«Auf der Intensivstation begann ich zu beten»
Welches
ist der wahre «Kliby»: der Heitere, der Unterhaltsame oder der Ernste, der Nachdenkliche?
Urs
Kliby: Es
gibt beide Seiten. Auf der Bühne bin ich der Heitere. Zu Hause jedoch bin ich nicht
immer lustig. Da gehe ich auch einmal in mich und bin nachdenklich.
Am 24.
Dezember wurden Sie 70. Ein schwieriger Tag?
Plötzlich
70 – das hat mich überhaupt nicht gestört. Es tat ja nicht weh. Der Tag hatte
für mich keine besondere Bedeutung. «Moll», gestört hat mich, dass ich kein
Fest machen konnte. Viele Freunde haben immerhin angerufen. Ich hatte noch nie
so viele Telefonanrufe.
Wovor
haben Sie als älterer Mensch Angst?
Wenn es
Richtung Demenz ginge, dann hätte ich schon Angst. Ich hatte schon einige
gesundheitliche Rückschläge. Ich hatte zwei Schlaganfälle, Prostatakrebs, eine
Herzoperation mit vier Bypässen. Manchmal habe ich ein wenig Angst vor einem
Rückfall. Komische Gefühle bleiben. Kürzlich standen an einem Tag gleich vier
Todesanzeigen von Freunden und Kollegen in der Zeitung. Das war ein Schlag für
mich.
Sie
fürchten sich vor dem Tod?
Ich bin
gerne am Leben. Aber Angst habe ich eigentlich nicht. Als gläubiger Mensch
freue ich mich auf ein ewiges Leben, auf den Himmel. Ich hoffe, dann auch
einige verstorbene Angehörige wiedersehen zu können.
Sie
traten nun nach 50 Jahren auf der Bühne zusammen mit Ihrer Caroline in den
Ruhestand. Ihre Bilanz?
Ich
durfte eine wahnsinnige Karriere erleben, ohne Skandale und missglückte
Auftritte. Es gab Veranstalter, die mich alle zehn Jahre zum Firmenjubiläum
gebucht haben. Es war eine erfüllte Karriere, für die ich enorm dankbar bin.
Leider war ich nicht immer gesund, aber ich durfte ein Stehaufmännchen sein.
Wo
wird Caroline den Ruhestand verbringen?
Sie macht
gerade Ferien. Sie wohnt seit wenigen Tagen in einer Vitrine des Historischen
Museums des Kantons Thurgau in Frauenfeld. Ende März wurde dort die Ausstellung
«Thurgau Köpfe – tot oder lebendig» eröffnet und noch bis Ende Oktober gezeigt.
Danach geniesst sie zu Hause mit mir den Ruhestand.
Welchen
Sinn macht das Leben jetzt noch für Sie?
Ich
bleibe aktiv. Ich habe den Keller und den Estrich aufgeräumt, ich habe die
Buchhaltung nachgeführt, ich habe die Fan-Post sortiert und Zeitungsartikel eingeordnet.
Jetzt kommt der Frühling, und da gibt es in unserem schönen Garten viel zu tun.
Und im Sommer verbringen wir viel Zeit auf unserem Schiff auf dem Bodensee. Wir
müssen nicht weit ins Ausland reisen.
Was
könnte Ihnen ohne Bühne fehlen?
Ich bin
als Bühnenkünstler auch etwas müde geworden. Es gab in den 50 Jahren auf der
Bühne so viel Applaus und Standing Ovations, dass das noch lange nachhallen
wird. Wenn mir das Publikum fehlen sollte, kann ich ja den Enkeln ein
«Guetnachtgschichtli» erzählen. Ich kann auch am Stammtisch oder auf dem Boot
einmal einen geselligen Abend erleben. Einfach ohne Caroline! Das Thema ist
abgeschlossen.
Wer
oder was hat Sie besonders geprägt?
Zuerst
mein Elternhaus. Ich hatte eine super-schöne Jugendzeit, verlor aber die Eltern
schon früh, die Mutter mit 49 an Krebs, den Vater mit 59 nach einem Schlaganfall.
Sie gaben mir vor allem Anstand, Ordnungsliebe und Pünktlichkeit mit. Und
Dankbarkeit. Als Bühnenkünstler hat mich Kurt Felix besonders geprägt. Er hat
mich 1977 bei einem «Bernhard-Apéro» in Zürich entdeckt und mir dann zu einem
Auftritt im «Teleboy» verholfen. Danach wurde ich in kurzer Zeit für 150
Auftritte gebucht.
Wie
kamen Sie überhaupt zum Bauchreden?
Mit 20
musste ich mich in St. Gallen für die Rekrutenschule stellen. Der Militärarzt
sagte mir am Schluss: «Sie atmen nicht richtig. Sie atmen beim Reden ein statt
aus. Das kann es geben, wenn man im Stress ist.» Kurz darauf machte mich ein
Lehrer der Artistenkinder aus dem Circus Knie auf ein englisches Buch über die
Bauchredekunst aufmerksam. Ich studierte es und machte dann bald vor dem
Spiegel mit einem Putzlappen die ersten Gehversuche als Bauchredner.
Zwei
Schlaganfälle, Prostatakrebs, Herzoperation: Warum wohl haben Sie diese
Tiefschläge so gut überstanden?
Ich konnte
immer positiv bleiben. Alle Ärzte, die mich behandelt haben, sagten jeweils,
sie hätten noch selten einen so positiv denkenden Menschen erlebt. Ich habe nie
den Kopf in den Sand gesteckt und gegrübelt. Ich durfte gerade nach den
Schlaganfällen gleich wieder auf Tournee. Das war wie Balsam für mich.
Auch
Ihre Frau Ruth hatte Krebs.
Wir haben
das miteinander durchgestanden. Auch sie hat nicht einfach geheult. Wir wollten
miteinander vorwärtsschauen. Wir haben die Krankheit auch ein wenig verdrängt.
Es hat funktioniert.
Sind
Sie durch diese grossen Krisen Gott nähergekommen?
Ja,
bestimmt. Als ich auf der Intensivstation lag und an den Schläuchen hing, habe
ich plötzlich angefangen zu beten. Das waren Stossgebete, aber auch Dankgebete.
Ich habe Gott einfach «Merci villmol» gesagt, wenn der Arzt zufrieden war. Ich
dachte: «Da hat der Herrgott auch mitgeholfen. Vielleicht will er den Kliby
weiter leben lassen, um den Menschen Freude zu machen.» Das habe ich bis jetzt
noch gar niemandem erzählt.
Irgendwo
haben Sie also beten gelernt.
Das war
natürlich im Elternhaus, vor allem zusammen mit meiner Mutter. Meine Mutter war
sehr gläubig und hat mich in meinem Glauben geprägt. Auch die Schwestern meiner
Mutter waren sehr fromm. Eine Tante war völlig geschockt, als sie hörte, dass
ich eine Reformierte heirate. Sie nahm mich im Toggenburg, wo sie wohnte, auf
die Seite und fragte mich: «Was meint wohl der Herrgott dazu, wenn du eine
reformierte Frau heiratest?» Ich sagte ihr nur: «Weisst du, Trudi, das werde
ich mit dem Herrgott selber besprechen.» Das hat sie akzeptiert.
Der Glaube schenkt mir innerlich Ruhe, Kraft und Hoffnung, eben auch Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod.
Wie
pflegen Sie den Kontakt mit Gott?
Ich kann
manchmal gut reden mit Gott, gerade auch in der Natur. Ich sage ihm auch meine
Zweifel und frage ihn: «Warum lässt du das zu?» Ich konnte es nicht verstehen,
warum meine Eltern so früh sterben mussten. Mir scheint auch, es wird immer
schlimmer auf der Welt. Und da hätte ich manchmal gerne klarere Antworten von
Gott.
(seufzt) Darf ich den Joker wählen? – Ja, beschwerliche Tage können kommen. Das weiss ich. Ich hoffe, dass die Beschwerden im Rahmen bleiben und dass ich mein fröhliches Gemüt behalten darf.
Wofür
sind Sie Gott besonders dankbar?
Dass ich
nach meinen gesundheitlichen Rückschlägen wieder jeden Tag gesund aufstehen
kann. Dafür danke ich dem Herrgott sehr. Und ich danke ihm für meinen Schatz,
für meine Frau Ruth, und unsere lange Ehe. Das ist gerade im Showbusiness nicht
selbstverständlich. Für unsere Liebe und Treue. Und für die Gespräche über Gott
und die Welt, die ich mit ihr führen darf.
Urs Kliby:
Jahrgang
1950, aufgewachsen in St. Gallen, 44 Jahre verheiratet mit Ruth, 1 Sohn, 5
Enkelkinder, wohnhaft in Kreuzlingen TG. Gelernter Zolldeklarant, arbeitete
einige Jahre am Billettschalter der SBB in Konstanz. Wurde zusammen mit seiner
vorwitzigen Eselpuppe Caroline bald zum gefeierten Bühnenkünstler. Trat in den
grössten TV-Shows wie «Teleboy», «Wetten, dass…?» und «Verstehen Sie Spass?»
auf und moderierte als Nachfolger von Jürg Randegger die Sendung
«Donnschtig-Jass». Mit 20 Gold-, 12 Platin- und einem «Diamant Award» für eine
Million verkaufte Tonträger ausgezeichnet.
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Datum: 08.04.2021
Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: IDEA Schweiz