (mit den Schweizer Anfängen sogar schon zwanzig Jahren) für die nächste Dekade der Knackpunkt. Ob sich die eigenen Abonnenten trauen, ihr "Stammeszeichen" öffentlich und offensiv zu tragen.

Aber teensmag wäre nicht teensmag, wenn die Macher nicht auch dafür schon eine Aktion hätten: In diesem Jahr trafen sich 12 Wochen lang rund 200 Zweier- oder Dreier-Teams von teensmag-Lesern, um miteinander Bibel zu lesen, zu beten und missionarisch-soziale Aktionen durchzuführen. Wunderbar. Eine Zeitschrift schreibt nicht nur über Aktionen, sondern zettelt welche an. Vernetzt seine Leser nicht nur virtuell, sondern real und vor Ort. "This is my church". Eben!

Herzlichen Glückwunsch!

Autor: Andreas Malessa ist Hörfunkjournalist und Fernsehmoderator bei DLR, HR und SWR, lebt mit seiner Familie in Hochdorf bei Stuttgart und – liest manchmal teensmag mit.

More Facts zu 20 Jahren teensmag aus der Feder des Schweizer Redaktors Niklaus Mosimann
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Datum: 05.01.2006

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