Gemeindebau im Kosovo

Der Asterix Gottes

Die Gemeinde «Fellowship of the Lord‘s People» im Kosovo
Das Kosovo ist ein zerrissenes Land, in ständiger Angst vor dem Krieg. Mitten im politischen und kulturellen Chaos baut die Gemeinde «Fellowship of the Lord‘s People» Reich Gottes. Nathanael Ullmann berichtet.

Die meisten Asterix-Comics beginnen nach einem gleichen Schema: Ganz Gallien sei 50 v. Chr. von den Römern besetzt, heisst es da. «Ganz Gallien? Nein! Ein von unbeugsamen Galliern bevölkertes Dorf hört nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten», sagt der Erzähler dann. Auch die «Fellowship of the Lord‘s People» sind so ein Dorf.

Auf den ersten Blick ist nicht zu erkennen, wie sehr das Kosovo in einer Identitätskrise steckt. Die Strassen Pristinas unterscheiden sich kaum von denen anderer europäischer Grossstädte. Vielleicht ist der sandfarbene Schleier, der alles umgibt, ein wenig ausgeprägter. Und Hupen wird hier mehr als ein freundliches «Entschuldigung, ich nehme dir eben die Vorfahrt» verstanden denn als Wutausbruch. Aber sonst: Mitten in der Stadt erstrahlt des Nachts das Fussballstadion. Den Altersdurchschnitt von 32 Jahren sieht man den Passantinnen und Passanten an. Neubauten schiessen dort aus dem Boden, wo vor wenigen Jahren noch Weide war. Und im Naturschutzgebiet an der Stadtgrenze trifft sich die Jugend zum Lagerfeuerabend.

In der Krise

Und doch: Dem 1,5-Millionen-Menschen-Land geht es schlecht. Vom Norden her übt Serbien Druck auf den Kosovo aus und bedroht seine Unabhängigkeit. Wöchentlich rechnet das Land mit dem Ausbruch eines erneuten Krieges. Die Türkei baut Moscheen und Autobahnen und damit seinen Einfluss aus. Albanische Flaggen hängen überall – weil viele Kosovarinnen und Kosovaren sich Albanien verbundener fühlen als dem Kosovo. Mit dem Hochhaus-Bau wird Geld gewaschen. Ein Drittel der Menschen ist arbeitslos.

Hoffnungsland ist Deutschland. Fast alle im Kosovo haben seit dem Krieg und der resultierenden Flüchtlingswelle Verwandtschaft hier. In Deutschland winkt Arbeit. Menschen, die in Deutschland arbeiten und im Kosovo ein Haus besitzen, haben vor Ort sogar eine eigene Bezeichnung: Schatzis. Weil sie den Frauen von ihren schicken Autos aus ein «Hey, Schatzi» entgegenrufen. Im Sommer bewohnen sie zwei Monate lang ihre Villen in Städten wie Malisheva. Den Rest des Jahres ackern sie in Deutschland. Die Häuser stehen dann leer, die Rollläden fest verschlossen.

Inmitten all dieser Krisen ist das Missionsfeld der Gemeinde «Fellowship of the Lord’s People». Wie ein kleiner David dem Goliath gegenüber steht das Kirchengebäude umringt von mehrstöckigen Bollwerken Pristinas. Von hier aus streut die Gemeinde seit 1985 die gute Botschaft Gottes ins ganze Land hinein.

Bestens vernetzt

Einsatz auf dem Weihnachtsmarkt

Artur Krasniqi ist Gründer und geistlicher Leiter der Gemeinde. Der Mann ist ein Schwergewicht – nicht nur optisch. Denn er verkörpert, was die Gemeinde in ihrem Wesen ausmacht. Fliessend wechselt er in Gesprächen zwischen albanisch, englisch und – wenn es denn sein muss – deutsch. In Hotels grüssen ihn die Kellner per Handschlag. Stets hat er eine Geschichte parat, wie er diesen Politiker traf oder jenen Missionar. Kurzum: Der Pastor ist ein Grossmeister der Vernetzung.

Denn die Gemeinde kann es sich gar nicht leisten, in ihrem eigenen kleinen Kosmos zu denken. Zu wenige evangelische Christinnen und Christen gibt es in dem Land, als dass diese sich über religiöse Fragen zerstreiten wollten. Arturs «Fellowship of the Lord‘s People» kämpft für das Reich Gottes, nicht für ihre Gemeinde. Die Leute vor Ort brennen dafür, in dem mehrheitlich muslimischen Land den christlichen Glauben gross zu machen. Ob auf der Fahne schlussendlich «Baptisten», «Pfingstkirche» oder «FeG» steht, ist ihnen egal. Von dieser Motivation können sich deutsche Kirchen eine grosse Scheibe abschneiden.

Schmiede für junge Leitende

Ganze Arbeit leistet die Gemeinde darin, Menschen etwas zuzutrauen. Das fängt schon bei den Kleinsten an. Wer Samstagfrüh das «House of Hope» in Pristina betritt, taucht direkt in Kindergeschrei ein. Hier arbeitet die Gemeinde mit Roma-Kindern, die sonst nur wenig Beachtung finden. Mit dem Kindergottesdienst einer FeG ist das kaum zu vergleichen. Aus vollem Hals buchstabieren die Kids das «L-O-V-E» aus einem Lobpreislied mit, feuern sich bei Bewegungsspielen an und werden ganz still, wenn es an die kurze Andacht geht. Die Begeisterung ist ansteckend.

Das Besondere: Nur zwei Erwachsene leiten den Kurs. Unterstützt werden sie von Mädels und Jungs, die gerade erst ins Teenageralter kommen. Wer 14 wird, darf mitleiten. Die Nachwuchstalente tanzen dann bei den Liedern vor, assistieren bei den Spielen oder sorgen für Ruhe. Wo in deutschen Gemeinden die Gemeindebindung nach der Jungschar abbricht, fängt sie hier erst so richtig an.

Vom Spielplatz in die Gemeindeleitung

Wie gut das funktioniert, zeigt das Beispiel von Arteida. Die 23-Jährige kam im Kindesalter zu ähnlichen Programmen in Milosheva. «Das war für mich wie ein zweites Zuhause», sagt sie. Sie wird Jugendleiterin und Christin – gegen alle Skepsis ihrer muslimischen Familie.

Nach ihrem IT-Studium kehrt sie zur Gemeinde zurück. In der frisch gegründeten Bibelschule der Gemeinde absolviert sie zwei Jahre lang am Wochenende eine Ausbildung, um auch theologisch fit zu sein. Heute arbeitet sie als Arturs Assistentin, organisiert Termine, regelt Korrespondenzen und dolmetscht fliessend, wo es gebraucht wird. Auf die Frage, ob sie – wie so viele andere im Land – auch Deutsch lerne, antwortet sie nur: «Nein. Ich habe nicht vor, auszuwandern.» Sie hat durch Jesus und in der Gemeinde ihre Identität gefunden.

Auch Erwachsenen gibt die Gemeinde eine Perspektive. Im Kosovo sind die meisten Frauen arbeitslos. Die «Fellowship of the Lord‘s People» bietet deswegen an verschiedenen Orten im Land Nähkurse an. Zweimal die Woche lernen die Frauen hier, ihre eigenen Muster zu zeichnen und umzusetzen. 1.800 Frauen haben den Kurs seit Beginn besucht, 85 Prozent von ihnen starten anschliessend in die Selbstständigkeit oder werden in einer Fabrik übernommen. «Wir möchten die Leute nicht nur zu Gott bringen, sondern eine Auswirkung in ihrem Leben haben», sagt Alban, der das House of Hope in Milosheva leitet. Evangelisation durch Diakonie gewissermassen.

Wohlfühlorte

Das Gemeindehaus

Perspektive schafft die Gemeinde auch, indem sie Orte des Wohlfühlens baut. Hier lässt sich leicht ein Zuhause, eine Identität finden. Wo die «Fellowship of the Lord‘s People» hinkommt, da wird es schön. Bestes Beispiel ist das neue Gemeindehaus in Malisheva. Ehemals war das Haus von einem Missionars-Ehepaar bewohnt. Als der Mann plötzlich verstarb, zog es die Frau zurück nach Amerika. Jahrelang verfiel das Gebäude. Dann stand es zum Verkauf. Für 150'000 Euro hätte es die Fellowship kaufen können. «Ich habe dann mit der Frau telefoniert und gesagt: ‚Für 100'000 Euro nehmen wir es‘», erzählt Artur. Und tatsächlich: Die Missionarin sagt es der Gemeinde zu, sehr zur Verwunderung des Pastors. Eigentlich war die Gemeinde gar nicht darauf eingestellt, eine neue Immobilie zu erwerben.

In Eigenregie baut die Gemeinde das Haus dann doch um. Innerhalb weniger Monate entsteht aus der Bruchbude ein neues Zentrum. Einen Urlaub verbringt Pastor Artur zusammen mit einem Mitarbeiter damit, Wände herauszureissen und neu zu verputzen. Nun sieht das Haus aus wie neu: Warme Ziegelsteine strahlen an der Fassade ein «Willkommen» aus. Eine riesige Fensterfront samt Grünstreifen wertet die Küche auf. Im Obergeschoss hat die Gemeinde die ehemaligen Wohnräume in einen Gottesdienstraum verwandelt – offen, hell und einladend. Um das neue Zen­trum herum stehen immer noch die Schatzi-Villen mit den verschlossenen Rollläden. Aber dieses Haus erzählt jetzt vom Leben. «Bei der Eröffnung sagte mir ein Besucher, das sei ein Wunder», sagt Artur.

Ein anderes Beispiel sind die frisch eröffneten Räume der Musikschule. Jeder Raum ist dort in einer anderen Farbe gestrichen – samt zugehöriger Bedeutung. Das Blau im Gitarrenraum steht beispielsweise für Frieden, die Lachsfarbe im Gesangsraum für Kreativität. Auch hier strahlt das Licht durch die Fenster und durch die Räume strömt ein wohliger Duft.

Überall im Kosovo baut die Gemeinde solche Wohlfühl­orte der Liebe Gottes. Sie strahlen aus, was die Menschen der «Fellowship of the Lord‘s People» in sich tragen: Begeisterung für Jesus.

Immer wieder bedroht

Diese Arbeit ist kein Spaziergang. «Hier Christ zu sein, heisst, alles aufzugeben», sagt Alban. Wer sich in einer muslimischen Familie für das Christentum entscheidet, muss wahrlich ein neuer Mensch werden: Denn das alte Leben haben Alban und seine geistlichen Geschwister hinter sich gelassen. Die alten Bande zerreissen über den religiösen Differenzen.

Auch als Gesamtgemeinde stehen die «Fellowship of the Lord‘s People» unter Druck. In Kaçanik betreibt die Gemeinde beispielsweise ein «House of Hope» und einen Secondhand-Laden – inklusive Gebetsraum im Hinterzimmer. Die Arbeit dort ist gefährlich, denn die Stadt gilt als Brutstätte für IS-Kämpfer. Zu Beginn der Arbeit https://www.livenet.ch/news/international/interkulturelles_mission/387663-kosovo_eroeffnete_botschaft_in_jerusalem.htmlwurde Leonora, eines der Gemeindemitglieder, von der Polizei gewarnt. Diese sprach von einem geplanten Anschlag mittels Autobombe. Leonora machte ihren Dienst stur weiter. Bis heute sitzt sie putzmunter in den Meetings. Aber: Selbstverständlich ist das nicht.

Neue Identität: Jesus

Ob es Englischunterricht ist, Musik- oder Bibelschule, Gottesdienst oder Kinderprogramm: In ihrem gesamten Tun gibt die Gemeinde den Menschen im Kosovo eine neue Identität in Jesus. Wo das Land im Chaos ist, da bietet sie im Glauben Frieden. Die Konsequenz ist überall sichtbar: Mit der neuen Perspektive im Gepäck erblühen neue Leitende, die das Feuer Jesu im Herzen tragen. Dass sie als Christinnen und Christen eine Minderheit sind, hält sie nicht auf.

Der FeG-Fond «Gemeinden helfen» unterstützt an den richtigen Stellen. Er ist Katalysator, wo es der Gemeinde an finanziellem Rückhalt fehlt. Ermutiger durch freundschaftliche Beziehung ist seit vielen Jahren die FeG Auslandshilfe. Durch die Förderung konkreter Projekte kann die «Fellowship of the Lord‘s People» in einem rasanten Tempo Gemeinde weiterbauen – geistlich wie konkret. Ein Dorf, das nicht aufhört, Widerstand zu leisten.

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Datum: 23.12.2024
Autor: Nathanael Ullmann
Quelle: Magazin Christsein Heute 12/2024, SCM Bundes-Verlag

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