Geschichte der Flüchtlings-Gedenkstätte wurde verfilmt
Johannes Czwalina war früher Pfarrer und ist heute Unternehmensberater mit beeindruckendem Kundenkreis sowie Friedensforscher. 2011 erwarb er von der Deutschen Bundesbahn ein Bahnwärterhaus, um es als Gästehaus für auswärtige Besucher und Kunden zu nutzen. Das Haus liegt in Riehen an der Eisenbahnlinie, die von Basel nach Lörrach und weiter führt. Der Firmensitz von Czwalina befindet sich schräg gegenüber.
«Das sind ja nur Juden»
Nichtsahnend will der Unternehmer das kleine Gebäude umbauen und einrichten. Da kommen drei alte Männer zu ihm und erzählen, was es mit dem Haus auf sich hat. Die drei lebten während des Zweiten Weltkriegs mit ihren Eltern darin und beobachteten, wie damals Menschen in einem Schweizer Mannschaftswagen über die Grenze nach Deutschland gefahren wurden. Sie hatten damals als Kinder noch keine rechte Vorstellung von dem, was da vor sich ging, dass nämlich jüdische Flüchtlinge, die sich in die Schweiz hatten retten können, zurück nach Deutschland, d.h. zumeist in den Tod geschickt wurden. Als sie ihre Mutter fragten, was das für Menschen seien, sagte sie: «Das sind ja nur Juden, das sind keine echten Flüchtlinge.» Erst später wurde ihnen bewusst, was sie da mit angesehen hatten und sie berichten nun davon.
Gedenkstätte entsteht
Johannes Czwalina hat ein starkes soziales Gewissen; bevor er Unternehmensberater wurde, amtierte er als Pfarrer in Basel. Nachdem er die drei Männer angehört hat, beschliesst er kurzerhand, die Idee des Gästehauses zu modifizieren und in dem Bahnwärterhaus eine Gedenkstätte einzurichten. Mit grossem persönlichem finanziellem und zeitlichem Einsatz und entgegen manchen Widerständen entsteht die Gedenkstätte für jüdische Flüchtlinge, die bisher einzige auf Schweizer Boden.
2015 eröffnet, wurde sie seither von Tausenden von Menschen besucht, nicht zuletzt auch vielen Schulklassen. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Hintergrundinformationen zur Flüchtlingspolitik der Schweiz, Berichte von Zeitzeugen und die Darstellung der besonderen Situation Riehens als Ort an der Grenze. Kunstwerke, eine Bibliothek und ein Leseraum laden zur Vertiefung ein. Auch organisiert die Gedenkstätte Veranstaltungen zum Thema und Momente der Begegnung.
Hochaktuell
Die Geschichte der Gedenkstätte wurde von der Filmemacherin Susanne Scheiner verfilmt und erinnert an die Tragödie von Juden auf Schweizer Boden im Zweiten Weltkrieg. Der Film «Johannes und seine Gedenkstätte» zeigt, wie ein einzelner sensibler Mensch unter grossen, auch finanziellen Opfern etwas fertiggebracht hat, was die offizielle Schweiz bisher noch nicht auf die Beine stellen konnte. Wie wichtig eine Gedenkstätte ist, die das Leid von Juden thematisiert, zeigt sich gerade gegenwärtig, wo sie erneut zu Sündenböcken und Terroropfern werden.
«Johannes und seine Gedenkstätte» wird in Bern am Donnerstag, 9.11.2023 um 18.00 im CineMovie 2 aufgeführt. Anschliessend gibt es ein Gespräch mit der Regisseurin Susanne Scheiner und Johannes Czwalina unter der Moderation von Georg Häsler, Journalist NZZ.
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Datum: 07.11.2023
Autor:
Reinhold Scharnowski
Quelle:
Livenet / Johannes Czwalina