Eine Familie in Action

«Christliches Engagement war in unserer Familie immer normal»

Familie Grädel führt in Huttwil einen kleinen Bauernbetrieb mit grossem Wollfachhandel. Dabei erhalten Menschen mit Beeinträchtigung einen Job und manche Besucher eine sanfte Berührung eines liebenden Gottes.
Familie Grädel
Arbeiten auf dem Bauernbetrieb der Familie Grädel
Amos Grädel
Der Bauernhof von Familie Grädel

«Meine Eltern haben mir vorgelebt, die Türen für andere Menschen zu öffnen», erklärt Amos Grädel sein Engagement für Menschen, die unter irgendwelchen Einschränkungen leben. «Das war für mich immer normal. Bedürftigen Menschen unter die Arme zu greifen, ist genauso Teil meines Glaubenslebens geworden, wie Beten oder Gottesdienste.»

Menschen willkommen heissen

Soweit sich Amos erinnern kann, gab es nur wenig Mahlzeiten, bei denen die Familie allein am Tisch sass. Egal ob Vertreter, Handwerker, Lieferanten oder Mitarbeiter: Sie alle waren bei Grädels willkommen.

Das Willkommen-heissen beschränkte sich aber nicht nur auf den Esstisch. Amos' Vater begann früh, in dem Bauernbetrieb Menschen mit Beeinträchtigungen als Mitarbeiter anzustellen. In den 1990er Jahren bestand die Belegschaft schon aus zehn bis fünfzehn Personen – ein Teil davon hatte eine Behinderung, erholte sich von einem Burnout oder war sonst in irgendeiner Weise beeinträchtigt. «Menschen eine Chance zu geben, war in meiner Familie schon immer wichtig.» Heute arbeiten 27 Personen auf dem Betrieb mit. Das Anliegen, Schwächeren eine Chance zu geben, ist noch immer da.

Eine gute Atmosphäre

Einen Ort als Zuhause zu erleben, bedingt eine angenehme Atmosphäre. Und diese scheint auf dem Betrieb von Grädels zu herrschen. Der gute Zusammenhalt der Familie trägt genauso dazu bei, wie die jahrelangen, treuen Mitarbeiter.

Und Gott antwortet offensichtlich auf die vielen Gebete: Seine Gegenwart und sein Friede sind spürbar. Neuen Mitarbeitern, aber auch Kunden oder Lieferanten fällt es normalerweise nicht schwer, sich auf dem Hof wohl zu fühlen. «Es ist unser Anliegen, dass Menschen Gott näher kommen», betont Amos und freut sich über alles, was sie als Familienbetrieb ausstrahlen können. Das ermutigt immer wieder neu in ihren täglichen, gemeinsamen Gebetszeiten. «Vor jedem Tag befehlen wir die anstehende Arbeit und die Mitarbeiter Gott an.»

Jeder Mensch ist wichtig

Ein langjähriger Mitarbeiter mit einer geistigen Behinderung arbeitet leidenschaftlich mit den Pferden. Vor ein paar Jahren durfte er an der Special-Olympics in den USA teilnehmen und kam voller Stolz mit einer Medaille zurück. Die ganze Belegschaft freute sich über die Anerkennung, die er für sein Können erhalten hat. «Schliesslich hat noch nie jemand von unserem Betrieb eine olympische Medaille gewonnen!»

Bei Grädels hat jeder Bedeutung, egal welche Arbeit er verrichtet, welchen Hintergrund er hat und welche Verantwortung er trägt. Die vielen Arbeiten ermöglichen den einzelnen Mitarbeitern, sich effizient einzubringen. Viele arbeiten mit Kamelen und Schafen oder dem Verarbeiten der Wolle. Im grossen Verkaufsladen werden die Produkte verkauft. Daneben braucht es Mitarbeiter, um Besucher auf dem Erlebnishof zu betreuen. Sich wichtig und gebraucht zu fühlen, spornt viele Mitarbeiter an. Dies zu erleben, hat auch auf Familie Grädel eine Wirkung: «Zu sehen, wie Leute mitarbeiten und mitdenken, motiviert alle.»

Nähe zulassen

Um sich gewinnbringend in Menschen zu investieren, muss Nähe zugelassen werden. Amos lebte schon mit Mitarbeitern zusammen in einer WG. «Das war zuweilen herausfordernd, vor allem aber eine sehr wertvolle Erfahrung.»

Mitarbeiter zu Hause zu besuchen und ihnen in der Freizeit mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, ist für Amos und seine Familie normal. Natürlich ist die Zeit begrenzt und man kann nicht alles tun. Dass Amos jetzt eine eigene Familie hat, schränkt zusätzlich ein. Das hindert aber nicht, so gut wie möglich anzupacken. Hierzu gehört das Verständnis, dass Nächstenliebe nicht auf gewisse Stunden begrenzt werden kann. Für Amos ist es eine Selbstverständlichkeit, Gott sowohl während der Arbeit, wie auch in der Freizeit zu dienen – in seiner Situation ist die Grenze dazwischen oftmals fliessend.

Das Erbe der Eltern übernommen

Alle vier Kinder von Hansueli und Annekäthi Grädel arbeiten auf dem Betrieb mit, auch deren Ehepartner. Sie alle teilen ihren Glauben an Jesus und ihre Leidenschaft, Gott mit dem Familienbetrieb zu dienen. Anfang 2017 haben die Geschwister die Leitung des Betriebes übernommen. Für sie ist klar, dass es dabei nicht nur ums Geldverdienen geht, sondern auch darum, Menschen zu unterstützen.

«Durch unser Handeln wollen wir Gottes Liebe mindestens so stark bezeugen, wie durch unser Reden.» Und tatsächlich: Das Engagement der Familie Grädel spricht eine deutliche Sprache. Den gelebten Glauben der Eltern haben die Geschwister übernommen – und er steckt zunehmend auch andere Menschen an.

Es gibt unendlich viele Möglichkeiten

«Leider müssen wir viele Anfragen für eine Mitarbeit ablehnen», erzählt Amos mit Bedauern. Heute warten viele Menschen mit unterschiedlichsten Einschränkungen auf eine Chance, irgendwo gebraucht zu werden. «Es gibt Personen, die persönlich anfragen, bei anderen versucht die IV zu vermitteln.» Werbung brauchen Grädels nicht zu machen, denn die Mund-zu-Mund-Propaganda läuft sehr gut – gerade über Sozialwerke und Kirchen.

Am Samstag, 19. Oktober findet auf ihrem Betrieb ein Tag der offenen Tür statt. Die Besucher dürfen zuschauen, wie Schafe geschert werden.

Hier kommen Sie zur Webseite des kleinen Bauernbetriebs:
Spycher-Handwerk AG

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Datum: 17.10.2019
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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