Sabbat – Leben nach Gottes Rhythmus
«Sabbat – Leben nach Gottes Rhythmus» lautet das Thema der diesjährigen Allianzgebetswoche. Dazu haben sich Andi Bachmann-Roth, Co-Generalsekretär der Schweizerischen Evangelischen Allianz SEA, und Christian Kuhn, Direktor des Réseau évangélique suisse (RES), Gedanken gemacht:
Wir haben so viel Freizeit wie noch keine Generation vor uns. Doch mehr arbeitsfreie Zeit zu haben, heisst noch lange nicht, dass man innerlich zur Ruhe kommt. Die unaufhaltsame Beschleunigung, die wir aus dem Berufsleben kennen, hat schon längst in unserer Freizeit, ja sogar in unserem Glaubensleben Einzug gehalten. Vielen fällt es sogar beim Gebet schwer, zehn Minuten einfach still zu sein. Wir leben in einer Zeit der permanenten Unterhaltung und Selbstvermarktung. Kein Wunder, dass Angebote boomen, die Entspannung und Ruhe versprechen: Achtsamkeitstraining, Yoga oder eine längere
Auszeit – Sabbatical genannt.
Hier bedienen sich moderne Manager eines Wortes, das tief in der jüdisch-christlichen Tradition verankert ist. «Sabbat» bedeutet so viel wie: Aufhören. Stopp. Pause. Wenn Gott uns einmal in der Woche auffordert, alles zur Seite zu legen, dann will er damit unsere Freiheit bewahren. Wir sollen uns nicht von unseren Sorgen, Bedürfnissen oder unserer Umwelt bestimmen lassen, sondern aus der innigen Beziehung mit unserem Schöpfer leben. Der Sabbat ist das beste Gegenmittel gegen Entfremdung von Gott und die beste Hilfe für ein gelingendes Leben.
Die Allianzgebetswoche 2022 wird keine Aktionswoche gegen Sonntagsarbeit. Inmitten einer beschleunigten Welt wollen wir neu entdecken, wie wir als befreite Menschen leben können. Täglich fokussieren wir uns auf einen Aspekt des Sabbats: Identität, Versorgung, Ruhe, Barmherzigkeit, Erinnerung,
Freude, Grosszügigkeit und Hoffnung. Gemeinsam betend wollen wir einander ermutigen, bereits jetzt nach dem Rhythmus des Himmels zu tanzen. Das ist weit mehr als spirituelle Wellness für die eigene Seele. Betend engagieren wir uns für gesunde Gemeinschaften und Kirchen.
Tag 1: Sabbat & Identität
Mit Gisela Kessler-Berther, in verschiedenen Leitungsfunktionen im Gesundheits- und Bildungswesen tätig:
Darum sage den Israeliten: Ich bin der Herr und will euch wegführen von den Lasten, die euch die Ägypter auflegen, und will euch erretten von ihrem Frondienst und will euch erlösen mit ausgestrecktem Arm und durch grosse Gerichte (2. Mose Kapitel 6, Vers 6).
Zwei Freunde waren lange auf Arbeitssuche. Das hat die beiden Familienväter sehr belastet. Beide Männer besuchten in dieser Zeit den Kurs «Beruf und Christsein», den ich in unserer Kirche anbot. Sehr offen reflektierten sie dort ihre Arbeitslosigkeit. Fragen zur persönlichen Identität beschäftigten sie ganz besonders. Ist mein Wert von meiner Relevanz in der Arbeitswelt abhängig? Wie sehr definiere ich mich über meinen Beruf? Was macht es mit mir, nicht mehr arbeiten zu können? Aufgeweckt durch die wertvollen Erfahrungsberichte der beiden Männer realisierten wir alle, wie wichtig die Arbeit für unser Selbstbild ist. Gerade weil es so wichtig ist, dass wir unsere Identität nicht über unsere Arbeit definieren, verordnet uns Gott einmal pro Woche einen «Arbeitslosen» Tag: den Sabbat.
Die Juden wurden in Ägypten dieser Sabbat-Ruhe beraubt. Als Sklaven mussten sie unaufhörlich für den Pharao arbeiten. Sie waren in einem System gefangen, das die absolute Herrschaft über die Schöpfung in Anspruch nahm und sie ausbeutete. Doch Gott fand sich mit diesem Zustand nicht ab. Er erlöste sein Volk «von ihrem Frondienst». Draussen in der Wüste konnten die Juden wieder Sabbat feiern. Im Gottesdienst wurden sie daran erinnert, was ihre tiefste Identität ist: Sie sind Gottes geliebtes und auserwähltes Volk. Darum ist der Sabbat auch für uns von zentraler Bedeutung. Wenn wir gemeinsam Gottesdienst feiern, können wir erfahren: Wir sind nicht nur Gebende, sondern immer auch Empfangende. Wir sind mehr als das, was wir machen und leis- ten. Unsere Identität und Würde liegt zuletzt darin, dass wir – ganz unverdient – Gottes geliebte Kinder sind. Die Arbeit hilft uns, unsere Persönlichkeit auszubilden. Unser «Person-Sein» ist hingegen unabhängig von unserem Tun. Am freien Tag können wir Distanz zu unserer Arbeit nehmen und gerade so neue Nähe zu Gott finden. Mit dieser von Gott für uns gesetzten Sabbat-Ruhe erhalten wir Frieden, in dem wir unseren Wert als Menschen aus der Beziehung zu Gott erfahren können.
Die beiden Freunde aus dem Kurs haben ihre Identität umfassend reflektiert. Sie haben in ihrem schwierigen Erlebnis erfahren, dass sie ganz ohne eigenes Zutun Gottes geliebte Kinder sind. Dadurch haben sie nachhaltige Perspektiven für ihr Leben gefunden.
Reflexionsfragen
- Was lässt mich in unserer Gesellschaft als wertvoll gelten – und was bei Gott?
- Sichere ich mir meine Identität durch ständiges Leisten oder kann ich es am Sonntag auch mal gut sein lassen?
- Wie kann ich meinen Wert in Gott in meinem Alltag erfahren und anderen zeigen?
Gebetsanliegen
- Für die wöchentliche Auszeit, an der wir erfahren können, dass wir – ganz ohne zu leisten – Gottes geliebte Kinder sind.
- Für unsere Arbeit und wie wir dadurch als Persönlichkeit geformt werden.
- Für jene Menschen, die zu Sklaven der modernen Leistungsgesellschaft geworden sind; dass Gott sie (uns) befreie, wie er einst sein Volk befreit hat.
- Dass wir unsere Identität in Gott gründen, anstatt uns zu sehr auf unseren Leistungsausweis zu verlassen.
So könnte ich beten
Herr! Hilflos versuchen wir, uns in dir zu bergen, und wissen nicht wie. Geprägt von unserem Alltag steht unsere Leistung für uns im Fokus. Dabei hungern wir nach Anerkennung, nach Liebe. Danke, hast du uns zuerst geliebt. Danke, schenkst du uns diese Liebe – ohne Wenn und Aber. Danke, sättigst du uns, unsere Seele, mit allem, was wir brauchen. Es sind keine zusätzlichen «Vitamine» notwendig, du gibst einfach vollständig alles. Herr, hilf uns, unseren Hunger als unsere Sehnsucht nach dir zu begreifen. Hilf uns, uns an deiner Liebe zu sättigen. Zeige uns, wie das tagtäglich geht, und leite uns darin. Amen.
Aktiv werden
«Wir sind mehr als das, was wir machen und leisten.»
Halten Sie bei Ihrer Arbeit bewusst fünf Minuten inne (Wecker stellen). Danken Sie Gott für sein Ja zu Ihnen, das gänzlich unabhängig ist von Umständen wie Erfolg oder Misserfolg.
Zur Webseite:
Allianzgebetswoche
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Datum: 08.01.2022
Autor: Gisela Kessler-Berther
Quelle: allianzgebetswoche.ch