Unter Druck in Ruanda

70% der Kirchen von Behörden geschlossen

Ruanda
Sofort nach Publizierung neuer Vorschriften für Religionsgemeinschaften schliesst Ruanda rund 70 Prozent der etwa 14'000 christlichen Kirchen des Landes. Christliche NGOs aus der Schweiz reagieren mit einem Brief an die Botschaft in Genf.

Nach dem Genozid von 1994 spielten die Kirchen eine wichtige Rolle bei der Nothilfe und beim Wiederaufbau. Viele neue Gemeinden entstanden, Livenet berichtete mehrfach. Nun der Schock! Sofort nach Bekanntgabe der neuen Gesetze für Religionsgemeinschaften und neuer Bauvorschriften begannen die Behörden mit der Kontrolle und sofortigen Schliessung von Gotteshäusern, die dem neuen Standard nicht genügten.

Dies veranlasste die «Arbeitsgemeinschaft Religionsfreiheit» (AGR) der «Schweizerischen Evangelischen Allianz» (SEA) dazu, einen Brief an die ruandische Botschaft in Genf zu senden. «Die allgemeine Begründung war immer die Nichteinhaltung festgelegter Vorschriften, fehlende Registrierung, Verletzung von Bauvorschriften, nicht gewährleistete Sicherheit oder hygienische und sanitäre Gründe», fasst Linus Pfister von der AGR und Leiter von «HMK Schweiz» zusammen.

«Aufhorchen lässt, dass es auch um die finanzielle Ausbeutung der Gläubigen geht. Im afrikanischen Kontext gibt es manchmal Auswüchse, wo sich Leiter in eine heikle Richtung entwickeln. Aber man kann nicht davon ausgehen, dass auf so viele der 14’000 Gotteshäuser eines dieser Kriterien zutrifft. In diesem Ausmass kann das nicht sein.» Auch Russland, China und Algerien haben praktisch alle protestantischen Häuser mit Gummiparagraphen geschlossen.

Ruanda war zum positiven Turbo geworden

Eigentlich hat Ruanda eine moderne Verfassung, die Religionsfreiheit beinhaltet. Linus Pfister: «Zudem gibt es keine völkerrechtliche Grundlage für ein solches Vorgehen.» Als sich deshalb die Berichte über Kirchenschliessungen häuften, wurden auch Parlamentarier aus dem Umfeld der AGR darauf aufmerksam, was nun zum Brief an die Botschaft führte. «Wir baten um eine Stellungnahme und wiesen darauf hin, dass bei Verstössen gegen lokale Gesetze zunächst das gelindere Mittel angewendet und nicht gleich geschlossen werden sollte.»

Sollte es bei den Schliessungen bleiben, müsse das Auswärtige Amt den gesamten Menschenrechtskatalog zur Sprache bringen und nachfragen, was der tiefere Grund für die Schliessungen sei. «Ruanda hat sich in Ostafrika zu einem Turbo für Wirtschaft und Entwicklung entwickelt», sagt Linus Pfister. «Es wäre schädlich für ausländische Investoren, wenn ein Land seine eigene Verfassung nicht mehr respektieren würde. Das wäre der Beginn einer Bewegung, die Misswirtschaft Tür und Tor öffnet. Es zeigt sich: Wer die Menschenrechte missachtet, ist auch korrupter. Es wäre schade, wenn Ruanda totalitär würde, das hat noch keinem Land gut getan.»

Neue Vorschriften

Ein langjähriger Ruanda-Kenner, der aufgrund der Lage nicht namentlich genannt werden kann, berichtet, dass laut den neuen Vorschriften jede Kirche eine Schalldämmung, einen Blitzableiter, zwei Feuerlöscher und wegen der Brandgefahr einen Dachstuhl aus Metall statt aus Holz haben muss. Um Rettungsfahrzeugen die Zufahrt zu ermöglichen, muss jede Kirche mit dem Auto erreichbar sein, weshalb befestigte Parkplätze unerlässlich sind. Vielerorts führt noch immer nur ein Fussweg zum Versammlungsort.

Qualifikation der Pastoren

Eine weitere Vorschrift verlangt einen halben Hektar Freifläche rund um die Kirche für Parkplätze und sanitäre Anlagen. Das ist in den dicht besiedelten Städten kaum mehr realisierbar.

Eine massive Einschränkung betrifft die Pastoren. Alle müssen jetzt per Gesetz einen Universitätsabschluss haben. Ein Bibelschulabschluss genügt nicht mehr. So sind viele Pastoren plötzlich arbeitslos und mit der Schliessung ihrer Kirche auch die Mitarbeiter.

Not der Christen

Nach dem Völkermord fanden die Menschen in der Kirche Trost, Zuversicht und Mut, um mit Gottes Hilfe die traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten und die Nöte des Alltags zu bewältigen.

Jetzt, 30 Jahre später, ist die Kirche plötzlich geschlossen. Die Kinder können nicht mehr zur Sonntagsschule gehen, Gottesdienste finden nicht mehr statt, Hochzeiten müssen anderweitig organisiert werden. Leider sind auch Treffen bei Gläubigen zu Hause verboten. In den Schulen hingegen herrscht bis heute Religionsfreiheit, wofür die Schulleiter sehr dankbar sind.

Zum Thema:
Jede 5. Kirche in Deutschland: 10'000 Kirchen sollen «profaniert» werden
«Systematische Kampagne»: Behörden schliessen Kirchen in Algerien
Religionsfreiheit stark eingeschränkt: Kirgistan: Viele Kirchen könnten geschlossen werden

Datum: 10.02.2025
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

Werbung
Livenet Service
Werbung