Er entschlüsselt den Weg zum Glück
Wegen Corona herrscht nach wie vor in vielen Unternehmen Kurzarbeit. Wie beurteilen Sie das als Glücksforscher: Macht Kurzarbeit unglücklich?
Alexander Hunziker: Tendenziell schon. Da ist zunächst die
Reduktion des Einkommens und dann kommt auch noch die Angst vor dem
Arbeitsplatzverlust. Beide Faktoren sind ungünstig. Andererseits ist da auch
mehr Freizeit. Je nachdem, wie gut oder schlecht man sie zu nutzen weiss, kann
die Summe in beide Richtungen ausschlagen. In einer solchen Situation ist die
Lebenseinstellung besonders wichtig. Optimisten geniessen die Vorteile und
hoffen auf das Beste. Sie können sich wohl am ehesten über Kurzarbeit freuen.
Wie können Führungskräfte dazu beitragen, dass ihre
Mitarbeitenden glücklicher sind?
Führungskräfte können sehr viel tun: zuhören, fördern, coachen, Fairness walten
lassen, über den Sinn einer Arbeit sprechen, Mitarbeitenden etwas zutrauen,
Chancen geben, Grenzen setzen, Rollen klären, Freiräume und ein vertrauensvolles
Klima schaffen und vieles mehr. Natürlich muss dann jeder Einzelne sein Glück
in die eigenen Hände nehmen. Das bedeutet aber zum Beispiel auch, zu kündigen,
falls die vorgesetzte Person nichts von alledem umsetzt.
Am Forum 2020 haben Sie darüber referiert, inwiefern Geld als
Resultat der Arbeit glücklich macht. Macht Geld glücklich?
Es ist kompliziert. Es gibt gute Hinweise, dass Geld glücklich macht, und
ebenso gute, dass dies nicht der Fall ist. Es kommt auf die Bedingungen an und
der ökonomische und soziale Kontext spielt eine Rolle. So werden ärmere Menschen
glücklicher, wenn sie mehr Geld zur Verfügung haben, bei reicheren ist der
Effekt so gut wie nicht vorhanden – und wenn, dann ist er von kurzer Dauer.
Sie nennen zwei Aspekte, die wichtig sind, damit das
Arbeiten befriedigend ist: «Präsenz im Moment» und «Einsatz der eigenen Stärken».
Können Sie diese zwei Punkte etwas ausführen?
Läuft etwas schief, reagiert man manchmal mit Ärger. Das ist zwar irgendwie
schön, weil es zeigt, dass einem das Resultat nicht egal ist, aber Ärger ist
nur selten hilfreich und auf lange Sicht ungesund. Wer präsent im Moment ist,
spult nicht sein Ärgermuster ab, sondern schaut sich die Situation an, wie sie
ist, und überlegt, was das Beste ist, was man daraus machen kann. So führt
Präsenz im Moment zu besseren und auch zu mitfühlenderen Entscheidungen. Was
die Stärken anbelangt, so zeigt sich, dass jeder Mensch ein kleines Set von
Charakterstärken hat, die ihn oder sie ausmachen. Es ist so persönlich, dass man
auch von «Signaturstärken» spricht. Wenn man diese Signaturstärken öfter bei
der Arbeit einsetzt, ist man glücklicher – und erfolgreicher.
Sie sagen, dass es grundsätzlich einfach ist, glücklicher zu
werden. Wie lautet – kurz zusammengefasst – das Rezept?
Es ist gleichzeitig einfach und schwer. Einfach ist es, weil es eine Reihe von
simplen Übungen gibt, die man leicht auffinden und durchführen kann. Etwa,
jemandem einen Dankesbrief zu schreiben, häufiger zu lächeln oder ein Tagebuch der schönen Momente zu führen. Schwer ist es, weil es Selbstdisziplin braucht und alte Gewohnheiten durchbrochen werden müssen. Das kann man vielleicht mit einer Raucherentwöhnung vergleichen.
Sind Sie von Grund auf ein «glücklicher» Mensch oder mussten
Sie auch erst zu Ihrem Glück finden?
Ich hatte eine glückliche frühe Kindheit in einer intakten Familie. Dann hatte
ich aber auch Schwierigkeiten in der Jugend, aus denen ich nicht als
glücklicher junger Erwachsener hervorgegangen bin. Eines Tages habe ich festgestellt,
dass ich nicht so lebensfroh bin, wie ich es sein möchte, und habe beschlossen,
das zu ändern. Und dann habe ich die Ratschläge der Wissenschaft ernst
genommen. So habe ich die vorgängig erwähnten Übungen gemacht. Und ich habe das
Weiterentwickeln und Weitergeben dieses Wissens zu meinem Beruf gemacht. So
kann ich auf sinnvolle Art meine Stärken einsetzen.
Ganz allgemein: Welche Parameter machen in der Regel das Glücklichsein
hauptsächlich aus?
Da gibt es viele sehr wichtige Aspekte. Zwei möchte ich herausgreifen. Es gibt
einen genetischen Faktor. Man spricht nicht so oft darüber, da man ihn nicht
beeinflussen kann. Er dürfte aber erheblich sein. Nicht alle Menschen sind
gleichermassen glückbegabt. Als weiteren Faktor möchte ich die optimistische
Lebenseinstellung nennen. Sie hat nachweislich einen sehr starken Einfluss darauf,
wie man das Leben erlebt, und auch darauf, wie alt man wird oder wie gut man
sich von einem Herzinfarkt erholt. Optimismus ist weitgehend gut lernbar.
Eingefleischte Pessimisten werden das nicht glauben oder sind mindestens davon
überzeugt, dass jedes noch so gute Trainingsprogramm bei ihnen persönlich nicht
wirken würde. Wahrscheinlich haben sie recht. Aber vor allem darum, weil sie
den Erfolg durch ihre Haltung verunmöglichen. Insofern ist das, woran man
glaubt, ein wichtiger Glücksfaktor.
Wissenschaftliche Studien zeigen auf, dass sich der Glaube –
wenn auch in geringem Ausmass – positiv auf das persönliche Glück auswirkt.
Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen und Erkenntnissen?
In zahlreichen Studien ist belegt, dass es wichtig ist, Sinn zu finden in dem,
was man tut, und dass soziale Beziehungen eine grosse Bedeutung haben. Beides
wird durch die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft gefördert. Bei
Strenggläubigen, insbesondere wenn sie an einen strafenden Gott glauben, dürfte
der Effekt hingegen eher in die ungünstige Richtung zeigen. Ich vermute, dass
es verschiedene Arten von Gläubigkeit gibt, die mit den aktuellen Messmethoden
aber im selben Topf landen. Das könnte der Grund für die aktuelle Datenlage
sein.
Macht beten glücklich?
Auch diese Frage ist erstaunlich wenig untersucht und der Stand der Forschung
deutet eher auf ein Nein. Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass es da keinen
simplen Zusammenhang gibt. Verschiedene Randbedingungen dürften eine Rolle
spielen. Ich vermute, dass es wichtiger ist, wie jemand betet als zu welchem
Gott. Aber das ist Spekulation, es wurde meines Wissens nicht rigoros
untersucht.
Welche Frage im Zusammenhang mit Glück möchten Sie unbedingt
näher erforschen?
Der Mensch strebt nach Glück, seit es ihn gibt. Was mich immer wieder erstaunt,
ist, wie ungeschickt der Mensch darin ist, das zu veranstalten, was ihm seit
Urzeiten wichtig ist: Wir wissen so viel über das Glück und setzen davon immer
noch so wenig um. Was mich interessiert, ist, was wir tun können, damit wir uns
das vorhandene Wissen tatsächlich erschliessen. Wie können wir Unternehmen, aber
auch Familien, Vereine, Wohnquartiere und Schulen so gestalten, dass sie das
individuelle Streben nach tiefem Glück wirklich unterstützen? Ich habe keinen Zweifel,
dass sich Erkenntnisse auf diesem Gebiet auf allen Ebenen lohnen werden. Das
schliesst die ökonomische Ebene ebenso mit ein wie die spirituelle.
Zur Präsentation des Forums:
Zum Thema:
Suche nach dem Glück: Ein Leben im Überfluss
Ein erfülltes Leben: Glück – wirklich das höchste Ziel?
Rachel Hollis: Unser Glück liegt in unseren eigenen Händen
Datum: 04.10.2020
Autor: Cyrill Rüegger
Quelle: ideaSpektrum Schweiz