Abraham, Isaak, Jesus und die Schweizer
Nur wenige Flüchtlinge kommen in diesen Tagen in die Schweiz, aber das heisst noch lange nicht, dass es sie nicht mehr gibt. In den letzten Tagen war das Camp Moria auf der Insel Lesbos wieder in den Nachrichten. Statt 3'000 Flüchtlingen, für die das Camp vorgesehen ist, leben im Moment wieder rund 10'000 in diesem Lager. Im Moment kommen viele Flüchtlinge aus Afghanistan, wo die Taliban wieder sehr aktiv geworden sind. Das grösste Flüchtlingslager der Welt ist allerdings in Bangladesch, wohin fast eine Million Rohingyas aus Myanmar geflüchtet sind. Flüchtlinge verlassen ihr Land wegen Krieg, religiöser oder ethnischer Vertreibung oder schlicht aus Armut und weil sie keine Arbeit finden.
Flüchtlinge aus der Schweiz
Vor 150 Jahren war die Schweiz noch nicht das Wohlstandsland, das es heute ist. Viele Leute waren verarmt durch Missernten, die napoleonischen Kriege Anfang des 19. Jahrhunderts, die aufkommende Industrialisierung und Klimakatastrophen wie der Vulkanausbruch in Indonesien 1815, welcher zum «Jahr ohne Sommer» führte. Diesen verarmten Menschen blieb oft nichts anderes übrig, als das Land zu verlassen, manchmal auch ungewollt, wie kürzlich in einer Sendung des SRF zu sehen war. In «Mini Schwiiz, dini Schwiiz» über Rothrist hörte man, dass 1855 das Budget der Gemeinde so knapp war, dass man etwas unternehmen musste, um all die armen Dorfbewohner loszuwerden. So wurden 300 Leute, ein Fünftel der damaligen Bevölkerung, aufgefordert, ihre Sachen zu packen, und danach wurden sie mit Fuhrwerken nach Basel gebracht, von wo sie in die USA weiterreisten. Nach dem Vulkanausbruch verliessen 1816 2'000 Menschen, vor allem aus der Gegend um Friburg, die Schweiz Richtung Brasilien und gründeten dort die Stadt Nova Friburgo. Auch hier gingen nicht alle freiwillig. Wie auf dem Blog des Nationalmuseums zu lesen ist, gab es zudem auch damals schon Werber, welche die Auswanderungswilligen mit falschen Versprechen anlockten und sie ins Verderben stürzten.
Nicht nur Armut liess die Leute aus der Schweiz auswandern. Berne, Indiana ist eine Gründung der Mennoniten, die ihre Heimat verliessen, weil sie Religionsfreiheit suchten. Rund um Berne leben Amishe, auch sie Nachfahren von Religionsflüchtlingen aus der Schweiz.
Im 19. Jahrhundert wanderten zwischen 40'000 und 90'000 Schweizer pro Jahrzehnt aus der Schweiz nach Übersee aus. Bei einer schweizerischen Gesamtbevölkerung von weniger als 2,5 Millionen sind das beträchtliche Zahlen.
Flucht und Auswanderung auf Grund von Armut, Krieg und religiöser Verfolgung, das klingt doch sehr aktuell!
Flüchtlinge in der Bibel
Waren auch die Leute in der Bibel auf der Flucht? Der sicher bekannteste aller Flüchtlinge ist Jesus, der als kleines Kind mit seinen Eltern nach Ägypten fliehen musste. Aber Jesus war bei weitem nicht der einzige Flüchtling in der Bibel. Sowohl Abraham wie auch Isaak mussten in ein anderes Land fliehen wegen einer Hungersnot. Später war es dann nicht nur eine Familie die floh, sondern Jakob mit all seinen Söhnen und Angehörigen, der nach Ägypten floh, um der Hungersnot in Israel zu entkommen. Die Nachfahren Jakobs und seiner Söhne flohen dann aus Ägypten zurück nach Israel wegen der schlimmen Lebensbedingungen, unter denen sie leiden mussten.
Im Alten Testament werden die Israeliten darum immer wieder aufgefordert (5. Mose Kapitel 10, Vers 19), sich um Fremde oder Flüchtlinge zu kümmern, weil sie ja auch Flüchtlinge waren in Ägypten und dort Aufnahme fanden. Auch die biblischen Bücher Daniel, Esra und Nehemia erzählen von Völkerbewegungen, von Leuten, welche von einem Land ins andere zogen als Gefangene, um dann später wieder in ihre Heimat zurückzukehren.
Auch die ersten Christen in Jerusalem mussten als Glaubensflüchtlinge ihre Heimat verlassen und sich an einem neuen Ort nieder lassen. Durch diese Vertreibung wurde der Glaube weiterverbreitet in neue Regionen.
Es ist klar: Migration und Flüchtlingsbewegungen sind nichts Neues und aus diesen Bewegungen ist oft Gutes entstanden. Auch heute entstehen Migrantengemeinden in Europa, welche oft ein grosses Anliegen für ihre neue Heimat haben und für diese beten.
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Datum: 28.10.2019
Autor: Barbara Rüegger
Quelle: Livenet