Gottes Stimme hören
Grundsätzlich gilt: Führung vollzieht sich in einem ganzen Geflecht von Vorgängen, die, erst wenn sie miteinander verbunden sind, göttliche Leitung ergeben. Einmal tritt dieser, dann jener Punkt mehr in den Vordergrund, aber entbehrlich ist keiner. Die Klarheit der Führung hängt vom Zusammenwirken der folgenden Faktoren ab:
1. Das Wort Gottes
Das Wort Gottes ist die Grundlage aller Führung durch Gott. Aus ihm heraus soll unser Leben gestaltet werden. Die Gesamtschau der Bibel zeigt uns die Wege:
- ihre Aussage über Jesus Christus,
- ihre Aussage über den Willen Gottes,
- ihre Offenbarung über den Menschen als Sünder,
- ihre Aussage über Jesus als Erlöser und Herrn.
Wer diese Grundlage verlässt, handelt häufig nur auf Gefühle und Meinungen hin und verfällt in Willkür und Einseitigkeiten. Um Leitung durch Gott zu erleben, muss man eine lebendige Beziehung zu Jesus Christus haben. Sonst ist der eigene Wille nicht unter der Herrschaft Gottes und wir erkennen seinen Willen nur undeutlich. Wer sein Leben Jesus Christus anvertraut hat, der hat auch den Heiligen Geist empfangen. Er führt nun. Jesus sagt: «Er wird euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe, und ihr werdet es verstehen» (Bibel, Neues Testament, Johannes 14,26).
2. Der Heilige Geist
Der Heilige Geist, der schon die Autoren der Bibel inspirierte, «übersetzt» uns ihre Worte in unsere aktuelle Situation. Ein Beispiel: «Liebt eure Feinde!» (Matthäus 5,44). Wen sollen wir also konkret lieben? Vielleicht jenen bestimmten Menschen, der uns wegen unseres Glaubens Schwierigkeiten macht. Und der Geist Gottes zeigt auch, wie sich diese Liebe in den Richtlinien Jesu praktisch verwirklicht. Wenn eine Bibelstelle in dieser Weise direkt zu uns redet, fehlt nur noch, dass wir ihr Folge leisten, also den Willen Gottes in diesem Bereich auch tun.
Manchmal leuchtet ein Wort aus der täglichen Bibellese in eine Situation – man «bekommt ein Wort». Natürlich darf man nicht einfach jede Bibelstelle, die in eine Lage hineinpasst, als eine Art Orakel nehmen und entscheidend sein lassen. Sie sollte geprüft und mit den anderen Faktoren zusammen gesehen werden.
Ebenso ist auch für die direkte «Eingebung» Prüfung nötig. Manche Leute sagen sehr leicht: «Mir ist klar geworden, dass ...» und erpressen damit vielleicht sogar ihre Mitmenschen. Haben sie wirklich geprüft, was von diesem Gedanken Gottes Wille und was ihr eigenes Wunschdenken ist? Der Kurzschluss einer allzu voreiligen Identifikation, einer naiven Gleichsetzung des göttlichen Plans mit den eigenen Wünschen, passiert schnell.
Andererseits sollten wir ruhig immer auch innere Ermutigung und deutliche Hinweise erwarten, in welche bestimmte Richtung wir nun vorwärts gehen sollen, zum Beispiel: «Welchen Menschen soll ich besuchen?», «Welche Aufgabe soll wahrgenommen werden?» Ebenso aber sollen wir Warnungen und Korrektur bei falschen Entscheidungen erwarten. «Geistesleitung» ist biblisch und vollzieht sich in vielfacher Weise (z. B. Simeon: Lukas 2,27; Paulus: Apostelgeschichte 16,6f).
3. Beratung durch andere
Wenn es um Entscheidungen besonders von grosser Tragweite geht, ist die Übereinstimmung mit anderen Christen, sind ihr Rat und ihr Einverständnis sehr wichtig. Wir selbst stehen unseren Wünschen oft zu nahe und dann fehlt häufig die nötige Sachlichkeit. Auch unsere Mitchristen werden durch den Geist Gottes geleitet. Und sie kennen uns oft besser als wir selbst. Eine Situation wird oft erst durch mehrere Personen gemeinsam angemessen erfasst. Wir sollten nicht meinen, allein alles richtig erkennen zu können und zu wissen.
Auf der anderen Seite gibt es auch Situationen, wo man auch gegen den Rat anderer etwas für Gott wagen muss, wenn einem dies in der Stille vor ihm klar geworden ist. Und doch ist es lieblos und unweise Geschwister vor vollendete Tatsachen zu stellen, die man völlig eigenmächtig entschieden hat. Solches Handeln hat schon viele Probleme verursacht. Gemeinsames Gebet und Stille zeigen oft den nächsten Schritt für den einzelnen wie für alle.
4. Der Verstand
Wer Gottes Willen erkennen will, sollte seinen Kopf nicht aus-, sondern einschalten – im Gehorsam gegenüber Jesus Christus (2. Korinther 10,5)! Auch der Verstand ist uns von Gott gegeben, um Situationen zu beurteilen. Etwas völlig Absurdes, Ausgefallenes ist (wenn auch manchmal) meist nicht der Wille Gottes. Manche Dinge kann man mit einem «gesunden Menschenverstand» besser beurteilen als mit einem «überzogenen Glauben». Eine Liste mit den unterschiedlichen Argumenten kann hilfreich sein zur Entscheidungsfindung, zum Beispiel: Was spricht dafür? Was spricht dagegen?
Es gibt natürlich auch Fälle, wo jemand auf Weisung Gottes hin einen Weg einschlug, der den meisten anderen sinnlos und dumm erschien. Charles Studd zum Beispiel, fuhr noch als kranker Mann in vorgerückten Jahren zu weiterem Missionsdienst nach Afrika – und eine segensreiche Missionsarbeit begann.
Leider ist es oft auch die «Vernunft» unserer Mitmenschen und ihr bürgerliches Sicherheitsdenken, die von Gehorsamsschritten abraten. Glaubenswege sind oft unvernünftig. Doch wenn unser Verstand vom Heiligen Geist erleuchtet ist, ist er zusammen mit den anderen Faktoren ein hervorragendes Werkzeug, den Weg Gottes zu finden. Deshalb sollten wir ihn eher schulen statt abwerten!
5. Die Umstände
Die Umstände liefern häufig ein wichtigen Hinweis auf das, was Gott will. Ob eine Tür offen oder geschlossen ist, kann eine Erlaubnis oder ein Hindernis durch Gott sein. Als William Booth nach Ost-London kam und das dortige Elend sah, brauchte er keine weitere Inspiration. Er wusste: «Hier ist mein Platz!» Und die Heilsarmee entstand.
Manche Menschen warten auf «besondere» Weisungen Gottes, anstatt das Nächstliegende zu tun, nämlich das, was ihnen eigentlich schon lange als notwendig klar ist. Geld zu geben, wo es notwendig ist, ist zum Beispiel eine einfache Pflicht. Hier muss man keine besondere Offenbarung erwarten. Allerdings ist nicht jede Not auch eine Berufung und nicht alles was getan werden muss, ist unsere Aufgabe.
Umstände können uns auch ganz spezielle Weisung erteilen. Der Geist Gottes will führen und man darf erfahren, was in der jeweiligen Situation richtig ist. «Wer bittet, der empfängt!» (Matthäus 7,8)
6. Das Gebet
Eine grosse Bedeutung für die Führung aus Gott hat das Gebet. Wer seine Beziehung zum ihm pflegt, erkennt leichter den Weg. Wer immer nur in Notfällen nach Gottes Willen fragt und sonst tut, was er selbst will, hat wenig Übung und Erfahrung, Führung zu erkennen. In der Stille kann Gebet zu Gott zum Dialog werden und wir vernehmen das sanfte Reden des Heiligen Geistes.
Vieles klärt sich erst durch stets wiederholtes Beten. Das ist ein Erziehungsweg Gottes. Er will uns lehren auch in den praktischen Fragen des Alltags stets nach seinem Willen zu fragen, denn das ist uns weithin unbekannt und ungewohnt. Frage vor allen Entscheidungen nach Gottes Willen und was er dazu meint: «Herr, was willst du?»
Dies geschieht gerade im persönlichen und gemeinsamen Gebet. Dort breitet man alles vor Gott aus und überlässt ihm die Führung. Die Hingabe unseres Eigenwillens ist ein entscheidender Punkt. Sonst geht es trotz allen Betens letztlich doch immer wieder nach unseren eigenen Wünschen.
Vieles klärt sich auch im Laufe der Zeit. Das Warten vor Gott bringt dann, wenn die Dinge reif sind, die Klarheit für den nächsten Schritt. Dies ist oft ein normalerer Weg, als alles sofort schlagartig erfassen zu wollen.
Natürlich gibt es auch eine schnelle, grundlegende Erkenntnis des Willens Gottes. Die Leitung durch den Geist Gottes ist uns auch für den Alltag zugesagt: «Er wird euch in alle Wahrheit führen» (Johannes 16,13). Das bedeutet, dass wir auch in einem Augenblick erkennen können, was zu tun ist. Wer sein Leben Gott zur Verfügung stellt und nach seinem Willen handeln will, wird im Alltag von ihm geleitet werden.
7. Gehorsam
Oft kommt man nicht weiter, weil man den nächsten Schritt, der einem schon klar geworden ist, nicht wagen will. Manche schieben auch Entscheidungen lange vor sich hin, aus Angst, einen Fehler zu begehen. Aber erst, wenn dieser bestimmte Schritt getan ist, wird Gott weitere Weisungen und Aufträge geben oder einen vielleicht falsch eingeschlagenen Weg korrigieren. Einen Weg erkennt man meist erst dann als richtig, wenn man beginnt, ihn zu gehen. Gott führt Schritt für Schritt; er kennt den Weg und das Ziel. Wir müssen ihn nicht mitbestimmen und kennen, ehe wir einwilligen und gehen. Ein einziger Schritt befreit häufig aus langem Warten und Zögern, das aus unserem Sicherheitsstreben kommt. Aber ein Gehorsamsschritt muss eben gewagt sein.
8. Besondere Zeichen
Viele erbitten sich ein bestimmtes Zeichen, um den Willen Gottes zu erkennen (siehe: Gideon in Richter 6). Das kann manchmal richtig sein. Wenn es unter der Führung des Heiligen Geistes und aus der inneren Erfassung der Situation heraus geschieht, also von Gott veranlasst ist, hat Gott schon oft und deutlich durch erstaunliche Erhörungen geantwortet.
Andererseits kann man sich längeres Warten und Ringen auf allzu einfache Weise durch ein Zeichen abkürzen wollen. Aber gerade diese Wartezeiten gebraucht Gott nicht selten, um unser egoistischen Streben zu zerbrechen und uns demütig und hingegeben werden zu lassen. Wir müssen unser Ich auch in seinen frommen und selbstsüchtigen Regungen immer wieder hinterfragen und erkennen. Wir können nicht für alles ein Zeichen beanspruchen, aber auch hier gibt es kein Schema. Durch diese Tatsache ist man immer neu auf Gott angewiesen.
9. Irrtum
Weil Menschen grundsätzlich Sünder sind besteht immer die Möglichkeit, dass der Wille Gottes trotz allen Fragens nur halb oder ganz falsch verstanden wird
(1 . Korinther 13,12). Christen sollten sich bewusst machen, dass auch sie noch immer begrenzt sind, um vor eiligen Kurzschlüssen und primitiven Gleichsetzungen mit Gott und seinem Willen bewahrt zu werden. Wir haben keinen Hotline in den Himmel an der Gott am anderen Ende stets sofort die Antwort gibt. Manchmal ist ein unsicheres Vorwärtsgehen nötig, um überhaupt einen Schritt weiter zu kommen. Gott kann uns korrigieren, wenn wir dafür offen sind. Der Umweg führt dann auf den ursprünglich geplanten richtigen Weg.
10. Mut
Jeder Christ hat schon erfahren, dass Gott immer wieder richtig führt und seine Ziele klar in Erscheinung treten und auch erreicht werden, wenn wir uns von ihm leiten lassen. Und manchmal erhalten wir eine erstaunliche innere Gewissheit: «Dieser Schritt ist richtig, den tue ich!» Im Allgemeinen dürfen wir Gott mehr zutrauen, als wir es meist tun. Wir müssen ihm einfach erklären: «Herr, du hast Mittel und Wege, uns deinen Willen deutlich zu machen!» Denn er selbst hat versprochen: «Ich will dich mit meinen Augen leiten!» (Psalm 32,8)
Die angeführten Thesen wurden nach Dr. Otto Riecker zusammengestellt. Riecker war evangelischer Pfarrer und gründete das Lebenszentrum Adelshofen.
Bücher zum Thema:
Gottes leise Stimme hören - wie Gott zu uns spricht
Kannst du mich hören? Auf Empfang sein, wenn Gott redet
Datum: 13.10.2012