Zunehmende Gewalt

Unerträgliche Lage für Christen in Subsahara-Afrika

Nigeria: Fulani-Schafe inmitten der zerstörten Dörfer
Die jüngsten Umstürze in Gabun Ende August und in Niger im Juli dieses Jahres haben die Anfälligkeit der Staaten gegenüber der zunehmenden Gewalt und den Terroranschlägen im Zusammenhang mit islamistischen Gruppen noch weiter erhöht.

Bereits im Jahr 2021 befanden sich fünf der zehn am stärksten von Gewalt und Terrorismus betroffenen Länder in Afrika (Somalia, Burkina Faso, Nigeria, Mali und Niger). Seitdem hat die Gewalt, insbesondere in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara, immer stärker zugenommen. Das ging so weit, dass das UN-Büro für Westafrika und die Sahelzone im Januar 2023 auf einer Sitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen die Sicherheitsherausforderungen in der Region als «beispiellos» bezeichnete.

Massive Verschärfung

Open Doors, ein internationales Hilfswerks für verfolgte Christen, stellt fest, dass der Anstieg der Gewalt die christliche Bevölkerung mit voller Wucht trifft. Während 2005 sieben Länder dieser Region zu den 50 Ländern gehörten, in denen Christen am stärksten verfolgt werden (vgl. Weltverfolgungsindex von Open Doors), sind es 2023 doppelt so viele (14); insbesondere die Intensität der Verfolgung hat deutlich zugenommen.

Eine religiöse Komponente der Gewalt

«In ganz Afrika erschüttert eine Vielzahl von islamistischen Gruppen das friedliche 'Zusammenleben', diese Situation stellt eine der Hauptquellen der Verfolgung dar. Diese gewalttätige Verfolgung betrifft alle religiösen Minderheiten und insbesondere Christen», warnt Illia Djadi, Menschenrechtsexperte und Westafrika-Spezialist von Open Doors.

Nigeria ist besonders stark von der zunehmenden religiös motivierten Gewalt betroffen. Dort wurden im vergangenen Jahr laut Weltverfolgungsindex 5'014 Christen aufgrund ihres Glaubens getötet. «Bei einer gerade zurückliegenden Reise nach Nigeria habe ich das Ausmass der Angriffe militanter Fulani auf christliche Dörfer mit eigenen Augen gesehen», warnt Philippe Fonjallaz, Direktor von Open Doors Schweiz. «Wenn im Bundesstaat Plateau Dutzende von Christen bewohnte Dörfer überfallen, geplündert und zerstört werden, ebenso wie die Ernten, und viele Bewohner ermordet werden, ist das ein untrüglicher Beweis dafür, dass es eine Strategie gibt, die speziell auf Christen abzielt. Ziel ist es, sie zu terrorisieren und zur Flucht zu bewegen und so die gesamte Gemeinschaft zu destabilisieren. Natürlich ist die Situation komplex und kann nicht einfach zusammengefasst werden, aber es ist unmöglich, die Komponente des religiösen Konflikts aus der Gleichung zu eliminieren. Am unerträglichsten ist, dass diese Angriffe meist ohne Reaktion und Schutz seitens der Sicherheitskräfte bleiben. Es gibt eine Art Straflosigkeit, die diesen Terror umgibt.»

Gewalt, die eine ganze Region destabilisiert

«Die Konflikte haben zu mehr als 15 Millionen Vertriebenen geführt. Die direkte Folge ist eine allgemeine Destabilisierung der Lebensbedingungen der Bevölkerung, die wirtschaftlich oft schon sehr geschwächt ist», stellt Fonjallaz weiter fest. «Darüber hinaus schaffen die fehlende Möglichkeit, Kinder zur Schule zu schicken, und die nicht vorhandenen Perspektiven für die Jugend (über 50 Prozent der Bevölkerung der Region sind unter 25 Jahre alt) günstige Bedingungen für die Zunahme der Kriminalität, des illegalen Handels aller Art und sogar für die Rekrutierung durch terroristische Gruppen.»

Quellen der Konflikte

Vor Beginn des 21. Jahrhunderts war Religion kein Faktor, der zu länderübergreifender politischer Instabilität beitrug. Die bestehenden Spannungen konzentrierten sich lokal auf Gruppen mit gegensätzlichen Interessen, wie zum Beispiel zwischen sesshaften und nomadischen Gruppen oder zwischen dem Staat und einer sozial desintegrierten Jugend.

Jedoch zeigten sich am Anfang dieses Jahrhunderts Risse zwischen dem von den politischen Eliten geförderten säkularen Staatsmodell und den islamischen Modellen, die mit den von bestimmten muslimischen Gelehrten und Geistlichen propagierten Ideen verschmolzen sind. Die Entstehung islamistischer Gruppen, die mit Al-Qaida (AQIM) und dem Islamischen Staat in der Grossen Sahara (ISGS) in Verbindung stehen und Gewalt verbreiten, hat diesen Spannungen neue Dimensionen hinzugefügt.

Im Versuch, die zunehmende Gewalt und die Konflikte zu bekämpfen, haben die Vereinten Nationen, die Europäische Union, Frankreich, die Vereinigten Staaten und die Staaten der Region (Kamerun, Burkina Faso, Mali, Mauretanien, Niger, Nigeria und Tschad) jeweils mehrere Antiterrorinitiativen und -einsätze in der Region initiiert oder an ihnen mitgewirkt.

Doch nach der Zunahme von Umstürzen seit 2021 (militärische Interventionen fanden im Tschad, in Mali, Guinea, Sudan und Niger statt), gefolgt von weiteren Putschversuchen im Jahr 2022, darunter zwei erfolgreiche Staatsstreiche in Burkina Faso, registrierten internationale Beobachter eine Zunahme der Instabilität in mehreren Ländern der Sahelzone und den Rückzug der internationalen Streitkräfte. Zwar kann man argumentieren, dass autoritäre Regime einen Anschein von Stabilität bieten können, doch geht diese Stabilität häufig auf Kosten der Unterdrückung bürgerlicher Freiheiten und der Rechte von Minderheiten. Zudem hat diese Situation den dem IS angeschlossenen Kämpfern einen grossen Handlungsspielraum verschafft, den die Staaten heute nicht mehr eindämmen können.

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Datum: 16.10.2023
Quelle: Open Doors CH

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