Quicklebendig

Die Freude, am Leben zu sein

Was unterscheidet eigentlich Tote von Lebendigen? Kerstin Hack stellt diese Frage um herauszufinden, ob und wo Menschen am Leben vorbei leben. 
Springender Mann


Frage dich nicht, was die Menschheit braucht. Frage dich, was dich lebendig macht, und dann gehe hin und tue es. Denn die Menschheit braucht nichts so sehr wie Menschen, die lebendig geworden sind. — Howard Thurman

Wer mich kennt, kennt dieses Zitat. Es hängt in meinem Büro. Ich habe es auf Postkarten drucken lassen. Und ich zitiere es immer wieder, auch wenn ich noch immer nicht genau weiss, von wem es tatsächlich stammt. Es wird neben dem Theologen Thurman auch Gill Baine und Carlos Castanedas zugeschrieben.

Unlebendige Menschen

Mir ist das fast egal. Was mir nicht egal ist, ist, wenn ich sehe, dass Menschen am Leben vorbeileben. Es gibt nur wenige Dinge, die mich so traurig machen, wie Menschen zu sehen, die nicht im Innersten lebendig sind. Menschen, in denen etwas abgestorben ist. Menschen, die nur noch funktionieren, aber deren Inneres wie eingefroren scheint und deren Mimik kaum mehr Regung zeigt. Menschen, die wie Leichen wirken, obwohl sie leben.

Es ist vielleicht etwas morbid, aber ich habe mir mal überlegt, was eine Leiche von einem lebendigen Menschen unterscheidet. Wenn jemand stirbt, drückt man ihm als erstes die Augen zu. Er sieht nichts mehr. Ein lebendiger Mensch hingegen kann sehen. Nicht nur mit den Augen, sondern auch mit dem Herzen. Was fürs Sehen gilt, gilt natürlich auch für alle anderen Sinne: Hören, Schmecken, Riechen, Fühlen/Tasten. Ein Toter hat keinen Sinn mehr für die Eindrücke, die das Leben bietet. Ein lebendiger Mensch hingegen nimmt die Eindrücke auf, die sich ihm durch die fünf Sinne erschliessen. Er geniesst, was er wahrnimmt.

Einige Stunden nach dem Tod tritt die Leichenstarre ein. Der Mensch bewegt sich nicht mehr und seine Glieder können nicht mehr bewegt werden. Ein lebendiger Mensch ist beweglich in Körper und Geist. Er lässt sich auf Begegnung ein, begibt sich an neue Orte, geht auf Menschen zu. Und schliesslich wird der Mensch beerdigt – meist ausserhalb von Wohngegenden. Es gibt eine Distanz zwischen ihm und den Lebenden. Tote sind in Distanz. Lebendige hingegen erleben Nähe. Sie geniessen es, anderen Menschen nahe zu sein. Sie lassen innere und äussere Berührung zu.

Diese Vergleichsliste ist sicher nicht umfassend. Aber sie kann bei einem Lebendigkeits-Check-up helfen. Sie können sich fragen:

  • Wie intensiv erlebe ich, was mich umgibt?
  • Nehme ich mit meinen Sinnen die Schönheit und Vielfalt der Welt wahr und auf?
  • Bin ich innerlich und körperlich beweglich?
  • Erlebe ich Nähe zu und mit anderen?

Wenn Sie merken, dass Ihnen das Leben ein Stück weit abhanden gekommen ist, können Sie wieder Raum fürs Lebendigsein schaffen. Sie können sich überlegen, was dazu beitragen könnte, dass Sie sich wieder lebendig fühlen. Oft ist Freiraum hilfreich. Manchmal ist es nötig, sich selbst die Erlaubnis zu geben, manches scheinbar Wichtige nicht zu tun und stattdessen das Leben zu geniessen.

Oder auch Sorgen und Belastendes abgeben – zum Beispiel im Gespräch mit einem Menschen oder im Gebet, um auch innerlich wieder Raum zu schaffen, Schönes wahrzunehmen.

Praxistipps

Überlegen Sie: In welchen Situationen erleben Sie sich als besonders lebendig? Was zeichnet diese Momente aus? Notieren Sie sich Orte, Veranstaltungen und Menschen, die Ihnen das Gefühl schenken, quicklebendig zu sein. Nutzen Sie sie, um besonders lebendige Momente zu planen.

Skala: Auf einer Skala von 1 (wenig) bis 10 (viel) – wie lebendig fühlen Sie sich derzeit? Was könnten Sie tun, um mehr Lebendigkeit zu spüren?

Zum Thema:
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Datum: 16.11.2019
Autor: Kerstin Hack
Quelle: Jesus.ch

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