Mein Herz neu öffnen?
Für Singles, die im Dating-Prozess oder in bisherigen Beziehungen immer wieder am gleichen Punkt ins Straucheln gekommen sind, kann es hilfreich sein, mal etwas genauer hinzuschauen. Denn wenn wir mit unterschiedlichen Menschen immer wieder dieselbe Erfahrung machen oder sie in uns ähnliche Gefühle oder Stressmuster auslösen, dann hat das eben auch etwas mit uns selber zu tun. Denn wir sind die einzige Konstante in all den unterschiedlichen Settings. Werde achtsam, wenn dein Verlangen nach Nähe mit der ständigen Angst vor Verlust, Ablehnung oder Vereinnahmung kollidiert. Achte dann genauer auf deine dahinterliegenden, unbewussten Denkmuster. Deine Ängste haben womöglich etwas mit deinen frühkindlichen Bindungs-Erfahrungen zu tun.
In der Bindungstheorie spricht man von der Verlust- und der Bindungsangst. Dies sind keine seltenen Phänomene, insbesondere in einer Zeit, in der verbindliche Beziehungen abnehmen und Verunsicherungen rund um Liebe, Rollenklarheit, Genderfragen, etc. zunehmen.
Angst, verlassen zu werden
Verlustangst basiert häufig auf der tief liegenden Sorge, den Partner zu verlieren oder von ihm verlassen zu werden. Oft stehen alte Verlassenheitswunden aus der Kindheit dahinter. Singles mit dieser Prägung haben die Tendenz, als Erwachsene alles zu machen, damit sie nie mehr verlassen werden. Sie passen sich früh an und tun alles, damit der andere glücklich ist. Sie vergessen dabei jedoch sich selber und die eigenen Bedürfnisse. Sie übergehen sich und beginnen zu klammern. Dies führt oft dazu, dass der andere sich tatsächlich zurückzieht, weil er sich eingeengt fühlt. Also löst das Verhalten ironischerweise genau das aus, was man vermeiden wollte.
Angst vor Vereinnahmung
Bei Bindungsangst ist hingegen die Angst vor emotionaler Nähe vorherrschend. Solche Singles haben Angst vor der Verpflichtung oder der Vereinnahmung. Meist wurde ihr eigener Wille und ihre Bedürfnisse in der Kindheit übergangen und nicht respektiert. Das, was sie gebraucht hätten, stand im Widerspruch zu den Erwartungen aus dem Umfeld. Sie mussten z.B. früh Verantwortung für das Wohlergehen anderer übernehmen oder ständig Rücksicht nehmen auf das Wohlergehen von Mama oder Papa. Eigene Bedürfnisse blieben hingegen ungestillt. Sie haben als Erwachsene unbewusst Angst, wieder vereinnahmt zu werden. Das vermeiden Bindungsängstliche um jeden Preis.
Beide Ängste können das Liebesleben massiv beeinflussen, indem sie uns unbewusst hindern, authentisch aufzutauchen und stabile Verbindungen einzugehen.
Vertrauen wagen
Einem Partner oder Partnerin wieder neu zu vertrauen und gleichzeitig als authentisches Selbst aufzutauchen, das braucht Mut! Und ob es nächstes Mal klappt, wenn wir unser Herz erneut öffnen, dafür gibt es keine Garantie. Aber was wäre die Alternative? Oft herrscht der Glaube, dass «der richtige Partner» irgendwann einfach auftauchen wird und all die Ängste von selbst verschwinden. Das wünsche ich dir! Jedoch verschwinden Bindungsängste nicht einfach. Es ist wichtig, sie aktiv zu bearbeiten, um langfristige eine erfüllende Beziehung einzugehen.
Schutzmechanismen verstehen
Die positive Psychologie lehrt, dass wir solche Ängste nicht als Feinde, sondern als Teil unserer inneren Wahrnehmung und Schutzmechanismen betrachten sollten. Der erste Schritt auf dem Weg zur Heilung ist, diese Ängste zu verstehen und anzuerkennen. Indem wir uns bewusst mit unseren Gefühlen auseinandersetzen, können wir beginnen, die zugrunde liegenden Überzeugungen zu hinterfragen, die diese Ängste aufrechterhalten. Diese waren früher als Kind vielleicht überlebenswichtig. Heute als erwachsene Person können wir jedoch anders handeln und wir haben Verhaltensoptionen, die uns früher nicht zur Verfügung standen. Wenn wir lernen, unsere Ängste zu verstehen, können wir neu wählen, aussteigen und beginnen, die emotionalen Blockaden zu lösen, die einer erfüllenden Beziehung noch im Weg stehen.
Praktische Übung
Ein effektiver Weg, diese Ängste zu bearbeiten, ist das sogenannte «Kognitive Umstrukturieren» aus der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT). Nimm dir Zeit, um eine Angst, die mit Verlust oder Bindung zu tun hat, zu hinterfragen. Schreibe auf, was deine schlimmste Vorstellung in Bezug auf diese Angst ist, und bewerte dann, wie realistisch diese Angst wirklich ist. Häufig werden wir feststellen, dass die Ängste durch übermässige Sorgen oder unrealistische Erwartungen entstanden sind. Das bewusstere Nachdenken und Umdeuten der eigenen Gedanken führt zu einer klareren Perspektive und kann helfen, Ängste abzubauen.
Gott vertrauen
Und gleichwohl gilt, was König Salomo schon vor langer Zeit entdeckt hat: «Wenn der Herr nicht das Haus baut, dann ist alle Mühe der Bauleute umsonst. Wenn der Herr nicht die Stadt bewacht, dann wachen die Wächter vergeblich» (Psalm 127, Vers 1). Wir dürfen Gott als liebenden Vater bitten, uns in unseren Ängsten zu helfen. Wir dürfen ihm entgegen schreien, was uns umtreibt und warum uns das Vertrauen und Einlassen auf Nähe noch schwerfällt. «Ihr Menschen, vertraut ihm jederzeit und schüttet euer Herz vor ihm aus. Gott ist unsere Zuflucht», fordert uns der Schreiber von Psalm 62 auf. Wir dürfen mit ihm rechnen, dass er uns hilft, leitet, führt. Gott kann uns dort, wo wir es nicht können, durch seinen Geist auch von innen heraus verwandeln. Denn er ist es, der in uns auch das Wollen und Vollbringen bewirkt. (Philipperbrief Kapitel 2, Vers 13)
Christoph Hickert ist Dipl. Coach & Supervisor BSO, Lebens- und Laufbahn-Berater in eigener Praxis in Männedorf und Autor.
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Datum: 21.01.2025
Autor:
Christoph Hickert
Quelle:
Jesus.ch