Ernst Diggelmann weiss, wie man Weihnachten feiert, schliesslich lebte er 21 Jahre auf den Philippinen. Der Pastor und Entwicklungshelfer hat somit in den letzten 21 Jahren volle 7 Jahre Weihnachten gefeiert; ein richtiger Weihnachtsprofi. "Mathematisch ist das korrekt. Wir mussten uns umstellen. Hier in der Schweiz stellt man den Weihnachtsbaum traditionell vor Heiligabend auf. Wenn man dagegen auf den Philippinen Anfang Dezember noch keinen Weihnachtsbaum hat, schauen einen die Menschen komisch an." In den Geschäften und im Radio dudelt bereits ab September Weihnachtsmusik. Darum die Frage an Ernst Diggelmann, ob da nicht einfach die philippinische Wirtschaft kräftig zulangt. "Dank diesem Weihnachtsgeschäft wird einiges verdient, und man ist sehr froh darum." Die negative Seite des ganzen Rummels: "Manchmal reicht der Strom nicht für die ganze Beleuchtung. Wenigstens hat man dann noch die Kerzen." Angenommen, hier in Europa ginge man im September auf die Strasse; alles ist weihnachtlich dekoriert. Das gleiche Bild im Oktober, November und Dezember und im Jahr darauf wieder ab September. Nach wenigen Jahren würde man es nicht mehr wahrnehmen. Auf den Philippinen ist das anders: "Die Filipinos leben sehr Gegenwartsbezogen. Wir planen als Schweizer die Zukunft. Das kennen sie weniger, sie leben im Moment. Wenn in diesem Jahr Weihnachten kommt, erleben sie das jetzt, sie erleben es immer wieder neu."Weihnachtsmusik im September
Und die Adventskränze? Diese müssen so gross sein, wie die Kränze, welche die Schwinger in der Schweiz gewinnen. Schliesslich wollen 16 bis 20 Kerzen aufgereiht sein. "Advent ist dort nicht bekannt. Gleich wie in Amerika. Weihnachten wurde während der spanischen Kolonialzeit eingeführt, ist aber in den letzten hundert Jahren durch Amerika beeinflusst worden. Auf den Philippinen zählt man einfach Tage, und etwa ab November läuft der Countdown über die vielen Radiosender."Mit Weihnachten Leid vergessen
Und was sind das für Menschen, die so lange Weihnachten feiern? "Es sind Menschen, die gerne leben - es sind aber auch Menschen, die gewohnt sind, zu leiden. Sie waren eine Kolonie der Spanier. Kaum war der Glaube an die Freiheit da, wurden sie zur amerikanischen Kolonie und später während dreieinhalb Jahren durch die Japaner sehr stark unterdrückt." Es gilt Diktaturen, Taifune und Überschwemmungen zu überleben. "Auf den Philippinen sterben jährlich einige hundert Menschen in Naturkatastrophen." Ernst Diggelmann beobachtete, dass die Filipinos das Leiden besser verarbeiten können als wir Schweizer. "Es hängt damit zusammen, dass sie auch wieder feiern und Distanz gewinnen können." Ein Drittel lebe unter der Armutsgrenze. "Fleisch ist für viele ein Fremdwort. Das gibt es nur ausnahmsweise. Aber an Weihnachten gibt es in erster Linie Fleisch und Reisspezialitäten."
Weihnachten in der Schweiz würde für die Filipinos einen massiven Kulturschock bedeuten: "Auf den Philippinen haben die Geschäfte und Kinos bis Mitternacht geöffnet. Bei uns hingegen ist alles ruhig. Ein Filipino würde erschrocken sagen: So feiert man doch nicht Weihnachten!"
Datum: 21.12.2002
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Jesus.ch