Die EU selbst hat keine Kompetenz, in solche Regelungen einzugreifen. Das ist spätestens seit dem Amsterdamer Vertrag von 1998 auch schriftlich festgelegt. Würden die Bestimmungen des derzeit diskutierten EU-Verfassungsvertrags verwirklicht, wären dagegen auch in der EU eigene Regeln für die Kirchen und Religionsgemeinschaften festgeschrieben. Darin ist etwa ein strukturierter Dialog der EU-Institutionen mit den Kirchen vorgesehen - auch hier also ein Sonderstatus gegenüber anderen Organisationen. Die gesetzlich verankerte Trennung von Kirche und Staat in Frankreich ist eines der am weitesten gehenden Beispiele, wie Staaten ihre weltanschauliche Neutralität verankern können. Das Gesetz von 1905 verweist die Kirchen in den Privatbereich. Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit. Doch selbst in Frankreich sind indirekte Zuschüsse des Staates an die Kirchen möglich. So werden Krankenhaus- und Gefängnisseelsorger vom Staat bezahlt; der Staat kann auch Kreditgarantien geben, wenn etwa Diözesen neue Kirchen errichten. Und weil alle vor 1905 gebauten Gotteshäuser in staatlichem Besitz sind, fallen auch die teils enormen Unterhaltskosten seinem Etat zur Last. Gegenbeispiele dafür sind etwa Griechenland, Malta oder Dänemark. In Griechenland ist die orthodoxe Kirche die offizielle Religion des Staates. Auch wenn Glaubensfreiheit herrscht, ist die Abwerbung von Gläubigen verboten. Die orthodoxe Kirche wird vom Gesetzgeber besonders gefördert. Auch werden die Gehälter orthodoxer Geistlicher und Kirchenmitarbeiter vom Staat bezahlt. Ähnlich in Malta. Dort ist das katholische Bekenntnis Staatsreligion. Das hat etwa zur Folge, dass Religion ein Pflichtfach an den Schulen ist. Die kirchliche Eheschliessung wird auch staatlich anerkannt. Als einziges EU-Land lässt Malta auch keine Ehescheidungen zu, sondern akzeptiert nur kirchliche Nichtigkeitsurteile und Auflösungsdekrete. Auch die dänische Verfassung kennt eine Nationalkirche: die evangelisch-lutherische Kirche des Landes. Ihre Unterstützung in wirtschaftlicher, rechtlicher und politischer Hinsicht ist ausdrücklich festgeschrieben. Zwar herrscht auch in Dänemark Religionsfreiheit, doch sind andere Glaubensgemeinschaften meist als private Vereine organisiert. Kirchensteuer zieht der Staat nur für die Nationalkirche von deren Mitgliedern unter den Steuerzahlern ein. Die anderen Religionsgemeinschaften sind auf Beiträge und Spenden ihrer Mitglieder angewiesen. Komplizierter ist die Lage in Grossbritannien. Dort ist das Staatsoberhaupt, derzeit Königin Elizabeth II., auch Oberhaupt der anglikanischen Kirche von England. In Schottland ist sie Oberhaupt der Kirche von Schottland. Die katholische Kirche und andere Religionsgemeinschaften haben nicht mehr Rechte als andere Vereine und Verbände. Die neuen EU-Staaten, sofern sie vor 1990 dem kommunistischen Machtbereich angehörten, wählten in ihren Verfassungen allesamt Regelungen, die grundsätzlich zwischen Staat und Kirche trennen. Kirchen und Religionsgemeinschaften sind dort rechtlich gleichgestellt. Sehr unterschiedlich wird dagegen der Religionsunterricht behandelt. Während einige Staaten ihn - wie in Frankreich - nur ausserhalb der Schulzeit gestatten, gehört er in anderen zum Unterrichtsprogramm, allerdings meist nicht als Pflichtfach. In der Praxis freilich prägen überall zumeist Kooperation und Koordination die Zusammenarbeit zwischen Staat und Religionsgemeinschaften. Die Zeiten heftiger Glaubens- und Kulturkämpfe scheinen zumindest mit Blick auf die rechtlichen Voraussetzungen für die Kirchen in den EU-Staaten überwunden.Trennung von Staat und Kirche
Abwerbung von Gläubigen verboten
Evangelisch-lutherische Nationalkirche
Königin als Oberhaupt der anglikanischen Kirche
Glaubens- und Kulturkämpfe scheinen überwunden
Datum: 09.03.2007
Quelle: Kipa