Eine «neue Ära»

Libanon wählt christlichen Präsidenten

Joseph Aoun
Der maronitisch-christliche General Joseph Aoun ist ein starkes Symbol der Hoffnung und des Neuanfangs in einem von tiefen Krisen geschüttelten Land. Er spricht von einer «neuen Ära».

«Heute beginnt eine neue Ära in der Geschichte des Libanon», sagte Joseph Aoun (61) nach seiner Vereidigung im Parlament unter dem Applaus der Abgeordneten. Er versprach rasche Konsultationen zur Ernennung eines Premierministers, um die politische Blockade des Landes zu beenden.

Zudem versicherte er, das staatliche Waffenmonopol durchzusetzen und das Waffenstillstandsabkommen mit Israel nach dem blutigen Konflikt mit der pro-iranischen Hisbollah bis Ende November einzuhalten. Der israelische Aussenminister Gideon Saar äusserte die Hoffnung auf «gute nachbarschaftliche Beziehungen».

Breiter Konsens

Auch der Iran begrüsste die Wahl als einen «Erfolg für den gesamten Libanon», der auf einem Konsens zwischen den meisten libanesischen Parteien beruhe.

Zahlreiche weitere Staaten, darunter die USA, Frankreich, Saudi-Arabien, Katar und Spanien, gratulierten dem neuen Präsidenten. Der scheidende US-Präsident Joe Biden bezeichnete Aoun als «den richtigen Präsidenten für diese Zeit». Der französische Präsident Emmanuel Macron vereinbarte in einem Telefonat mit Aoun, «bald in den Libanon zu reisen», wie der Élysée-Palast mitteilte.

Der UN-Sicherheitsrat bekräftigte seine Unterstützung für die territoriale Integrität, Souveränität und politische Unabhängigkeit des Libanon.

Ein maronitischer Christ an der Spitze des Staates

Joseph Aoun erhielt im zweiten Wahlgang 99 von 128 Stimmen im Parlament, nachdem er im ersten Wahlgang nur 71 Stimmen erhalten hatte. Die 30 Abgeordneten der Hisbollah und ihrer Verbündeten, der schiitischen Amal-Bewegung, hatten sich zunächst der Stimme enthalten. Nach Verhandlungen mit Vertretern dieser Gruppen sicherte sich Aoun die notwendige Mehrheit.

Die Kandidatur des Generals, der als integer und unparteiisch gilt, wurde von den USA und Saudi-Arabien unterstützt, wie libanesische Politiker erklärten.

Nachfolger nach über zwei Jahren

Die Hisbollah, ein zentraler Akteur in der libanesischen Politik, war durch den zweimonatigen Krieg mit Israel – der auch zum Tod ihres Führers Hassan Nasrallah führte – und den Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, ihres wichtigsten Verbündeten, Anfang Dezember geschwächt.

Gemäss der konfessionellen Machtteilung im Libanon muss der Präsident ein maronitischer Christ sein. Die Kompetenzen des Präsidenten wurden jedoch durch das Abkommen von Taif, das den Bürgerkrieg (1975 bis 1990) beendete, zugunsten des Ministerrats unter Führung des sunnitischen Premierministers stark eingeschränkt.

Seit dem Ende der Amtszeit des vorherigen Präsidenten Michel Aoun (der nicht mit Joseph Aoun verwandt ist) im Oktober 2022 war das Parlament nicht in der Lage gewesen, einen Nachfolger zu bestimmen.

Hisbollah soll entwaffnet werden

Experten zufolge war die Rolle der libanesischen Armee bei der Umsetzung des Waffenstillstands zwischen Israel und der Hisbollah, der am 27. November in Kraft trat, ausschlaggebend für die Wahl Joseph Aouns.

Das unter der Schirmherrschaft der USA, Frankreichs und der UNO ausgehandelte Abkommen sieht vor, dass die libanesische Armee schrittweise die Kontrolle über die Grenzgebiete übernimmt, während sich die israelische Armee aus den während des Konflikts besetzten Gebieten zurückzieht. Die Hisbollah soll ihre Truppen zurückziehen und alle militärischen Einrichtungen in der Region abbauen.

General Aoun steht nun vor der Aufgabe, eine neue Regierung zu bilden, deren Prioritäten Reformen, die Wiederherstellung des Vertrauens der internationalen Gemeinschaft und die Wiederbelebung der libanesischen Wirtschaft sein werden.

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Datum: 17.01.2025
Autor: InfoChrétienne / Daniel Gerber
Quelle: InfoChrétienne / Übersetzung: Livenet

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