«Unsere Gesellschaft leidet an einem Mangel an Vision»
Als Lukas Spinnler (51) acht Jahre alt war, hatte sein Vater einen Hirnschlag und war in der Folge einseitig gelähmt. Zuvor war der Vater ein aktiver Mann gewesen und hatte ein eigenes Geschäft. Was blieb ihm denn jetzt noch vom Leben? Das war das erste Mal, dass Lukas mit der Sinnfrage des Lebens konfrontiert wurde.
Wie die Sinnfrage im eigenen Leben geklärt wurde
Lukas absolvierte eine Banklehre und durchlebte ein paar wilde Jugendjahre mit Partys und Drogenexperimenten. Mit 20 begann er aktiv in der Bibel zu lesen. Er glaubte, dass das Leben mehr bieten musste, als einfach Spass zu haben.
In diesen Jahren erkrankte er an Mumps, lag mehrere Wochen mit hohem Fieber im Bett und magerte regelrecht ab. «Als ich mich am Tiefpunkt angekommen sah, schrie ich zu Gott um Hilfe.» Das Gebet wurde erhört, Lukas wurde geheilt, auch frei von Nikotin und Cannabis. «Es war dieses erfahrene Heilungswunder, das mich ganz zu Jesus geführt hat», erzählt er. Erst nachdem er Jesus kennengelernt hatte, realisierte er, wie leer und sinnlos sein Leben bisher gewesen war. Von einem Tag auf den anderen war sein Leben erfüllt und sinnvoll. «Durch Jesus wurden meine Lebenswerte auf den Kopf gestellt.» Materielle Dinge und Vergnügen verloren an Bedeutung, die Beziehung mit Gott und den Mitmenschen wurde dafür umso wichtiger.
Nicht nur für sich selbst leben
Nachdem Lukas ein paar Jahre auf seinem Beruf gearbeitet hatte, fühlte er sich von Gott in die Sozialarbeit geführt. Er orientierte sich beruflich neu und absolvierte ein Studium an der Fachhochschule für Sozialpädagogik. Seit 20 Jahren arbeitet Lukas inzwischen in der Wohngemeinschaft Falkennest in Liestal (BL), ein sozialpädagogisches Wohnheim, welches er auch leitet. Hier arbeitet er mit jungen Erwachsenen mit Suchthintergründen und psychiatrischen Krankheitsbildern. Der Schwerpunkt liegt in der beruflichen Integration.
Besonders in der ersten Zeit seiner Tätigkeit nahm die Zahl der Klienten stark zu. Nach all diesen Jahren kann Lukas auf viele bereichernde Erfahrungen zurückblicken. Eines wurde ihm in diesen Jahren immer deutlicher bewusst: «Ein Mensch erhält erst dann echte Stabilität in seinem Leben, wenn die Sinnfrage geklärt ist.» Menschen müssen für mehr leben können als nur sich selbst. Sie brauchen einen Inhalt, für den sie leben können und der ihnen auch über ihren Tod hinaus Halt gibt.
Jesus gibt Antwort auf die tiefsten Sinnfragen
Dem Wohnheim werden von verschiedenen Ämtern Klienten zugewiesen. Die meisten von ihnen haben mit dem christlichen Glauben keine oder wenig Berührungspunkte. Doch sie alle leiden nebst den zerütteten Beziehungen unter der ungeklärten Frage nach dem Sinn in ihrem Leben. Obwohl die Arbeitsmethoden der Wohngemeinschaft sich an den fachlichen Richtlinien der Sozialpädagogik ausrichten, trifft Lukas immer wieder auf Menschen, die mehr über seinen Glauben erfahren wollen.
«Es sind immer die schönsten Momente meiner Tätigkeit, wenn sich ein Klient für Jesus zu öffnen beginnt», erzählt Lukas. Im Wohnheim gibt es keine christlichen Rituale. Wenn Bewohner aber echtes Interesse zeigen, sei er gerne bereit, sich in der Freizeit Zeit für ausführliche Gespräche zu nehmen. Um Hilfesuchenden besser unterstützen zu können, machte Lukas eine weitere Ausbildung zum Seelsorger / Berater. Er weiss, dass er mit seinen Kenntnissen als Sozialpädagoge Menschen begleiten und zu sinnvollen Schritten in Richtung Selbstwirksamkeit unterstützen kann. Aus seiner Sicht kann die tiefe Sehnsucht im Herzen jedoch erst in einer persönlichen Beziehung mit Jesus Christus gefunden werden.
Gemeinschaft erleben und Neuland entdecken
Heute ist Lukas 51 Jahre alt, seit 1998 verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von 17 und 19 Jahren. Die Erfahrung, Jesus als Lebensmittelpunkt und Antwort auf die tiefsten Lebenserfahrungen gefunden zu haben, ist für ihn jedoch zentral. Und er freut sich über die vielen Menschen, die ihn am Arbeitsplatz und auch in seiner christlichen Gemeinde umgeben, mit denen er seinen Glauben teilen kann. Die Tatsache, dass wir alle so durch und durch menschlich sind, lässt viel Raum für Barmherzigkeit.
«Für jeden Menschen ist entscheidend, die essenziellen Sinnfragen geklärt zu haben. Nur so erfährt eine Person die Sicherheit, um auch tiefgreifende Lebensstürme durchstehen zu können.» Immer wieder aufs Neue ist Lukas überwältigt zu sehen, wie sich Menschen verändern, nachdem sie sich für ein Leben mit Jesus entschieden haben. Wenn sie Gottes Liebe und Annahme praktisch erfahren, können sie endlich alte Fesseln loslassen und neue Perspektiven entwickeln. Sie brauchen sich nicht mehr über Leistung oder die Meinung anderer Menschen zu definieren.
Sinnfragen während der Coronakrise
In der aktuellen Coronakrise wird deutlich, wie viele Menschen von einer tiefen (Todes-)Angst geprägt sind. «Diese Angst ist spürbar, wenn ich mit dem Zug zur Arbeit fahre und sie existiert auch bei den Klienten in unserem Wohnheim.» Lukas glaubt, dass die Gesellschaft an einem grundsätzlichen Mangel an Lebensvision leidet. Die Leute leben oft für sich selbst, für ein angenehmes Leben, Komfort und Erfolg. «Persönliches Glück wird zunehmend mit egoistischem Verhalten gleichgesetzt. Die 'ICH AG' hat schon seit geraumer Zeit Hochkonjunktur.» Entsprechend besteht die Angst, all dies eines Tages zu verlieren. «Zu wissen, dass Gott zu einem steht und selbst über den Tod hinaus trägt, gibt Sicherheit. Das macht wohl den entscheidenden Unterschied zu jenen Menschen aus, die ohne diesen Anker im Himmel leben.»
Nein, die Coronakrise ist kein Grund für Hoffnungslosigkeit. Vielmehr ist sie eine Chance, sich den tiefen Sinnfragen des Lebens hinzuwenden und in dieser Zwangspause Jesus, den ultimativen Sinnstifter, zu entdecken.
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Datum: 28.04.2020
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet