Steigert positives Denken die Lebensqualität?
Wer demnach positive Lebenseinstellungen wie Neugier, Dankbarkeit, Optimismus, Humor und Enthusiasmus regelmässig übe, steigere sein geistiges Wohlbefinden, berichten die Psychologen um Willibald Ruch von der Universität Zürich.
Glücksempfinden trainieren?
Dass positive Lebenseinstellungen mit psychischem Wohlbefinden in Beziehung stehen, haben bereits viele Studien gezeigt. Dass sie sich aber ursächlich auf die Lebenszufriedenheit auswirken und dass ihr Training eine Steigerung des Wohlbefindens zur Folge hat, wollen Willibald Ruch und seine Kollegen wissenschaftlich belegt haben.
Charakterstärken und ihre Beziehung zum Wohlbefinden sind ein wichtiges Forschungsfeld der sogenannten Positiven Psychologie. Dieser Ansatz hat sich zum Ziel gesetzt, herauszufinden, was das Leben lebenswert macht.
Die andere Seite
Wer sich zu positivem Denken zwingt, sei anfällig für Depressionen, behauptet hingegen der Heidelberger Psychotherapeut Arnold Retzer. Weshalb? Die Technik des «positiven Denkens» bestehe in erster Linie in einer Art Autosuggestion, das In-sich-hinein-Sprechen von positiven Sätzen könne sich fatal auswirken, wenn die Wunschvorstellungen sich nicht erfüllen.
Auch der Psychotherapeut Günter Scheich kritisiert in seinem Buch «Positives Denken macht krank» diesen Aspekt: «Die Lehre vom ‘positiven Denken’ definiert sich über die unreifen Ziele immerwährenden Glücks, immerwährender Harmonie und Gesundheit, sowie immerwährenden Reichtums. Diese Aussichten spechen besonders Menschen mit psychischen Problemen an, die durch die unweigerlich eintretenden Frustrationen und falschen Zielvorgaben noch weiter in ihre Krankheit getrieben werden».
«Verdrängungsmethode»
Günter Scheich nennt das «positive Denken» deshalb eine «pseudowissenschaftliche Verdrängungsmethode». Unglückliche Menschen seien auf der Suche nach der Lösung ihrer Probleme. Und «zur Erfüllung dieses Ziels sind zu viele bereit, einfachsten Erklärungsmustern zu folgen und sich dabei einlullen zu lassen – statt sich den Problemen zu stellen.»
Dass unsere Gedanken Kraft haben und jeder Gedanke – vor allem wenn er wiederholt gedacht wird – zur Verwirklichung drängt, kann man schon annehmen. Woher stammt aber eigentlich die Lebensphilosophie, dass wir uns durch positives Denken alle unsere Wünsche erfüllen können?
Gott will mein Glück
Mit welchem Recht behaupten viele Vertreter dieser Art von positivem Denken – wie der ehemalige Pfarrer Norman Vincent Peale –, dies sei gleich bedeutend mit dem «Willen Gottes»? Auch der «positive Denker» Dr. Joseph Murphy behauptete: «Ich weiss: Meine Herzenswünsche sind mir von Gott, der in mir wohnt, eingegeben. Gott will, dass ich glücklich bin.»
Auch hier kann man einerseits zustimmen: «Glück in Gott» haben Christen zu allen Zeiten immer wieder erfahren, auch als inneres Glück. Sie konnten sogar sagen: Das Leben in Gott ist Reichtum und Erfüllung einer inneren Sehnsucht.
Welche Kraft?
Das «Glück in Gott» ist jedoch nicht mit Haben-, Sein- und Besitzen-Wollen gleichzusetzen. Deshalb wollte Jesus auch nicht, dass wir nach materiellem Reichtum streben, was bei vielen Vertretern des «Positiven Denkens» aber ein vordringliches Anliegen ist. In der Technik des «positiven Denkens» liegt die Annahme, das Unterbewusstsein, das ganz wesentlich unser Verhalten (mit-)steuert, sei schon die Quelle der Kraft, sei sozusagen das Göttliche.
Bei der Bergpredigt zeigt Jesus einen anderen Weg als sich einfach in positiven Gedanken zu üben: die tägliche Arbeit an uns selbst, die allerdings von positiven Gedanken begleitet wird. Durch die Bereinigung der eigenen Fehlhaltungen und durch die Verwirklichung: «Was du willst, das die Menschen dir tun, das tue du ihnen zuerst» wird der Mensch innerlich glücklich und positiv gestimmt – so die «Goldene Regel» aus der Bergpredigt von Jesus.
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Datum: 30.10.2012
Autor: Bruno Graber
Quelle: Livenet