200. Todestag

Matthias Claudius: Viel mehr als «Der Mond ist aufgegangen»

Wer heute Autor eines «One-Hit-Wonders» ist, träumt zwar vergeblich vom kontinuierlichen Erfolg, kann aber oft davon leben. Bei Matthias Claudius, der vor 200 Jahren in Hamburg starb, ist es andersherum: bekannt (und verkannt!) ist er seit seinen Lebzeiten, von seiner literarischen Arbeit leben konnte der Dichter, Journalist und bekennende Christ aber nie.
Mit dem Gedicht «Der Mond ist aufgegangen» wurde Claudius berühmt.

Der 1740 geborene Pfarrerssohn gilt für viele als Inbegriff des naiven, frommen Romantikers und Dichters. Claudius' bekanntestes Gedicht ist zweifellos «Der Mond ist aufgegangen». Das mit Abstand berühmteste deutsche Gedicht wurde über 70 mal vertont – von Franz Schubert bis Herbert Grönemeyer – und läuft allem, was Schiller und Goethe verfasst haben, spielend den Rang ab.

Der Wandsbeker Bote

Noch als Junggeselle zog Matthias Claudius nach Wandsbek bei Hamburg. Dort arbeitete er als einziger Redaktor der Zeitung «Wandsbeker Bote». Viermal wöchentlich erschien das schmale Blatt mit Beiträgen zur Politik, Kalendergeschichten, Tipps, Gedichten. Spätestens mit seiner Hochzeit und der Geburt seiner Kinder reichte das Einkommen hinten und vorne nicht mehr, doch seine Freiheit und Unabhängigkeit waren Claudius wichtiger. Fünf Jahre lang gab er den «Wandsbeker Boten» heraus, stiess damit Diskussionen an, wurde national und international wahrgenommen und publizierte seine Gedichte. Er hatte nur 400 Abonnenten, aber seine Stimme erreichte «die ganze Welt».

Aus Überzeugung kein Pfarrer

Matthias Claudius stammte aus einer Pfarrerdynastie. Er beherrschte Latein, Griechisch und Hebräisch, hatte auch begonnen, Theologie zu studieren, brach aber ab. Oft werden dafür gesundheitliche Gründe genannt, doch die Ursachen dafür scheinen tiefer zu liegen. Schon im Studium lehnte er es ab, sich durch Professoren von der Kanzel her belehren zu lassen. Er hielt es mehr mit dem Johannesevangelium und seinen lyrischen Aussagen: «Der Wind weht, wo er will.» Aufklärerische wissenschaftliche Theologie war ihm dagegen suspekt. Wahrscheinlich wollte er sich auch seinen persönlichen Glauben nicht kaputt machen lassen.

Was nun Claudius' eigentlicher Beruf war, ist viel schwerer zu beantworten – jedenfalls nicht Dichter. Seiner Profession ging er meistens nebenberuflich nach, manchmal mit Unterstützung von Mäzenen. Tatsächlich arbeitete er als Militärverwalter, Sekretär, Nachrichtenredakteur, Oberlandeskommissarius, Rezensent, Erzieher, Gärtner, Übersetzer, politischer Kolumnist und Zeitschriftenherausgeber.

Genauer wusste Claudius schon, was er nicht konnte und wollte. So bewarb er sich einmal um eine Stelle und schrieb direkt ins Bewerbungsschreiben, dass «man zwar willig sei, aber nicht genau wisse, was man könne, nur eins sei sicher: Zum Rädchen im Getriebe tauge man nicht.»

Familienmensch und innerlicher Christ

Zum 200. Todestag würdigte der holsteinische Bischof Gothart Magaard laut Nachrichtenmagazin idea den Dichter: «Nicht Taten waren sein Reich, sondern Worte. Und was er dabei zu Papier brachte, das ist so schön, so zu Herzen gehend und gültig, dass wir diese Worte nach 200 Jahren immer noch lieben, sie gerne singen und weitersagen.» Claudius habe immer den Einzelnen im Blick gehabt: «Er wusste, dass alles Belehren wertlos bleibt, wenn es nicht auf die Person und das Einzelschicksal bezogen wird.» Der elffache Vater vergass nie das Kleine und Schutzbedürftige – «nicht den Schmerz des ersten Zahns, nicht die Tränen des Sklaven, nicht 'den kranken Nachbarn auch'.»

Es ist nicht zuletzt diese Sicht auf den Menschen, die Verbindung von Glaube und Alltag, seine Erdung in der Familie, die Claudius bis heute so sympathisch macht.

Claudius für heute

Sicher gehört Matthias Claudius zu den bekannten deutschsprachigen Dichtern, doch wie zeitgemäss ist er noch – 200 Jahre nach seinem Tod? Einer seiner Biografen, der Musikhistoriker Martin Geck, konterte auf diese Frage beim Deutschlandfunk: «Muss man zeitgemäss sein, um etwas zu sagen zu haben? Die einfachen christlichen Wahrheiten waren immer zeitgemäss.» Viele Themen, die Claudius anspricht, sind nach wie vor aktuell: Entschleunigung des Lebens, Liebe zur Schöpfung, Engagement für den Frieden (z.B. im Gedicht «S'ist Krieg») und nicht zuletzt die Frage nach einem Gott, der Raum in unserem alltäglichen Leben hat.

Datum: 28.01.2015
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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