Mann, wer bist du?
Der Mann steckt in einer Sinnkrise. Das Jahrhunderte alte, patriarchische Gewohnheitsrecht wurde in Frage gestellt. Traditionelle Rollen- und Familienbilder lösen sich auf, Frauen wechseln auf die Überholspur. Die Männlichkeit mit ihrem uralten Rollenbild gerät ins Wanken, zurück bleibt ein irgendwie entwurzelter Mann. Nicht nur innerlich wird das Wertesystem auf den Kopf gestellt, auch äusserlich verändert sich die Welt. Seit Jahrzehnten geht der Mann ins Büro. Er baut keine Lokomotiven mehr, spaltet kein Holz und lässt sich sein Essen tiefgekühlt liefern. Er bedient lautlos Computer und verdient an der Börse lautlos sein Geld. Nach einem langen Tag im Bürostuhl steht er auf und muss sich vor Müdigkeit auf die Couch legen, wo das Glück der digitalen Welt auf ihn wartet.
Der Mann steckt in einer Identitätskrise. Auch wenn er es öffentlich – und vor sich selbst – selten zugeben will. Viele Männer denken insgeheim zu klein von sich. Das liegt meistens daran, dass sie nicht wissen, wer sie sind, welche Fähigkeiten sie haben und was sie damit alles tun könnten.
«Ich bin und ich tue» anstatt «Ich bin, was ich tue»
Doch die Krise hat weniger mit der verlorenen Rolle zu tun, als mit dem Verlust unserer wahren Bedeutung und Berufung, die uns einzig durch den Verlust des Paradieses abhanden kam. Die Geschichte von Adam ist auch unsere Geschichte. Was am Anfang geschah, ereignet sich auch heute jeden Tag, wenn wir uns entscheiden, nicht unserer Natur gemäss zu leben, sondern dazu, den eigenen Weg zu gehen – unabhängig von Gott unser Leben zu suchen.
Anstatt nach dem Grundsatz zu leben «Ich bin und ich tue», entscheiden sich viele für das Motto: «Ich bin, was ich tue». Viele Männer definieren sich über ihre Leistung. Sie möchten etwas bewegen, erfolgreich sein, Resultate erzielen, Lösungen finden, Rekorde brechen und Grosses erschaffen. Alles Dinge, die eigentlich gut und göttlich sind. Wäre da nicht unsere ewige Anstrengung, durch diese unseren Wert zu sichern. Zahlreiche Männer suchen ihre Bedeutung im «Tun». Einige leben allerdings auch in einer Art Vermeidungsstrategie und tun etwas absichtlich nicht. Doch egal, ob wir etwas «tun» oder etwas zu vermeiden versuchen, unser Verhalten ist immer an die eine grosse Frage gekoppelt: «Wer bin ich?» Solange diese Frage ungeklärt ist, bleiben wir in einer ungesunden Abhängigkeit von unseren Mitmenschen und werden zu Marionetten unserer Umgebung mit deren Wertesystemen und Rollenverständnissen.
Zeit zum Hinterfragen
Nach meiner Erfahrung als Leiter der christlichen Männerbewegung «Der 4te Musketier» und Erlebnis-Coach tun sich Männer schwer, auf einem bequemen Sofa und mit einer Tasse Tee in der Hand sich mit diesen Fragen auseinander zu setzen. Männer brauchen Erlebnisse! Wir Männer benötigen eine Auszeit vom Alltag, in der wir uns selbst reflektieren und hinterfragen können.
Der Grund, weshalb wir mit Gruppen, Teams und Einzelpersonen in der Wildnis physische und psychische Grenzerfahrungen suchen und uns diesen stellen, liegt in der Natur. Wenn wir tagelang dem anhaltenden Regen trotzen und durchnässt und unterkühlt weite Wegstrecken zurücklegen, wird unser Schutzschild aufgeweicht und unser wahrer Charakter gibt sich zu erkennen. Die Natur deckt unsanft die Lügen auf, an die wir glauben, und sie offenbart unsere Persönlichkeit.
In der Wildnis können wir unser Innerstes nicht länger verstecken. Man ist bei sich, im Hier und Jetzt. Denn das «Hier und Jetzt» prallt in Form von Kälte, Wind oder Regen auf uns. Diesen Naturgewalten ausgesetzt und weit weg von unseren alltäglichen Aufgaben wird man wieder geerdet. Der Blick auf das eigene Leben klärt sich und die Sinne werden geschärft. Ganz nach der Aussage eines Mannes, der von Jesus geheilt wurde: «Ich weiss nicht, ob er ein Sünder ist», erwiderte der Mann. «Aber eins weiss ich: Ich war blind, und jetzt kann ich sehen!» (Johannesevangelium, Kapitel 9, Vers 25) Der ehemals Blinde lässt sich aber nicht mit den Pharisäern auf eine hitzige theoretisch-intellektuelle Diskussion ein, ob Jesus der Sohn Gottes sei. Sein einziges Argument: Ich war blind und jetzt kann ich sehen. Sein Glaube ruhte auf dem, was er erlebte, und nicht auf dem, was er wusste.
Vom Zweifel zur Bestimmung
Der Glaube muss vom Kopf ins Herz gelangen. Das geschieht nicht durch Hören, sondern durch Erleben. Durch Wüsten-Erfahrungen und dunkle Täler wird Gott persönlich und erlebbar. Er offenbart sich uns und stärkt unseren Glauben. An ihn und an uns selber. So erging es auch Mose. Er war auf der Flucht. Vierzig Jahre lebte er in der Wüste im Exil. Mose zweifelte an Gott und an sich selbst. Doch in der Wüste begegnete ihm Gott. Am Berg Horeb (Verwüstung) offenbarte sich Gott Mose und schuf einen Neuanfang. Er sprach mit ihm über seine Identität und seinen Auftrag, über seine Bestimmung und Berufung.
In all seinen Zweifeln und Fragen gab Gott sich Mose zu erkennen und sagte von sich: «Ich bin, der ich bin». Ich liebe diese Aussage über die Persönlichkeit Gottes. Sie ist gleichzeitig komplex und einfach. Ich bin, der ich bin. Das ist die absolute Annahme der eigenen Person. Die Ruhe in sich, selbstbewusst und stark.
Die Suche nach Gott
Gott forderte Mose auf, an seiner Seite zu gehen. Ihm ähnlich zu sein. In Gott ein ganzes «Ja» zu sich selbst zu entwickeln und die eigenen Stärken und Schwächen zu bejahen. Friede mit Gott bringt Frieden mit sich selbst. «Ich bin, der ich bin» fordert mich auf, sein Ebenbild zu werden, damit auch ich sagen kann «Ich bin, der ich bin». Das hört sich so unverschämt arrogant und zugleich befreiend an.
Ich darf ich sein. Du darfst du sein. Diese Wahrheit ist unglaublich entspannend. Gott sagt mit ganzem Herzen Ja zu mir. Er gibt mir nicht nur die Erlaubnis, ich selbst zu sein, sondern fordert mich sogar dazu auf. Ich darf ich sein. Du darfst du sein. Das ist das, was uns von «Der 4te Musketier» antreibt, Männer zu begleiten, damit sie sich selbst annehmen können und wieder Verantwortung übernehmen. Wir möchten mit ihnen eine Begegnung mit Gott suchen und gemeinsam Berge besteigen – physisch und psychisch. So wie Gott Mose am Berg Horeb begegnete und ihn aufforderte, seine Schuhe auszuziehen. Mit blossen Füssen sich auf Gott einlassen. Fassaden und Schutzschilder ablegen, sich verletzlich machen und seine Stimme wahrnehmen.
Um als Mann in seine ursprüngliche Identität zu finden, müssen wir Gottes Wahrheiten über unser Leben erfahren und annehmen können. Wie Jakob oder Hiob müssen wir Gott suchen und mit ihm streiten, um am Ende sagen zu können: «Bisher kannte ich dich nur vom Hörensagen, doch jetzt habe ich dich mit eigenen Augen gesehen» (vgl. Buch Hiob, Kapitel 42, Vers 5).
Die Musketier-Bewegung
Die Männerbewegung «Der 4te Musketier» ist keine Outdoor-Organisation, wohin die Männer statt in die Freiwillige Feuerwehr oder den Fussballverein gehen. Es geht nicht darum, in jedem Fall draussen zu sein, weit ab von der Zivilisation, von wo weder Schmerzensschreie noch wildes Schlachtgebrüll den nahen Bauern vom Traktor werfen. Es geht auch nicht um ein kleines Zeltlager, Feuerchen machen oder durch den Matsch kriechen. Nicht weil wir einen auf Naturburschen machen, entdecken wir Gott. Vielmehr wollen wir Männer an einen Ort bringen, an dem sie mit ganzer Aufmerksamkeit, ungeteilt und mit jeder Pore, ganzheitlich über Gott stolpern. Wo sie ihn von Herzen suchen und alten Ballast aus dem Lebens-Rucksack abgeben. Damit Männer verstehen, dass es alleine sauschwierig wird und wir echte Freundschaften nötig haben. Dass sie verstehen: Wir müssen Gott nichts beweisen, nichts leisten, sondern einzig seine Gnade annehmen und ihm vertrauen.
Wir müssen nichts für Gott tun, sondern wir sollen etwas mit und durch ihn tun. Männer lieben es, etwas zu tun. Wir sind und wir tun. Wir sind geliebt und wir sind beauftragt. Wir sind wertvoll und wir sind aktiv. Die Reihenfolge macht den Unterschied. Gott sucht Männer, die wissen, dass sie bedeutend und berufen sind. Männer, die für sich selber und für ihr Umfeld Verantwortung übernehmen, die Lücken schliessen. Wir sind geschaffen, um zu leben und um Leben weiterzugeben. Jesus hat Wasser in Wein verwandelt, Blinde sehend gemacht und Lahme geheilt. Jesus hat nicht über ein besseres Leben gesprochen, sondern er hat es gebracht. Jesus ist auf die Welt gekommen, um Altes neu zu machen, um zu vergeben und die Schuld auf sich zu nehmen. Er ist auferstanden, damit wir auferstehen.
Erweckte Männer mit entzündeten Herzen gleichen einem Waldbrand. Sie sind wild und stark. Sie stecken an, geben weiter, sind nicht aufzuhalten und ihr Segen verbreitet sich. Man kann ihre Taten riechen und ihr positiver Einfluss verbreitet sich wie Rauch mit dem Wind. Gottes Geist multipliziert und trägt den Segen dieser Männer in alle Himmelsrichtungen. Männer sollen Bäume sein, die wissen, wo sie ihre Kraft hernehmen, weil ihre Wurzeln tief im Glauben verankert sind. Ihr Wuchs ist stark, ihr Charakter geschliffen und ihr Potential entfaltet. Das ist unsere Identität. Das ist unser Auftrag.
Zum Autor:
Marcel Hager ist Leiter der christlichen Männerbewegung «Der 4te Musketier» und von MEN IN MOTION sowie Gründer von «From Survive to Life» Outdoorcoaching. Er ist verheiratet und Vater von drei Kindern
Männertag «Men in Motion
Am 24. Juni findet der Männertag «Men in Motion» zum Thema «Power On» in Huttwil statt. Neben inspirierenden Inputs (u.a. von Marcel Hager) und Konzerten werden Aktivitäten wie Boxen, Bogenschiessen, Drohnefleigen, Baggerfahren, Schwertkampf, u.v.m. sowie BBQ, Essenstände und Wein- und Zigarrendegustation angeboten. Weitere Infos unter meninmotion.ch.
Videoinputs von Marcel Hager zum Thema:
Ich bin und ich tue («Mann, unrasiert» 1/4)
Wo bist du? («Mann, unrasiert» 2/4)
Selbständig vs. Unabhängig («Mann, unrasiert» 3/4)
Was ist in deiner Hand? («Mann, unrasiert» 4/4)
Zum Thema:
Buch von Marcel Hager: Eine Reise vom Überleben zum Leben
Charakterweekend im Tessin: 75 Männer schlagen sich durch die Wildnis – und erleben Gott
Datum: 19.04.2017
Autor: Marcel Hager
Quelle: Chrischona Panorama