Ab wann hat der christliche Glaube in Ihrem Leben eine Rolle gespielt?
Andreas
Kronenberg: Ich bin in einem katholisch geprägten Elternhaus
aufgewachsen. Aber ich hatte keine innige Beziehung zum Glauben. Das kam
erst mit Anfang 20, als ich als Fussball-Profi kurzfristig arbeitslos
wurde. Diese Krise hat mich ins Nachdenken gebracht und ich bin zum
Glauben gekommen.
Was war ausschlaggebend?
Wenn
du im Leistungssport arbeitslos wirst, stellst du dir schon ein paar
existenzielle Fragen. Natürlich gab es auch wichtige Menschen, mit denen
ich über das Thema geredet habe. Entscheidend war für mich aber die
Antwort auf die Frage: Was bleibt, wenn nichts mehr bleibt?
Welche Antwort haben Sie gefunden?
Jesus
hat die Antwort gegeben. Bei seinem Tod am Kreuz blieb ihm nichts mehr.
Die Auferstehung drei Tage später lässt die christliche Hoffnung erst
richtig lebendig werden. Allerdings ist das für viele Menschen eine
Torheit, da eine Auferstehung wissenschaftlich unmöglich ist. Als
Christen leben wir in diesem Zwiespalt und stossen damit auch auf
Unverständnis. Letztlich ist es ausschliesslich Gott, der jedem von uns
persönlich begegnet und diesen unglaublichen Glauben in uns wecken kann.
Die
damalige Zeit war für mich von Unsicherheiten geprägt und bis heute
werden vermeintliche Sicherheiten über Bord geworfen. Damals war für
mich alles vorbei. Das hat mich neugierig gemacht und ich habe mich mit
den Inhalten der Bibel beschäftigt. Es gab kein bestimmtes Ereignis,
sondern es war ein Prozess. Bei Rot-Weiss Erfurt habe ich vor allem
meinen Trainer René Müller als grossen Segen empfunden, mit dem ich über
diese Fragen reden konnte.
Welche Rolle spielt der Glaube im Alltag und auf dem Sportplatz am Sonntag?
Beim
Sport ist es manchmal besser, wenn die Leute nicht wissen, dass ich
gläubig bin. Ich möchte das Spiel gewinnen. Da sind manche
Verhaltensweisen nicht so optimal (schmunzelt). Ich glaube, am Ende
musst du du selbst bleiben. Bevor Paulus erblindet ist, war er sehr
kämpferisch – und das war er auch danach als Prediger. Ich bin sonntags
kein anderer Mensch als werktags. Trotzdem prägt der Glaube natürlich
den Alltag, erdet dich und gibt dir einen gewissen Halt.
Können Sie sonntags in den Gottesdienst gehen?
Weil
wir sonntags trainieren, kann ich die Gottesdienste oft nicht besuchen.
Durch Corona gibt es in unserer Gemeinde auch Online-Gottesdienste. Die
schaue ich mir gerne an.
Sie
haben drei Spiele in der U21-Nationalmannschaft der Schweiz gemacht.
Warum hat es für die «grosse» Nationalmannschaft nicht gereicht?
Es
gab einfach Grenzen. Ich habe in der Schweiz gespielt und bin als
relativ junger Torhüter in die Dritte Liga nach Deutschland gewechselt.
Nach meinem Wechsel in die Zweite Liga hatte ich kaum noch Spielanteile
und Einsätze. Deswegen hat es auch für die Nationalmannschaft nicht
gereicht.
Waren Sie neidisch auf die Profis, die den Durchbruch geschafft haben?
Definitiv
nicht. Klar wollte ich als Profisportler das Maximum erreichen und
gerne Nationalspieler werden. Aber es gab Grenzen. Neid war für mich nie
ein Thema. Ganz im Gegenteil: Als ich nach dem dritten Kreuzbandriss
aufhören musste, war das auch eine Erlösung. Ich wusste: Neben dem
Fussball gibt es noch andere wichtige Sachen. Deswegen habe ich mich nie
über meine Karriere definiert.
Als
Jugendtrainer haben Sie viele Jugendliche begleitet, die ihren
Durchbruch verpasst haben. Wie gehen Sie mit deren nicht erfüllten
Hoffnungen um?
Im
Nachwuchs-Leistungszentrum hoffen ganz viele auf eine Karriere als
Profi-Fussballer. In der Realität schaffen aber vielleicht drei Prozent
den Durchbruch. Als Trainer ist es nicht meine Aufgabe, sie von diesem
Traum abzubringen. Trotzdem mache ich ihnen klar, dass es keine
Niederlage ist, wenn der Durchbruch misslingt. Für sie ist die
Enttäuschung riesig. Ich mache ihnen Mut, die Köpfe nicht hängen zu
lassen. Oft werden aber auch im Umfeld der Jungs hohe Erwartungen
geschürt. Deswegen ist die Begleitung in den Leistungszentren so eminent
wichtig.
Als
Torhüter wissen Sie, dass deren Fehler am ehesten über Sieg und
Niederlage entscheiden. Wie wichtig ist die mentale Arbeit mit Ihren
Schützlingen?
Sehr
wichtig. Als Torwart bist du in einer exponierten Position. Du kannst
dich nie verstecken. Wenn du einen Fehler machst, führt das häufig zu
einem Gegentor und den entsprechenden Schlagzeilen. Wir versuchen in den
Gesprächen die Extreme auf ein Normalmass zu bringen: sowohl bei
positivem als auch bei negativem Medienecho. Da ist eine gesunde Balance
sehr wichtig. Ein offenes Ohr hilft den Torhütern dabei enorm.
Sie sind also auch fernab des Trainingsplatzes ein wichtiger Gesprächspartner?
Ob
ich ein wichtiger Gesprächspartner bin, weiss ich nicht. Manchmal ergibt
sich das einfach. Egal ob auf oder fernab des Trainingsplatzes. Auf dem
Platz merkst du, wann eine sportliche Pause sinnvoll ist, um bestimmte
Dinge zu besprechen. Oder im Trainerbüro, wenn wir Spiele gemeinsam
analysieren. Letztlich geht es um Kommunikation und ein Gefühl für die
Situation der Torhüter. Sie sollen wissen, dass die Tür bei Bedarf offen
steht.
Sie
haben in Freiburg viele erfolgreiche Torhüter wie Roman Bürki, Oliver
Baumann, Alexander Schwolow und Mark Flekken entwickelt. Macht Sie das
stolz?
Das
Wort finde ich unpassend. Ich bin froh, dass es in Freiburg die ganzen
Jahre so gut gelaufen ist und wir keine Torwartprobleme hatten. In einem
grossen Verein ist der Torwarttrainer nur ein kleiner Bestandteil in den
Entwicklungsprozessen. An erster Stelle stehen aber die Torhüter und
die haben es aufgrund ihrer Qualität geschafft.
Welche Rolle spielt sportlicher Erfolg für Ihr Leben?
Das
kommt auf die Definition an. Mit Freiburg haben wir jedes Jahr
versucht, den Klassenerhalt zu erreichen und den Verein
weiterzuentwickeln. Dass ich die sportliche Entwicklung des Vereins so
lange begleiten durfte, macht mich zufrieden in meinem Beruf. Bei vielen
Vereinen müssen kurzfristige Erfolge her. Es ist gut, wenn die
Vereinsführung Dinge realistisch einschätzen und die Arbeit des
Trainerteams bewerten kann. Das ist hier der Fall.
Was macht aus Ihrer Sicht ein sportliches Vorbild aus?
Im
Leistungssport sind Beharrlichkeit und Wille wichtig. Ich muss an einem
Ziel dranbleiben, immer wieder aufstehen und sämtlichen Widerständen
trotzen. So wichtig Talent ist, letztlich ist es nur eine
Grundvoraussetzung, um darauf etwas aufzubauen.
Gibt es aus Ihrer Sicht christliche Werte, die für den Fussball wichtig sind?
Ich
habe immer Probleme mit dieser Verknüpfung. Ich glaube, die sind nicht
mehr oder weniger wichtig als anderswo. Natürlich schauen jüngere
Menschen auf Sportler im Rampenlicht. Aber das sind auch nur Menschen.
Das sollte man akzeptieren und nicht immer alles so überhöhen. Das wäre
gut für alle.
Wer ist für Sie der wichtigste Ansprechpartner nach Misserfolgen?
Der
Rückzug in die Stille und das Gebet. Wenn ich als Spitzensportler meine
Leistung nicht mehr bringen kann, weil ich verletzt bin oder weil mein
Zenit überschritten ist, wird es schwierig. Wir haben einen Gott, der
selbst Mensch wurde und somit unsere Gefühlswelt nach Misserfolgen
bestens kennt. Da erscheint es mir logisch, ihn als Ansprechpartner zu
wählen.
Was bewundern Sie an Jesus?
Dass
er die Gemeinschaft mit dem Vater aufgegeben hat, um Mensch zu werden.
Er hat gefühlt, gelitten und sich gefreut wie wir Menschen, um am Ende
für uns zu sterben. Es gibt nichts, was du mehr tun kannst, als für
jemanden zu sterben. Ich ducke mich oft schon weg, wenn es darum geht,
meinen Glauben zu bekennen. Als die Römer Jesus abgeholt haben, wusste
er, was ihn erwartet. Er hat sich nicht weggeduckt.
Haben Sie eine Lieblingsgeschichte in der Bibel?
Petrus
beteuert Jesus, selbst bis in den Tod zu ihm zu halten. Dann erlebt er
sich als Versager. Der «Felsenmann» lernt seine Grenzen kennen. Er
erfährt, dass die eigene Absicht, obwohl sie gut gemeint und bis ins
Letzte fromm ist, gänzlich auseinanderfallen kann. Mir führt diese
Bibelstelle vor Augen, wie bedingungslos uns Jesus Christus liebt.
Unsere menschlichen Schwächen sind für ihn kein Hinderungsgrund, uns in
seine Nachfolge zu rufen.
Ist der Job beim DFB die Krönung Ihrer Karriere?
Mir
ging es nie um sportliche Spitzenpositionen. Ich wollte auch nicht
unbedingt in den Profibereich. In Freiburg sind wir ein
Ausbildungsverein. Dementsprechend sieht dort der Alltag mit allen
Beteiligten aus. Es freut mich, dass die DFB-Verantwortlichen mich
angefragt haben. Ich freue mich riesig auf die Aufgabe und die Menschen,
mit denen ich viel bewegen kann. Das spornt mich mehr an als ein
nächster Schritt auf einer vermeintlichen Karriereleiter.
Andreas Kronenberg, geboren 1974 in Basel, ist Torwarttrainer beim
Deutschen Fussball-Bund und Nachfolger von Andreas Köpke. Als solcher
bereitet er die Torhüter unter anderem auf die Weltmeisterschaft in
Katar in diesem Jahr vor. Vergangene Saison hatte er das Amt sowohl beim
DFB als auch beim SC Freiburg, bei dem er seit 2011 tätig war, inne.
Kronenberg war früher selbst Profi-Fussballer.
Dieser Artikel erschien zuerst bei PRO Medienmagazin.
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Datum: 27.06.2022
Autor: Johannes Blöcher-Weil
Quelle: PRO Medienmagazin