Ägypten: Koptische Christen «bereit zu vergeben»
Der ägyptische Präsident teilte am Montag mit, dass der 22-jährige Mahmoud Shafiq Mohammed Mustafa der Attentäter war, der am Sonntagmorgen die orthodoxe koptische Kathedrale St. Markus stürmte und einen 12-Kilogramm-Sprengsatz zündete, der vor allem Frauen und Kinder tötete. Vier weitere Verdächtige – drei Männer und eine Frau – sind inzwischen unter dem Verdacht der Mittäterschaft verhaftet worden.
Nachdem anfänglich der Verdacht auf die Moslem-Bruderschaft gefallen war, hat nun der «Islamische Staat» Verantwortung für die Gräueltat übernommen und den Attentäter unter seinem Kämpfernamen Abu Abdallah al-Masri identifiziert.
«Keine Rache»
Egal wer die Verantwortung trägt – Bischof Angaelos machte in einem Interview mit der «Christian Post» klar, dass die koptische Gemeinschaft keine Rache suche. «Historisch ist es immer so gewesen; nach solchen Angriffen gibt es Zorn und einen öffentlichen Aufschrei, aber keine Rache oder Vergeltung. Dafür sind wir sehr dankbar.» Und er fährt fort: «Wenn der IS die Verantwortung hat, macht es die ganze Sache nicht mehr oder weniger schmerzhaft. Unser Schmerz ist, dass wir Menschen verloren haben. Unser Schmerz ist es, dass es überhaupt ein Denken und ein Bewusstsein gibt, das solche Taten ausführen kann, wer immer es auch ist.»
Nach einer privaten Trauerfeier wurde in Kairo eine Kerzenwache organisiert, die von vielen Trauernden besucht wurde. Eine weitere Trauerfeier wurde in der Westminster Abbey in London von Bischof Angaelos abgehalten, die unter anderem vom anglikanischen Erzbischof Justin Welby, dem ägyptischen Botschafter und weiteren religiösen Führern besucht wurde.
Beten um Heilung
«Wir beten um Heilung in unserer Gesellschaft. Wir haben den Menschen vergeben, die das angerichtet haben, denn schlussendlich wird uns ein Mangel an Vergebung mehr schaden als allen anderen», erklärte Bischof weiter. «Daran müssen wir als Christen immer denken, und ich darf mit Stolz sagen, dass Kopten das sehr natürlich und organisch seit Jahrzehnten tun.»
Angaelos führte weiter aus, dass die meisten extremistischen Angriffe in Ägypten im oberen und im ländlichen Teil des Landes geschehen. «Ägyptische Kirchen sind immer ein weiches Ziel», warnte er. «Die Menschen, die Christen angreifen, jagen nicht nur Christen. Sie wollen eine sehr enge Gesellschaft, wo alle gleich denken, darum greifen sie sogar die Mehrheit der Moslems an. Diesen Angriff sollten nicht nur die Christen, sondern die ganze Gesellschaft ernstnehmen.»
Unlösbare Aufgabe
Auf die Kritik an der ägyptischen Regierung, sie tue nicht genug für die Sicherheit religiöser Minderheiten, antwortete Angaelos: «Zu verhindern, was da geschehen ist, ist eine praktisch unlösbare Aufgabe. Wir müssen die Gesellschaft heilen, auf deren Boden so etwas möglich ist. Ich glaube nicht, dass eine Extremistengruppe das Problem ist. Das wahre Problem ist der fruchtbare Boden, in den sie ihre Ideen säen können, wo Leute diese Ideen nehmen und sie ausführen. Wir müssen eine Gesellschaft aufbauen, in der man nicht einfach einen anderen töten kann, weil er ein menschliches Wesen ist, das man nicht einfach so behandeln darf.»
Kritik an Websites
Angaelos ging hart mit einigen ägyptischen Websites ins Gericht, die behauptet hatten, die Christen seien mitschuldig an solchen Attentaten, weil sie sich um öffentliche Sympathie bemühten. «Das ist lächerlich und beleidigend. Es ist beleidigend für eine Gemeinschaft, die um 24 Menschen trauert, vor allem Frauen und Kinder. Wenn das die Antwort auf solch eine Tragödie ist, frage ich mich, wo das Gewissen geblieben ist.»
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Datum: 16.12.2016
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Christian Post