Krankheit, Gebet, Heilung

Muss Gott mich heilen?

In der Bibel lesen wir ganz klar, dass Menschen geheilt wurden, sowohl von Jesus als auch von den Jüngern und den Aposteln. Aber wurden wirklich alle geheilt? Muss Gott heilen oder kann Krankheit und Leiden auch einen tieferen Sinn haben?
Für Heilung beten
Barbara Rüegger

Da ich seit ein paar Jahren eine chronische Krankheit habe, kommt immer wieder die Frage der Heilung durch Gebet auf. Vor allem direkt nachdem ich die Diagnose erhalten hatte und Freunde und Bekannten informierte, bekam ich verschiedene Reaktionen darauf. Die einen meinten, Gott werde mich sicher heilen, während andere fanden, ich müsste meine Ernährung umstellen, um geheilt zu werden. Freunde im Ausland schrieben: Wir haben für dich gebetet, wie geht es dir heute? Gott wird dich sicher heilen. Als ich zurück schrieb: Vielleicht heilt Gott auch nicht, wurde ich gefragt, ob ich den überhaupt geheilt werden wollte... So wirklich hilfreich war keine dieser Reaktionen und es stellt sich die Frage: Liegt es etwa an mir ob ich geheilt werde, oder liegt diese Antwort in Gottes Hand?

Muss Gott mich heilen, oder muss er nicht? Über die Jahre habe ich viele ernsthafte, engagierte Christen kennengelernt, auch einige, die in der Mission tätig sind, die an einer chronischen Krankheit leiden, die sie behindert, müde macht und einschränkt. Dazu kommen all diejenigen, die viel zu früh an Krebs gestorben sind oder so wie im Moment die vielen Covid-Toten in Indien, unter ihnen viele Pastoren und Missionare.

Was sagt die Bibel dazu?

Da muss ich mich fragen, was denn die Bibel zu diesem Thema sagt: Manchmal lesen wir, dass Jesus alle Kranken heilte, die ihm an diesem Tag nachfolgten (Matthäus Kapitel 12, Vers 5ff). In der Geschichte vom Gelähmten am Teich Bethesda lesen wir zwar, dass Jesus diesen einen Mann geheilt hatte, aber wir lesen auch, dass es da fünf Hallen gab, in denen kranke und behinderte Menschen lagen. Was dachten wohl diese alle, als der eine Gelähmte aufstand und nach Hause ging, sie aber weiterhin leiden mussten? Obwohl die Geschichte von Hiob gut ausging, lesen wir doch zuerst über grösstes Leiden und Schmerz, sowohl durch Krankheit als auch durch den Verlust aller seiner Güter und seiner Kinder. Paulus schreibt, dass er einen Dorn oder Pfahl im Fleisch, in seinem Körper habe, der ihm Schmerzen bereite und den er gerne wieder los werden würde. Er betete, und das sicher nicht nur einmal, aber die Antwort, die er von Gott bekam, war, dass Gott in seiner Schwäche stark sein würde (2. Korinther Kapitel 12, Verse 8-10). Paulus hat aber auch Heilung erlebt, ganz zu Beginn seines Weges als Christ, als Gott ihm die Blindheit wieder wegnahm, und ebenso hat er mehrmals erlebt, wie Menschen durch sein Gebet gesund wurden.

Es sieht also so aus, dass auch in der Bibel, weder durch Jesus direkt noch durch seine Jünger und Apostel, nicht alle Menschen geheilt wurden.

Liegt es an mir, wenn ich nicht geheilt werde?

Der Gedanke, dass es wohl an mir liegt, dass Gott mich nicht heilt, kann schon aufkommen, wenn wohlmeinende Christen immer wieder fragen, ob man nun nach ihrem Gebet gesund geworden sei. Habe ich denn was falsch gemacht, glaube ich zu wenig, bete ich zu wenig oder bin ich nicht gut genug für Gott? Gibt es irgendwo verborgene Sünde, die verhindert, dass Gott heilen kann?

All dies sind Gedanken, oftmals auch Anschuldigungen, die von aussen oder auch von den eigenen Gedanken an jemanden herangetragen werden, der krank ist. Schon Hiob war durch seine Freunde diesen Anschuldigungen ausgesetzt, aber Gott selber verteidigte Hiob und brachte die Freunde zum Schweigen. Krankheit und Leiden zu sehen und nichts verändern zu können, löst Unsicherheit aus und wir wünschen uns eine Erklärung dafür.

Hat Krankheit einen tieferen Sinn?

Ich halte regelmässig Andachten in einem Altersheim, wo viele mit ihren eigenen Krankheiten und Altersbeschwerden umgehen müssen und ich kenne einige Bewohner auch persönlich. Die Verse im 2. Korintherbrief, wo Paulus gesagt wird: «Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist im Schwachen mächtig, oder vollkommen», haben auch mich sehr angesprochen und ich hielt darüber eine Andacht. Darauf meinte eine der Bewohnerinnen: «Weisst du, dir nehmen wir das ab!»

Menschen mit einer Krankheit oder Behinderung, zum BeispielJoni Eareckson-Tada, haben gerade weil sie so sind, wie sie sind, viele andere Menschen erreicht, sie ermutigt und Organisationen gegründet, die nicht nur einigen, sondern sehr vielen Menschen mit ähnlichen Schicksalen helfen konnten. Um aber soweit zu kommen, aus einer Krankheit oder Behinderung das Beste zu machen, muss man diese auch akzeptieren als das, was es ist, Teil des von Gott gegebenen Lebens in einer gefallenen Welt. Dann kann das, was wir erleben, uns und anderen zum Besten dienen.

Krankheiten und Leiden holen uns aber auch immer wieder auf den Boden der Tatsache, wer wir wirklich sind. Nämlich keine Superhelden, sondern Menschen mit Schwächen und Nöten, die es nicht alleine schaffen, sondern die sich bewusst werden, dass sie Hilfe brauchen. Niemand wünscht sich, krank zu sein oder zu leiden, aber durch Krankheit und Leiden wird unser Charakter geformt auf eine Art, wie es sonst nie geschehen würde und wir lernen dadurch, was Leben wirklich ausmacht.

Schlussendlich gesund

Am Ende bleiben also mehr Fragen als es Antworten gibt. Heilt Gott oder heilt er nicht? Manchmal heilt Gott wirklich, das habe ich auch schon erlebt; beides, dass es mir nach einem Gebet besser ging und dass Leute mir bestätigten, dass es ihnen besser ging, als ich für sie betete. Aber es ist auch eine Tatsache, dass wir alle einmal sterben müssen. Auch Lazarus, der von Jesus vom Tod auferweckt wurde, ist wieder gestorben, sonst würde er heute noch unter uns weilen. Aber ich bin mir sicher, dass es nicht an mir liegt, ob ich geheilt werde oder nicht, und ich will meinen Fokus nicht auf eine mögliche Heilung legen, sondern das Beste aus der momentanen Situation machen.

Und etwas, das ich ebenfalls sicher weiss, ist, dass am Ende, wenn Jesus wieder kommt, alle Tränen abgewischt werden und es kein Leid und keine Not oder Krankheit mehr geben wird (Offenbarung Kapitel 21, Vers 4): Lahme werden gehen, Blinde werden sehen, die chronisch Müden werden rennen können, solange sie wollen. In Gottes neuer Welt gibt es keine Krankheiten mehr und wir dürfen uns darauf freuen. Dann bin ich, dann sind wir alle vollständig geheilt, nicht nur körperlich, sondern ganzheitlich.

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Datum: 02.05.2021
Autor: Barbara Rüegger
Quelle: Livenet

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