1 "Urteilt nicht über andere, damit Gott euch nicht verurteilt. 2 Denn so wie ihr jetzt andere verurteilt, werdet auch ihr verurteilt werden. Und mit dem Massstab, den ihr an andere legt, wird man euch selber messen. 3 Du regst dich auf über die kleinen Schwächen deines Bruders und erkennst nicht deine eigene, viel grössere Schuld. 4 Du sagst: 'Mein Freund, komm her! Ich will dir die Augen für deine Fehler öffnen!' Dabei bist du blind für deine eigene Schuld. 5 Du Heuchler! Kümmere dich zuerst um deine Fehler, dann versuche, deinem Bruder zu helfen.1 6 Gebt das, was euch heilig ist, nicht Menschen preis, die es nicht achten. Und was euch kostbar ist, verschleudert nicht an solche, die seinen Wert nicht erkennen. Sie werden sonst euern Glauben in den Dreck zerren und euch hinterher auch noch angreifen." Übersetzung: Hoffnung für Alle Dieser Abschnitt über das Richten folgt direkt auf Jesu provokative Lehren über den Reichtum. Die Verbindung dieser beiden Themen ist wichtig. Es ist leicht für den Christen, der alles aufgegeben hat, reiche Christen zu kritisieren. Andererseits gibt es Christen, die ihre Pflicht, für die zukünftigen Bedürfnisse ihrer Familie vorzusorgen, sehr ernst nehmen, die dazu neigen, den wörtlichen Gehorsam derer herunterspielen, die diese letzten Worte Jesu sehr ernst nehmen. Da aber niemand völlig aus dem Glauben lebt, ist solche Kritik nicht angebracht. Dieses Gebot, nicht zu richten, beinhaltet die folgenden Bereiche: Wir sollten nicht über die Motivation anderer richten, denn nur Gott kennt sie; wir sollten nicht nach dem Äusseren richten (Joh 7,24; Jak 2,1-4); wir sollten die nicht richten, die sich aus Dingen ein Gewissen machen, die an sich weder gut noch böse sind (Röm 14,1-5); wir sollten nicht den Dienst anderer Christen richten (1. Kor 5,1-5) und wir sollten unsere Mitchristen nicht richten, indem wir schlecht über sie sprechen (Jak 4,11.12). 7.1 Manchmal werden diese Worte von Menschen missverstanden, die aus ihnen herauslesen, dass alle Formen des Richtens verkehrt seien. Ganz gleich, was geschieht, sie sagen fromm: "Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!" Aber Jesus lehrt nicht, dass wir nicht mehr unterscheiden sollen. Er wollte nie, dass wir unsere Fähigkeit, Dinge kritisch zu durchdenken und zu unterscheiden, aufgeben sollten. Das NT kennt viele Fälle von gerechtfertigtem Gericht über den Zustand, das Verhalten oder die Lehre anderer. Ausserdem gibt es verschiedene Gebiete, auf denen dem Christ sogar befohlen ist, eine Entscheidung zu treffen, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden oder zwischen dem Guten und dem Besten. Dazu gehören: Wenn sich Streitfragen unter Gläubigen ergeben, dann sollten sie in der Gemeinde vor Gliedern geklärt werden, die in diesem Falle entscheiden können (1. Kor 6,1-8). 1. Die Ortsgemeinde sollte schwere Sünden ihrer Glieder richten und entsprechende Massnahmen ergreifen (Matth 18,17; 1. Kor 5,9-13). 2. Gläubige sollen die Lehre von Predigern und Lehrern am Wort Gottes messen (Matth 7,15-20; 1. Kor 14,29; 1. Joh 4,1). 3. Christen haben herauszufinden, ob andere wirklich gläubig sind, damit sie dem Gebot von Paulus in 2. Korinther 6,14 gehorchen können. 4. Die Gemeindeglieder sollen erkennen, welche Männer die notwendigen Eigenschaften haben, um Älteste und Diakone zu werden (1. Tim 3,1-13). 5. Wir haben zu entscheiden, welche Menschen unordentlich, kleinmütig oder schwach sind, um mit ihnen entsprechend den Anweisungen der Bibel zu verfahren (1. Thess 5,14). 7,2 Jesus warnte, dass ungerechtes Gericht auf gleiche Weise zurückgezahlt würde: "Denn mit welchem Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden." Dieses Prinzip, dass man erntet, was man sät, findet sich in allen menschlichen Angelegenheiten und im ganzen Leben wieder. Markus wendet das Prinzip auf unsere Aneignung des Wortes Gottes (Mk 4,24) und Lukas auf unsere Bereitschaft zum Geben an (Lk 6,38). 7,3-5 Jesus stellte unsere Neigung heraus, den kleinsten Fehler bei anderen zu entdecken, während wir den gleichen Fehler bei uns übersehen. Er überspitzte die Situation absichtlich (er benutzte eine sprachliche Ausdrucksweise, die man Übertreibung nennt), um die Sache auf den Punkt zu bringen. Jemand, der selbst einen Balken im Auge hat, nimmt oft Anstoss an dem Splitter im Auge eines anderen, und verkennt dabei seine eigene Situation. Es ist Heuchelei zu meinen, wir könnten jemandem bei einem Fehler helfen, wenn wir selbst einen noch grösseren Fehler haben. Wir müssen unsere eigenen Fehler beseitigen, ehe wir sie an anderen kritisieren können. 7,6 Vers 6 zeigt, dass Jesus nicht jede Form des Richtens verurteilt. Er warnte seine Jünger davor, Heiliges nicht den Hunden zu geben und Perlen nicht vor die Schweine zu werfen. Unter dem mosaischen Gesetz waren Hunde und Schweine unreine Tiere. Diese Ausdrücke werden hier benutzt, um böse Menschen zu bezeichnen. Wenn wir schlechten Menschen begegnen, die göttliche Wahrheiten ausgesprochen verachtungsvoll mit Füssen treten und auf unsere Predigt über die Ansprüche Christi mit Schimpfen oder sogar Gewalt reagieren, sind wir nicht mehr verpflichtet, ihnen noch weiter das Evangelium zu bringen. Wenn wir hier weitermachen, bringen wir nur noch schlimmere Verdammnis über diese Menschen. Es ist sicher nicht nötig zu betonen, dass man geistliche Unterscheidungsgabe braucht, um diese Menschen herauszufinden. Vielleicht deshalb beschäftigen sich die nächsten Verse mit dem Gebet, in dem wir etwa um Weisheit bitten können.Kritik und Selbstkritik
Kommentar
Datum: 04.05.2008
Quelle: Kommentar zum Neuen Testament - William McDonald