Engagement für Kinder

Der Hoffnungsgeber

Timo Siggelkow hat ein Herz für Strassenkinder
Als Kind stand für Timo Siggelkow fest: Sozialarbeiter werde ich ganz sicher nicht. Heute lebt er darin seine Berufung für Strassenkinder.

Von Kindesbeinen an bekam Timo Siggelkow hautnah mit, was es bedeutet, sich um Menschen in schwierigen Lebenslagen zu kümmern. Sein Vater Bernd hatte das christliche Kinder-Hilfswerk «Die Arche» in Berlin gegründet. Die Familie lebte direkt auf dem Gelände der Arche. Timo wusste genau, was einem dieser Beruf alles abverlangen konnte. Von daher war er sich sicher: Sozialarbeit ist nichts für mich. Das ist mir zu anstrengend!

Gesucht: Ein erfüllender Beruf

Er sah seine Stärke eher im kreativen Bereich. Deshalb wollte er nach dem Realschulabschluss Mediengestalter werden. «Das war handwerklich ganz cool. Aber gegen Ende der Ausbildung habe ich gemerkt: So richtig erfüllt mich das nicht.» Timo beschloss, nochmal die Schulbank zu drücken, damit der Weg frei war für ein Kommunikationsdesign-Studium. Schon während des Abiturs begann er, als selbstständiger Mediengestalter zu arbeiten. Das funktionierte aber nicht so wie erhofft. «Ich habe immer gedacht, dass ich kreativ bin. Aber in der Realität sah es so aus, dass andere Leute das viel besser konnten als ich. Das hat mich erschüttert. Ich habe gemerkt: Ich bin dem Business nicht gewachsen.» Plötzlich war seine berufliche Zukunft komplett in Frage gestellt. Nach einem Gebet voller Hoffnungslosigkeit bekam er überraschend einen Anruf von seinem Vater. Er fragte, ob er in der Arche aushelfen und einige Computer anschliessen könnte. «Ich bin hin und hatte da einen richtig miesen Tag. Die Kinder waren super anstrengend. Ich konnte gar nicht die Arbeit machen, weil die mir ständig auf den Keks gingen. Aber erstaunlicherweise bin ich nach Hause und mir ging es irgendwie total gut.»

Durch dieses Erlebnis war das negative Bild, das er von Sozialarbeit hatte, mit einem Mal verschwunden. Rückblickend sagt er, dass das der Start in seine Berufung war. Zunächst dachte Timo aber, dass er weiter als Mediengestalter arbeiten sollte, nur eben bei einem Arbeitgeber, der im sozialen Bereich aktiv war. Schnell fand er einen entsprechenden Job. Kurze Zeit später zog es ihn doch zur Arche. Die erhoffte Zufriedenheit kehrte allerdings nicht ein. «Ich war dann an dem Punkt, an dem ich gemerkt habe, dass auch die Mediengestaltung in einer sozialen Einrichtung nicht das ist, was mich erfüllt, sondern tatsächlich die soziale Arbeit!»

Gefunden: Herausforderungen und Leidenschaft

In der Arche konnte er sich auch in diesem Bereich einbringen. Berufsbegleitend begann er das Studium für «Soziale Arbeit». Nach sechseinhalb Jahren im «Familienbetrieb», wie er die Arche nennt, war es Zeit für etwas Neues. Durch eine WG-Mitbewohnerin lernte er einen Streetworker von Strassenkinder e. V. kennen. Der erzählte ihm von seiner Arbeit mit wohnungslosen Kindern und Jugendlichen. Das faszinierte Timo. «Er fragte mich: ‚Hast du vielleicht Bock, meine Stelle zu übernehmen?‘ Und ich sagte: ‚Ja, warum nicht?‘» Spontan bewarb er sich.

Nur drei Wochen später fing er als Strassensozialarbeiter bei Strassenkinder e. V. an. Kurz darauf startete auch seine berufsbegleitende Ausbildung zum Psychotherapeuten. Eine sehr herausfordernde Zeit begann. An den Wochenenden Seminare, Lernen und Prüfungen, und in der Woche wurde er als Streetworker mit den heftigen Lebensgeschichten konfrontiert, die ihn manchmal an seine Grenzen brachten: «Wenn innerhalb der Familie sexuelle Gewalt vorliegt, man sich schützend vor die Kinder stellt und dann auch mit den Tätern sprechen muss. Oder wenn Klienten Drogen nehmen und so richtig abstürzen.»

Gebraucht: Ein starkes soziales Umfeld

Schon oft wurde Timo gefragt, wie er die Not, die er tagtäglich erlebt, überhaupt aushalten kann. «Je prekärer die Lage ist, desto besser muss man innerlich aufgestellt sein. Man muss Ressourcen haben, die man aktivieren kann. Zum Beispiel ein stabiles soziales Umfeld, eine gesunde Partnerschaft. Obwohl ich Psychotherapeut und Sozialarbeiter bin und viel Handwerkszeug vermittelt bekommen habe, würde ich nicht in dem Bereich arbeiten, wenn ich kein Christ wäre. Es ist gut zu wissen, dass da jemand ist, der grösser ist als die Probleme. Der Glaube ist mein Kraftspender, mein fester Anker, mein Fundament und Hoffnungsgeber.»

Seit acht Jahren arbeitet Timo für Strassenkinder e. V. «und das auch sehr gerne!», betont er. Seit einiger Zeit ist er im Kinder- und Jugendhaus BOLLE in Berlin-Marzahn tätig, einem Freizeit- und Bildungsangebot, das aktiv gegen Kinder- und Bildungsarmut vorgeht und unterschiedlichste Programme anbietet. Kinderschutz und Projektmanagement sind seine Schwerpunkte. Er nimmt an Eltern- und Konfliktgesprächen teil und begleitet die Kolleginnen und Kollegen bei Kinderschutzanliegen. Nebenberuflich arbeitet Timo einen Tag in der Woche als Psychotherapeut in einer Praxis. Sein Masterstudium mit Schwerpunkt Familienförderung hat er vor gut vier Jahren begonnen. Unter anderem wegen Babypausen konnte er es noch nicht beenden. Nach Feierabend wartet seine Familie auf ihn. Wie gut, dass seine Frau grösstes Verständnis hat für seinen arbeitsintensiven und fordernden Job. Schliesslich war sie es, die Timo damals zum Vorstellungsgespräch bei Strassenkinder e. V. eingeladen hat. Seit sechs Jahren sind sie verheiratet und haben zwei Kinder.

Trotz aller Herausforderungen fühlt sich der 33-Jährige beruflich jetzt genau am richtigen Platz. «Ich bekomme zurückgemeldet, dass das, was ich als Sozialarbeiter und auch als Therapeut tue, ankommt. Ich erlebe, dass sich Menschen und Familien verändern, wenn ich mit ihnen durch dick und dünn gehe. Und wenn es für sie dann doch mal wieder hart kommt, zerbrechen sie nicht gleich daran, sondern wissen sich getragen. Klienten bedanken sich und können sich wieder an positiven Verläufen freuen. Das ist für mich die absolute Berufung.»

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Datum: 15.06.2024
Autor: Sabine Langenbach
Quelle: Magazin MOVO 02/2024, SCM Bundes-Verlag

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