Der geschickte Atom-Poker des Iran

Altes persisches Schwert. Auch heute übt sich der Iran im Säbelrasseln.
Landschaftsidyll im Iran. Weniger romantisch gibt sich der Iran im Atompoker.
Ali Laridschani

Der Iran zeigt, wie ein perfektes Spiel auf Zeit funktioniert. Seit Jahren werkelt man im persischen Reich an einem Atomprogramm. Der Westen sieht darin eine Gefahr und will es verbieten. Aber er lässt sich seit Jahren an der Nase herumführen.

Laut «Reuters» und dem «Tages-Anzeiger» will der Iran sein Atomprogramm «zügig» und «binnen vier Wochen» offenlegen, hiess es im Sommer 2007. Dies habe die iranische Regierung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zugesagt. IAEA-Chef Mohammed el-Baradei habe den obersten Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, in Teheran getroffen sowie Präsident Mahmoud Ahmedinedschad.

Die beiden hätten Auskünfte gegeben über die Urananreicherung in modernen Zentrifugen. Im August 2007 sagte der Iran zu, die offenen Fragen zu seinem Atomprogramm bis Ende 2007 zu klären.

Regierungen aus dem Westen verdächtigen den Iran, er strebe nach Atomwaffen. In Teheran dagegen spricht man von «friedlicher Energienutzung» und dass man sich sich dem Druck von Grossmächten nicht beugen werde.

Die Grundlage

Deren Verdächtigungen jedoch sind nicht ohne Grundlage. Nicht zuletzt, weil Ahmedinedschad regelmässig davon spricht, dass der Staat Israel nicht mehr lang existieren werde. Die «Welt am Sonntag» etwa zitierte bereits im Dezember 2001 den damaligen iranischen Präsidenten Rafsandschani: «Die Anwendung einer einzigen Atombombe würde Israel völlig zerstören, während sie der islamischen Welt nur begrenzte Schäden zufügen würde.» Und falls der Iran über Atomwaffen verfüge, so Rafsandschani in der WamS, so würden diese im Hinblick auf Israel «nicht nur zur Abschreckung dienen».

Im Jahr 1979 rief der iranische Revolutionsführer Ayatollah Khomeini zusammen mit anderen iranischen Klerikern erstmals zum Al-Quds-Tag auf. Weltweit wird seither an diesem Tag von Moslems für die sogenannte «Befreiung» von Jerusalem - Al-Quds ist der arabische Name von Jerusalem – und den Kampf gegen Israel demonstriert.

Iranische Drohung

Doch zurück zum «Atom-Zeitspiel». Weil letztlich kaum gewährleistet ist, dass der Iran sein Atomprogramm nur friedlich nutzt, stellte sich der Westen gegen eine Atommacht Iran. Teheran versprach Verhandlungen, doch im September 2005 sagte Wladimir Orlow, Direktor des russischen Instituts für Strategische Studien: «Wir müssen die Tatsache akzeptieren, dass der Iran eindeutig auf die Entwicklung seines eigenen umfassenden Nuklearprogramms gesetzt hat.»

Zwar sei dies vorerst friedlich, aber: «Der Iran wird nur einen Schritt von der Schaffung eigener Nuklearwaffen entfernt sein. Mit dieser Realität werden wir uns abfinden müssen.» Einen Monat später gab sich Ahmedinedschad überzeugt, dass «eines Tages die Mitte der islamischen Welt von dem Schandfleck Israel gesäubert sein wird.»

Mal verhandeln ...

In der Folge verlangten die USA Handelssanktionen gegen den Iran, sollte die UNO es nicht schaffen, dessen Atomwaffenprogramm zu stoppen. Teheran jedoch blieb unnachgiebig. Ahmedinedschad verstieg sich sogar in die Forderung: «Die islamischen Staaten sollten ihr wirtschaftliches Potenzial nutzen, um den Feinden die Hände abzuhacken.»

Dann, Ende Januar 2007, gab sich der Iran kompromissbereit. Die Regierung würde den Vorschlag Moskaus positiv bewerten, das eigene Uran in Russland anreichern zu lassen. Er müsse aber noch in weiteren Verhandlungen «verbessert» werden. Sollte allerdings vorher der UN-Sicherheitsrat angerufen werden, werde der Iran sofort mit der eigenen industriellen Anreicherung beginnen.

... mal «unwiderruflich»

Zwei Wochen später lief im persischen Reich die Vorbereitung zur Uran-Anreicherung an, Gespräche mit Russland wurden abgesagt. Im März 2006 hiess es aus Teheran, man wolle mit der EU verhandeln. Mitte April rasselte Ahmedinedschad wieder mit dem Säbel: «Das zionistische Regime geht seiner Vernichtung entgegen.»

Und der iranische Atomphysiker Hassan Ghafuri-Fard protzte: «Innerhalb zweier Jahre haben wir zwischen 54'000 und 60'000 Zentrifugen.» In kurzer Zeit, so Ghafuri-Fard, werde man die Zahl von bisher 164 Zentrifugen auf 3000 steigern können. Mit diesen Zentrifugen kann der Iran dieses Schwermetall anreichern.

Während Ende April der UNO-Sicherheitsrat den Stopp der Uran-Anreicherung forderte, bezeichnete Teheran sein Programm als «unwiderruflich».

Für Sanktionen nur Spott übrig

Mitte 2006 brachte die EU eine weitere Initiative ins Spiel ein. Doch auch sie brachte keine Entspannung. Und der UNO-Sicherheitsrat setzte eine Frist bis zum 29. Juni. Bis dannmüsse der Iran auf neue Vorschläge antworten. Ahmedinedschad verkündete, man werde erst am 22. August auf das Angebot der internationalen Gemeinschaft im Atomstreit reagieren.

Unter Androhung von Sanktionen wurde der Iran von der UNO zu einer früheren Antwort gedrängt. Im Juli rief der iranische Chefunterhändler Ali Laridschani den Westen zu Geduld auf und sprach von «einem langen Prozess». In den folgenden Monaten liess sein Land verschiedene Ultimaten verstreichen. Weitere Resolutionen wurden in der UNO diskutiert, und das iranische Atomprogramm schritt voran, immer wieder mit der vagen Aussicht auf Verhandlungen. Durchgehend hiess es jedoch, man werde auf der Fortsetzung des Programms beharren.

Im März 2007 schliesslich folgte sogar die Ankündigung, man werde das Nuklearprogramm noch ausweiten. Laut Chefunterhändler Laridschani würden «bald» weitere Zentrifugen in Betrieb genommen. Ausserdem werde der Iran ohne fremde Hilfe einen neuen Atomreaktor bauen. Der Spiegel berichtete zudem, dass der Iran über mögliche UNO-Sanktionen spotte. Einen Monat später schwor Ahmedinedschad, der Iran werde «bis zum Ende widerstehen».

Mal so, mal so

Im Juni gab sich die Mullahkratie wieder gesprächsbereit. El Baradei meinte, der iranische Chefunterhändler Ali Laridschani habe Kompromissbereitschaft bei der Klärung «aller noch ausstehenden Fragen» zugesagt, ohne weitere Details zu nennen. Offen blieb, ob die Zusammenarbeit auch den von den Vereinten Nationen geforderten Stopp der iranischen Urananreicherung umfasst.

Zudem warnte der Iran vor Sanktionen. Nur um sich im nächsten Augenblick wieder handzahm zu geben. Im Juli hiess es aus dem Iran, man hoffe, dass man den Streit binnen zweier Monate beilegen könne. Falls erforderlich, könne man die vereinbarte Frist jedoch verlängern. Im August stellte Ahmedinedschad einmal mehr das Existenzrecht Israels in Frage.

«Vielleicht letzte Chance»

3000 Zentrifugen zur Urananreicherung seien im Betrieb, hiess es aus dem Iran im September 2007. El-Baradei sprach von einer «vielleicht letzten Chance» für den Iran und dass er auf eine friedliche Lösung hoffe. «Bis November, spätestens Dezember müssten wir sehen können, ob Teheran seine gegebenen Versprechen einhält.» Die Regierung in Teheran versprach, bis Jahresende eine Reihe offener Fragen zu Art und Umfang ihres Atomprogramms zu beantworten.

Im Oktober sprach Ahmedinedschad wieder einmal davon, Israel von der Landkarte zu tilgen und seine Bewohner nach Nordamerika zu versetzen. Zudem schloss der iranische Präsident jegliche Verhandlungen über das «Recht» seines Landes auf Atomkraft aus. «Das iranische Volk ist nicht dazu bereit, am Tisch zu sitzen und über seine absoluten nuklearen Rechte zu diskutieren.»

Im Dezember schrieb die NZZ, der Iran wolle nicht von seinem Atomprogramm abrücken, der jüngste Vermittlungsversuch der EU sei ohne Chance.

Binnen vier Wochen

Nun also das Signal aus Teheran, binnen vier Wochen werde das Atomprogramm offengelegt ... Geändert hat sich seit 2005 unter dem Strich wenig. Ausser dass der Iran sein Programm aufgenommen und ausgebaut hat – und dass der Westen da und dort mal reinschauen durfte; man sprach von Inspektionen.

Datum: 21.01.2008
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch

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