Bauchredner Urs Kliby

«Auf der Intensivstation begann ich zu beten»

«Jo waaa!» Der laut nachhallende Ausruf der Eselpuppe Caroline ist verstummt. Top-Bauchredner Urs Kliby hat sich mit 70 von der Bühne verabschiedet. Nun sprach er im idea-Magazin offen über seine Ängste, seine Krisen und seinen Glauben.
Urs Kliby und seine Eselpuppe Caroline (Bild: idea Schweiz)

Welches ist der wahre «Kliby»: der Heitere, der Unterhaltsame oder der Ernste, der Nachdenkliche?
Urs Kliby:
Es gibt beide Seiten. Auf der Bühne bin ich der Heitere. Zu Hause jedoch bin ich nicht immer lustig. Da gehe ich auch einmal in mich und bin nachdenklich.

Am 24. Dezember wurden Sie 70. Ein schwieriger Tag?
Plötzlich 70 – das hat mich überhaupt nicht gestört. Es tat ja nicht weh. Der Tag hatte für mich keine besondere Bedeutung. «Moll», gestört hat mich, dass ich kein Fest machen konnte. Viele Freunde haben immerhin angerufen. Ich hatte noch nie so viele Telefonanrufe.

Wovor haben Sie als älterer Mensch Angst?
Wenn es Richtung Demenz ginge, dann hätte ich schon Angst. Ich hatte schon einige gesundheitliche Rückschläge. Ich hatte zwei Schlaganfälle, Prostatakrebs, eine Herzoperation mit vier Bypässen. Manchmal habe ich ein wenig Angst vor einem Rückfall. Komische Gefühle bleiben. Kürzlich standen an einem Tag gleich vier Todesanzeigen von Freunden und Kollegen in der Zeitung. Das war ein Schlag für mich.

Sie fürchten sich vor dem Tod?
Ich bin gerne am Leben. Aber Angst habe ich eigentlich nicht. Als gläubiger Mensch freue ich mich auf ein ewiges Leben, auf den Himmel. Ich hoffe, dann auch einige verstorbene Angehörige wiedersehen zu können.

Sie traten nun nach 50 Jahren auf der Bühne zusammen mit Ihrer Caroline in den Ruhestand. Ihre Bilanz?
Ich durfte eine wahnsinnige Karriere erleben, ohne Skandale und missglückte Auftritte. Es gab Veranstalter, die mich alle zehn Jahre zum Firmenjubiläum gebucht haben. Es war eine erfüllte Karriere, für die ich enorm dankbar bin. Leider war ich nicht immer gesund, aber ich durfte ein Stehaufmännchen sein.

Wo wird Caroline den Ruhestand verbringen?
Sie macht gerade Ferien. Sie wohnt seit wenigen Tagen in einer Vitrine des Historischen Museums des Kantons Thurgau in Frauenfeld. Ende März wurde dort die Ausstellung «Thurgau Köpfe – tot oder lebendig» eröffnet und noch bis Ende Oktober gezeigt. Danach geniesst sie zu Hause mit mir den Ruhestand.

Welchen Sinn macht das Leben jetzt noch für Sie?
Ich bleibe aktiv. Ich habe den Keller und den Estrich aufgeräumt, ich habe die Buchhaltung nachgeführt, ich habe die Fan-Post sortiert und Zeitungsartikel eingeordnet. Jetzt kommt der Frühling, und da gibt es in unserem schönen Garten viel zu tun. Und im Sommer verbringen wir viel Zeit auf unserem Schiff auf dem Bodensee. Wir müssen nicht weit ins Ausland reisen.

Was könnte Ihnen ohne Bühne fehlen?
Ich bin als Bühnenkünstler auch etwas müde geworden. Es gab in den 50 Jahren auf der Bühne so viel Applaus und Standing Ovations, dass das noch lange nachhallen wird. Wenn mir das Publikum fehlen sollte, kann ich ja den Enkeln ein «Guetnachtgschichtli» erzählen. Ich kann auch am Stammtisch oder auf dem Boot einmal einen geselligen Abend erleben. Einfach ohne Caroline! Das Thema ist abgeschlossen.

Wer oder was hat Sie besonders geprägt?
Zuerst mein Elternhaus. Ich hatte eine super-schöne Jugendzeit, verlor aber die Eltern schon früh, die Mutter mit 49 an Krebs, den Vater mit 59 nach einem Schlaganfall. Sie gaben mir vor allem Anstand, Ordnungsliebe und Pünktlichkeit mit. Und Dankbarkeit. Als Bühnenkünstler hat mich Kurt Felix besonders geprägt. Er hat mich 1977 bei einem «Bernhard-Apéro» in Zürich entdeckt und mir dann zu einem Auftritt im «Teleboy» verholfen. Danach wurde ich in kurzer Zeit für 150 Auftritte gebucht.

Wie kamen Sie überhaupt zum Bauchreden?
Mit 20 musste ich mich in St. Gallen für die Rekrutenschule stellen. Der Militärarzt sagte mir am Schluss: «Sie atmen nicht richtig. Sie atmen beim Reden ein statt aus. Das kann es geben, wenn man im Stress ist.» Kurz darauf machte mich ein Lehrer der Artistenkinder aus dem Circus Knie auf ein englisches Buch über die Bauchredekunst aufmerksam. Ich studierte es und machte dann bald vor dem Spiegel mit einem Putzlappen die ersten Gehversuche als Bauchredner.

Zwei Schlaganfälle, Prostatakrebs, Herzoperation: Warum wohl haben Sie diese Tiefschläge so gut überstanden?
Ich konnte immer positiv bleiben. Alle Ärzte, die mich behandelt haben, sagten jeweils, sie hätten noch selten einen so positiv denkenden Menschen erlebt. Ich habe nie den Kopf in den Sand gesteckt und gegrübelt. Ich durfte gerade nach den Schlaganfällen gleich wieder auf Tournee. Das war wie Balsam für mich.

Auch Ihre Frau Ruth hatte Krebs.
Wir haben das miteinander durchgestanden. Auch sie hat nicht einfach geheult. Wir wollten miteinander vorwärtsschauen. Wir haben die Krankheit auch ein wenig verdrängt. Es hat funktioniert.

Sind Sie durch diese grossen Krisen Gott nähergekommen?
Ja, bestimmt. Als ich auf der Intensivstation lag und an den Schläuchen hing, habe ich plötzlich angefangen zu beten. Das waren Stossgebete, aber auch Dankgebete. Ich habe Gott einfach «Merci villmol» gesagt, wenn der Arzt zufrieden war. Ich dachte: «Da hat der Herrgott auch mitgeholfen. Vielleicht will er den Kliby weiter leben lassen, um den Menschen Freude zu machen.» Das habe ich bis jetzt noch gar niemandem erzählt.

Irgendwo haben Sie also beten gelernt.
Das war natürlich im Elternhaus, vor allem zusammen mit meiner Mutter. Meine Mutter war sehr gläubig und hat mich in meinem Glauben geprägt. Auch die Schwestern meiner Mutter waren sehr fromm. Eine Tante war völlig geschockt, als sie hörte, dass ich eine Reformierte heirate. Sie nahm mich im Toggenburg, wo sie wohnte, auf die Seite und fragte mich: «Was meint wohl der Herrgott dazu, wenn du eine reformierte Frau heiratest?» Ich sagte ihr nur: «Weisst du, Trudi, das werde ich mit dem Herrgott selber besprechen.» Das hat sie akzeptiert.

Warum glauben Sie an Gott?
Der Glaube schenkt mir innerlich Ruhe, Kraft und Hoffnung, eben auch Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod.

Wie pflegen Sie den Kontakt mit Gott?
Ich kann manchmal gut reden mit Gott, gerade auch in der Natur. Ich sage ihm auch meine Zweifel und frage ihn: «Warum lässt du das zu?» Ich konnte es nicht verstehen, warum meine Eltern so früh sterben mussten. Mir scheint auch, es wird immer schlimmer auf der Welt. Und da hätte ich manchmal gerne klarere Antworten von Gott.

In Ihrem Steckbrief sagen Sie: «Glück ist, wenn man gesund sein darf.» Im Prediger-Buch von Salomo lesen wir von «beschwerlichen Tagen im Alter, an denen wir keine Freude mehr am Leben haben». Wo bleibt das Glück in «beschwerlichen Tagen»?
(seufzt) Darf ich den Joker wählen? – Ja, beschwerliche Tage können kommen. Das weiss ich. Ich hoffe, dass die Beschwerden im Rahmen bleiben und dass ich mein fröhliches Gemüt behalten darf.

Wofür sind Sie Gott besonders dankbar?
Dass ich nach meinen gesundheitlichen Rückschlägen wieder jeden Tag gesund aufstehen kann. Dafür danke ich dem Herrgott sehr. Und ich danke ihm für meinen Schatz, für meine Frau Ruth, und unsere lange Ehe. Das ist gerade im Showbusiness nicht selbstverständlich. Für unsere Liebe und Treue. Und für die Gespräche über Gott und die Welt, die ich mit ihr führen darf.

Urs Kliby:

Jahrgang 1950, aufgewachsen in St. Gallen, 44 Jahre verheiratet mit Ruth, 1 Sohn, 5 Enkelkinder, wohnhaft in Kreuzlingen TG. Gelernter Zolldeklarant, arbeitete einige Jahre am Billettschalter der SBB in Konstanz. Wurde zusammen mit seiner vorwitzigen Eselpuppe Caroline bald zum gefeierten Bühnenkünstler. Trat in den grössten TV-Shows wie «Teleboy», «Wetten, dass…?» und «Verstehen Sie Spass?» auf und moderierte als Nachfolger von Jürg Randegger die Sendung «Donnschtig-Jass». Mit 20 Gold-, 12 Platin- und einem «Diamant Award» für eine Million verkaufte Tonträger ausgezeichnet.

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Datum: 08.04.2021
Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: IDEA Schweiz

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