Nachhaltig leben

TEIL, ein etwas anderer Kleiderladen

Ein Secondhandladen, der aber keine Kleider verkauft, sondern sie ausleiht, wer hat denn so was schon gehört? Wie ist er der Laden überhaupt entstanden? Im Interview erzählen Debora Alder-Gasser und Nadal Gasser, wie es zu dieser speziellen Idee kam.
Nadal Gasser und Debora Alder-Gasser (Bild: Facebook)
Der TEIL Laden in Bern

Was ist die Vision von TEIL, wer oder was steht dahinter?
Die Ungerechtigkeit in der Textilindustrie gegenüber Menschen und Umwelt hat uns sehr betroffen gemacht und wir suchten einen Weg, wie wir einen Beitrag zur Lösung des Problems sein könnten. Wir träumen von einer Welt, in der die Textilbranche nicht mehr Kleider für die einen auf Kosten der anderen produziert. Inspiriert worden sind wir von der «Kleiderei» in zwei Städten in Deutschland und TEIL ist nun unser Beitrag dazu in Bern für die Bernerinnen. Es ist eine familiäre Initiative, wir kamen als Geschwister und mit den Ehepartnern zusammen, Debora und ihr Mann und Nadal mit seiner Frau. Nun haben wir aber auch ein junges, dynamisches Team, das hinter uns steht, in der Kommunikation und im Design mithilft und TEIL möglich macht.

Wie habt ihr angefangen?
Die Idee kam von Debora und ich (Nadal) merkte, dass ich die Möglichkeit hatte, etwas aufzubauen. Im Gespräch miteinander wurde uns klar, dass wir das versuchen wollen und so habe ich ein Jahr lang an einem Businessplan und einem Konzept gearbeitet. Aber natürlich steht auch unsere ganze Familie dahinter.

Wie lange gibt es den Laden nun schon? Und wie läuft es?

Den Laden gibt es nun seit sechs Monaten, eigentlich läuft es gut und wir sind sehr motiviert. Allerdings spüren wir wohl auch die Corona-Pandemie, welche die Leute etwas zurückhaltend macht, so dass sie weniger vorbei kommen, um etwas Neues auszuprobieren. Wir könnten noch mehr Teilerinnen – so nennen wir unsere Kundinnen brauchen. Aber die Rückmeldungen sind sehr motivierend und wir spüren eine grosse Resonanz, wir konnten TEIL auch schon an verschiedenen Orten vorstellen.

Wenn ich nun so Kleidungsstück ausleihen möchte, was muss ich machen, und könnte ich es auch behalten?
Auf unserer Webseite haben wir das so beschrieben: «Werde mit einem Abo Teil von TEIL. Leih dir deine Kleidungsstücke aus einer vielfältigen Auswahl aus. Tausche die Kleidungsstücke nach deinem Bedarf aus. Hast du dein Lieblingskleidungsstück gefunden und willst es nicht mehr hergeben? Wir machen dir gerne ein Preisangebot.» Wir haben durch die Rückmeldungen von Teilerinnen die Abos angepasst, so dass Kleider nun jederzeit ausgetauscht werden können. Wenn sie zurück gebracht werden, kontrollieren wir die Kleider, sind uns aber bewusst, dass Kleider beim Tragen abgenutzt werden oder das mal was passiert, trotz der Waschanleitungen, welche wir mitgeben. Wir erwarten natürlich, dass den Kleidern Sorge getragen wird, weil es für uns auch ein Ausdruck von Wertschätzung gegenüber den Kleidern und ihren Herstellern ist. Ein Kleidungsstück, das ausgeliehen wurde, kann gekauft werden, wir wollen aber den bewussten Kleiderkauf fördern. Wenn aber so ein Kleid zum neuen Lieblingsstück wird, soll das die Kundin auch behalten dürfen.

Woher kommen die Kleider?
Die meisten sind gespendet, auch von Teilerinnen. Leute bringen schöne Kleider, weil sie wissen, dass die Kleider hier wertgeschätzt werden und dass andere Leute nochmals Freude daran haben. Wir haben auch Spenden von Läden und von fairfashion Labels bekommen und bis nächstes Jahr möchten wir 10 Prozent solcher Kleider haben. Damit wollen wir auch dazu beitragen, Fairfashion Labels sichtbarer zu machen und die Produktionsbedingungen in Herkunftsländern zu verbessern.

Habt ihr nur Kleider oder auch andere Dinge, die man ausleihen kann?
Wir haben auch Accessoires, Taschen etc., aber wir haben den Hauptfokus auf Kleidern, hauptsächlich auf Alltagskleidern. Aber man findet bei uns auch für etwas speziellere Anlässe wie etwa eine Hochzeit.

Woher kommen eure Kunden?
Unsere Teilerinnen sind hauptsächlich Frauen zwischen 25 und 35, wir haben aber auch jüngere und ältere aus Bern und der näheren Umgebung. Im Moment haben wir nur Kleider für Frauen und alle, die kommen, haben auch ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit. Wir hoffen, in Zukunft auch für Männer Kleidungsstücke anbieten zu können. Bei TEIL ein Abo zu haben, muss man sich leisten wollen, es ist keine Brockenstube, man investiert in Nachhaltigkeit. Wir sprechen aber auch Leute an, die minimalistisch leben wollen, die gerne mal etwas Neues tragen, aber dazu nicht einen ganzen Schrank voller Kleider haben müssen. Wir wollen Abwechslung im Kleiderschrank möglich machen, die nicht auf Kosten der Umwelt und der Mitmenschen geht.

Wie werden Menschen auf diesen Laden aufmerksam?
Wir sind im Moment hauptsächlich auf Social Media aktiv, hatten aber auch schon Auftritte in den Medien, Radio Bern zum Beispiel oder an Events, wo wir TEIL vorstellen konnten. Am meisten leben wir aber von Mund-zu-Mund-Propaganda von begeisterten Teilerinnen.

Wärt ihr bereit, auch in einer neuen Stadt so einen Laden aufbauen zu helfen?
Wir haben tatsächlich darüber nachgedacht und es ist Teil unseres Fünfjahres-Planes, eine weitere Location zu eröffnen. Ob es ein Franchising sein wird oder ob wir einer anderen Person mithelfen, selber so einen Laden zu starten, diskutieren wir, wenn es soweit ist.

Zur Webseite:
TEIL

Zum Thema:
Ethik kontra Rendite?: Nachhaltige Strategie macht Pensionskassen stabiler
Nachhaltige Entwicklung: Wie können wir den Hunger überwinden?
Von lokalen Schneidern: 25'000 Wintermäntel für syrische Kinder

Datum: 07.12.2020
Autor: Barbara Rüegger
Quelle: Livenet

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung