Schöpfung

Wenn Wissenschaft zu Gott führt

Evolutionärer Zufall oder göttliche Schöpfung? Aufhorchen lässt daher das jüngst erschienene Buch «Baupläne der Schöpfung – Hat die Welt einen Architekten?». Henning Röhl, Geschäftsführer von Bibel TV, hat die Autoren – zwei weltweit anerkannte Wissenschaftler – zum Gespräch getroffen.
Schöpfung.
Urknall.
Mensch

Die Frage nach der Entstehung der Welt ist fast so alt wie die Welt selbst – und der Streit darüber auch. Der geniale Physiker Albert Einstein (1879-1955) soll einmal gesagt haben: «Wissenschaft ohne Religion ist lahm, die Religion ohne Wissenschaft jedoch ist blind.» Doch vielfach wird Gottes Existenz einfach wegdiskutiert.

«Glaubst du noch oder denkst du schon?» Mit solchen Parolen versuchen die neuen Atheisten mit geradezu missionarischem Eifer, Christen und Noch-Nicht-Christen vom Glauben abzubringen. Die Vernunft spreche gegen Gott, sagen sie und berufen sich vor allem auf die Neo-Darwinisten. Eine Art Leitfigur der neuen Gottlosen ist der englische Evolutionsbiologe Prof. Richard Dawkins (Oxford), dessen polemisches Buch «Der Gotteswahn» auch in Deutschland viel Beachtung fand. Sein neues Werk «Die Schöpfungslüge – Warum Darwin recht hat» trifft ebenfalls auf reges Interesse.

Die Neodarwinisten, die viel radikalere Atheisten sind, als es der alte Charles Darwin (1809-1882) je war, haben in den sich für aufgeklärt haltenden Kreisen Europas und der USA grossen Zulauf. So hat die Abkehr von der christlichen Religion nicht nur mit dem Zustand der Kirchen oder der um sich greifenden Gleichgültigkeit zu tun – der scheinbar wissenschaftlich fundierte Beweis gegen Gott lässt viele Menschen tatsächlich an ihrem Glauben zweifeln. Dawkins schreibt seine Bücher vor allem für «Menschen, die zwischen den Stühlen sitzen»: Man müsse sie nur ein wenig in eine Richtung schubsen, weil sie bisher nicht nachgedacht hätten.

Alles nur Zufall und Selektion?

Die Gottesleugner meinen also, mit vernünftigen Argumenten könne man beweisen, dass es Gott nicht gebe. Im Grunde sind ihre Thesen einfach: Leben und Universum sind durch Zufall entstanden, und Veränderungen (Mutationen) werden zufällig weitergegeben. Nur der Stärkere überlebt. Die Geschichte der Menschheit ist mithin eine Geschichte der zufälligen Selektion. In diesem Weltbild hat Gott keinen Platz mehr.

Zwei weithin bekannte und geschätzte Wissenschaftler aus Wien bieten den neuen Atheisten nun mit wissenschaftlichen Argumenten Paroli. Prof. Walter Thirring (84) hat als junger Physiker noch mit Albert Einstein in Princeton (USA) zusammengearbeitet. Später wurde er Direktor am Europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf und Ordinarius an der Wiener Universität. Er ist als Protestant ein gefragter Gesprächspartner der katholischen Kirche und Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften.

Sein Mitautor, Prof. Johannes Huber (64), promovierter Theologe und Mediziner, arbeitet als Gynäkologe und Hormonforscher an der Medizinischen Universität Wien. Bis 2007 war er Leiter der vom österreichischen Bundeskanzler eingesetzten Bioethik-Kommission. Mit ihrem gemeinsamen Buch «Baupläne der Schöpfung – Hat die Welt einen Architekten?» legen sie überzeugende Argumente gegen die Neodarwinisten vor – ausgehend von den neuesten Forschungsergebnissen in Astrophysik, Biologie und Epigenetik (Vererbungslehre).

Im schönsten Palast

Wir verabreden uns im «schönsten Renaissance-Palast nördlich der Alpen»: im Wiener Erzbischöflichen Palais, direkt neben dem Stephansdom. Huber war zehn Jahre lang Sekretär des früheren Erzbischofs von Wien, Franz Kardinal König (1905-2004). Der heutige Erzbischof, Christoph Kardinal Schönborn, hat sich vor einigen Jahren mit einem Artikel in der New York Times den weltweiten Zorn der Neo-Atheisten zugezogen. Das Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Glaube gehört zu den besonderen Arbeitsgebieten des Wiener Kardinals. Er lässt es sich nicht nehmen, zeitweise an unserer Gesprächsrunde teilzunehmen.

«Ich glaube, wo Wissenschaft Wissenschaft betreibt und der Glaube Glaube ist, gibt es keinen Konflikt. Denn echte Wissenschaft ist nicht ideologisch, sondern stets realitätsorientiert», stellt der Kardinal fest. Er könne im Übrigen ohne weiteres mit der in der heutigen Physik vertretenen Urknalltheorie leben. Sie sei im Moment die einzige am «Markt der Wissenschaft» gültige und in vieler Hinsicht auch einsehbare Theorie. Aber jede wissenschaftliche Theorie müsse damit leben, dass eine bessere die bisherige Sicht ablöst. Man dürfe sie deshalb nie zum Glaubenssatz – Dogma – erheben.

Bibeltext auf die Glaubensaussage prüfen

Wie verträgt sich nun die Theorie vom Urknall mit der biblischen Aussage, die Welt sei in sechs Tagen erschaffen? «Die Milchstraße ist 100.000 Lichtjahre gross, das ist nicht irgendeine Theorie, das kann man messen», meint der Kardinal. Und nach der heute gängigen Theorie sei das Universum 14 Milliarden Lichtjahre gross. Man könne deshalb nicht davon ausgehen, die Welt sei nur 6.000 Jahre alt, sondern müsse den biblischen Text auf seine Glaubensausage hin lesen. Er habe kein Problem damit zu hinterfragen, ob das sechs chronologische Tage gewesen seien: «Es war zweifellos eine Abfolge von Gott gewollten, Gott geschenkten, Gott gemachten Schritten in dem, was wir die Entwicklung der Schöpfung nennen.»

Die vorherrschende Theorie

Vom Urknall am Beginn des Universums gehen auch Thirring und Huber aus. Der Urknall sei der Zeitpunkt gewesen, an dem Raum und Zeit entstanden sind. Wohl aus atheistischen Vorurteilen habe es auch eine Konkurrenztheorie gegeben, «aber in der Zwischenzeit sind die empirischen Beweise so zwingend, dass der Urknall –der ‚Big Bang’ – heute in der Physik die vorherrschende Theorie ist», sagt Thirring. Als die Theorie vom Urknall zum ersten Mal beschrieben wurde, traf sie auf heftigen Widerstand atheistischer Wissenschaftler: Wenn es einen Anfang unseres Kosmos gibt, ist der Weg zum Architekten der Welt nicht weit! Kann man den Urknall auch biblisch als das «Tohuwabohu» in der Schöpfungsgeschichte (1. Mose, Kapitel 1, Vers 2) deuten? Nach Hubers Ansicht passt das durchaus zusammen; deshalb sei diese Theorie auch so heftig abgelehnt worden: «Viele haben gemeint, durch den Urknall kommt die Genesis wieder – dieses Mal präsentiert von einem Physiker.»

Versuche am CERN deuten auf den Schöpfer hin

Beide versuchen mit ihren wissenschaftlichen Methoden zu beweisen, dass es ein Design (Entwurf) der Schöpfung gibt. Laut Thirring gibt es in der Schöpfung «Konstanten, die eine Intelligenz ausstrahlen, die höher ist als die menschliche Intelligenz». Mithilfe der Quantenphysik (sie untersucht die Grundbausteine der Materie: die Atome) lasse sich feststellen, dass in jedem kleinsten Teilchen des Alls der Bauplan des ganzen Universums gespeichert ist! Versuche am Teilchenbeschleuniger im CERN, wo kleinste Elementarteilchen aufeinander geschossen werden und beim Aufprall «zerplatzen», zeigen, so Thirring: «Auch die neu gefundenen Teil-Teilchen sind gemäss den Regeln gebaut, wie wir sie vom Standardmodell aus der Schule kennen. Das heisst: Der Bauplan des Universums ist überall gespeichert.» Wo immer man hinschaue – auch im All – findet sich im kleinsten Teil die Architektur des Ganzen wieder.

Die Umwelt verändert

Auch die neuesten Erkenntnisse der Epigenetik – ein Teil der Biologie, der sich mit der Vererbungslehre von Zellen befasst – widerlegen nach Huber die Behauptung der Neo-Darwinisten, es gebe nur zufällige Evolution und zufällige Mutation: Die heutige Genforschung bestätige manches evolutionstheoretische «Gesetz»  nicht. Immer mehr Wissenschaftler seien der Meinung, dass sich die Entwicklung der Arten auch an der Umwelt orientiere, und dass es einen Dialog zwischen dem Genom – der Gesamtheit aller Gene – und den uns umgebenden Dingen wie etwa Nahrungsmitteln gebe. Die wie eine Perlenkette aufgereihten menschlichen Gene könnten also durchaus architektonisch verändert werden.

Von Kollegen beschimpft

Als Huber diese These zum ersten Mal in einer österreichischen Zeitung vertritt, wird er heftig kritisiert: «Ich bin nie in meinem Leben so beschimpft worden. Und es tut schon weh, wenn diese Angriffe von den eigenen Kollegen kommen.» Nur wegen einer Hypothese, die altes Denken neu interpretiert! Zunächst habe diese These mit Gott noch gar nichts zu tun gehabt. Aber seine wissenschaftlichen Gegner hätten vermutet, er wolle gewissermassen durch die Hintertür einen Schöpfer in die Wissenschaft einführen. Ähnlich ist es Thirring gegangen: Fachkollegen sprachen von «intellektueller Lästerung», nur weil er formuliert hatte, es gebe in der Schöpfung Konstanten, die intelligenter seien als die menschliche Intelligenz.

Der «Saum des Kleides»

Mit Bezug auf den biblischen Propheten Jesaja spricht Thirring vom «Saum des Kleides»: Man sehe die wunderbaren Naturgesetze, erkenne, wie alles zusammenpasst und strukturiert ist – und man glaubt, man sehe Gott. Doch dann steige irgendwo Rauch auf, und die Erkenntnisse seien nicht mehr so klar. «Es bleibt jedoch etwas zurück, was ich als Saum seines Kleides bezeichne.» Obwohl eine «vollständige Erklärung des Universums nicht möglich ist», meint Thrirring, stehe der Mensch sehr wohl «auf einem Podest». Er sei als einziges Lebewesen in der Lage, die Gesetzmässigkeiten des Universums zu erkennen. «Das ist der Abbildcharakter, der in der Genesis zum ersten Mal erwähnt wird. Ich halte das für einen intellektuell sehr bestechenden Gedanken», fügt Huber hinzu.

Ein Gottesbeweis?

Ist der in Biologie und Quantenphysik wissenschaftlich nachweisbare Bauplan der Schöpfung so etwas wie ein Gottesbeweis? Beide Wissenschaftler weisen das zurück. «Für uns ist der Anfang der Welt von Gott geschaffen», sagt Thirring, «aber es wäre fast gotteslästerlich, wenn wir versuchen wollten, Gott mit unserer Logik einzufangen.» Glaube sei eine vorwissenschaftliche Entscheidung, die jeder für sich selbst fällen müsse. Es sei aber intellektuell unredlich, wenn atheistische Wissenschaftler – wie die Neo-Darwinisten – immer wieder behaupteten, nur Menschen mit einem niedrigen Intelligenzquotienten glaubten an Gott.

Allerdings dürfe der Glaube den Naturwissenschaften auch nicht widersprechen. «Und das tut er nicht», unterstreichen beide Wissenschaftler. «Dies zum Ausdruck zu bringen ist eine Absicht ihres Buches.» Noch deutlicher wird Kardinal Schönborn: «Mich hat noch keine wissenschaftliche Entdeckung vom Glauben weggebracht. Alles, was ich aus wissenschaftlichen Erkenntnissen gelernt habe, hat mich nur tiefer in das Staunen und in die Dankbarkeit gegenüber meinem Schöpfer geführt.»

Buch von Johannes Huber/Walter Thirring kaufen:
«Baupläne Gottes. Hat die Welt einen Architekten?»

Datum: 15.05.2011
Autor: Henning Röhl
Quelle: idea.de

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