Unrecht ertragen und Einsatz für Unterdrückte
Druck erzeugt Gegendruck. Verpasst uns jemand einen Tritt, neigen wir zum Zurücktreten. Und wenn es eine Organisation auf die eigene Kirche abgesehen hat, ist die Verlockung gross, ihre Fehler zu suchen und diese bekanntzumachen. Doch die Bibel lehrt uns einen anderen Weg. Aber: Müssen wir uns immer ducken und uns alles gefallen lassen? Und: Lohnt es sich denn nicht, für Gerechtigkeit einzustehen?
Muss Ungerechtigkeit einfach hingenommen werden?
«Vergeltet nicht Böses mit Bösem», schreibt Petrus in seinem ersten Brief, mit welchem er Leser auf künftiges Leiden vorbereitet. Tatsächlich bricht Monate später die grosse Christenverfolgung unter Nero an – eine schwere Zeit für die Nachfolger von Jesus.
Petrus ruft auf, die Gesinnung von Jesus anzunehmen, welcher Unrecht geduldig erduldete, bis er auf brutalste Weise hingerichtet wurde. Jesus selbst lebt Gewaltlosigkeit und fordert, die linke Backe hinzuhalten, wenn jemand auf die rechte schlägt.
Andererseits trug Gott immer wieder Menschen auf, gesellschaftliches Unrecht beim Namen zu nennen und das Volk zu einem Sinneswandel aufzurufen. In biblischen Zeiten und auch in späteren Jahrhunderten setzten sich viele Gläubige gegen Unrecht zur Wehr und brachten teilweise beachtliche Veränderungen hervor. Neben der Abschaffung von Sklaverei und Rassentrennung denken wir an Errungenschaften wie das Etablieren von allgemein zugänglichen Krankenhäusern und Schulen. Christen haben sich immer gegen Missstände und Ungerechtigkeiten zur Wehr gesetzt.
Liebe oder Egoismus?
Der biblische Aufruf, Unrecht zu ertragen, steht zahlreichen Beispielen von Aktivismus gegen Ungerechtigkeit gegenüber. Der Unterschied liegt im Beweggrund. Es geht darum, sich von der Liebe für leidende Menschen zum Handeln bewegen zu lassen und nicht durch den Wunsch persönlicher Freiheit, Bequemlichkeit oder Privilegien.
Fürs eigene Recht zu kämpfen entspricht nicht der Gesinnung von Jesus, umso mehr aber der selbstlose Einsatz für unterdrückte Menschen. Wer aufgrund ungerechter persönlicher Behandlung oder Einschränkungen aktiv wird, wird durch Egoismus angetrieben, während die Reaktion auf das Leid von Mitmenschen von der Liebe motiviert ist.
Ein reines Herz ist das höchste Gut
Letztlich ist die ungetrübte Gemeinschaft mit Gott das höchste Gut. Jesus nachzufolgen besteht darin, in seiner Gesinnung zu leben und seine Werke zu tun. Dabei gibt es nichts, was den Charakter von Jesus mehr auszeichnet, als selbstlos gelebte Liebe. Verbunden mit Jesus können auch seine Nachfolger anderen Menschen mit derselben Liebe begegnen. Ein egoistischer Lebensstil führt genauso zu einer betrübten Gottesbeziehung wie eine rachsüchtige Grundeinstellung. Diese lässt unsere Liebe für Jesus schnell erkalten, was wahrscheinlich der Grund ist, weshalb wir wiederholt aufgefordert werden, nicht fürs eigene Recht zu kämpfen.
Wer sich nicht gegen persönlich erfahrenes Unrecht zur Wehr setzt, drückt damit aus, nach Höherem zu streben als Bequemlichkeit, Privilegien oder Ansehen. Jesusnachfolger leben nicht für sich selbst, sondern für Gott und ihre Mitmenschen, und sie wissen, dass Gott selbst sich um ihr Recht kümmern wird.
Egal wie düster ihre eigene Situation ist, sind Christen aufgerufen, sich der Not dieser Welt zuzuwenden. Hierzu müssen wir einen Umgang mit dem Leiden lernen. Wir müssen dem Leid im eigenen Leben Raum geben und lernen, den innersten Schmerz ehrlich vor Gott auszubreiten. So können wir es schaffen, uns nicht davon vereinnahmen zu lassen. Gerade unter Diskriminierung oder Verfolgung ist dies eine grosse Herausforderung. Interessanterweise sind uns aber oftmals gerade verfolgte Christen die grössten Vorbilder. Letztlich gilt, in allen Lebenssituationen ein reines Herz zu halten. Es gibt kein höheres Gut.
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Datum: 21.08.2022
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet