Experimentieren führt zu neuen Kirchenformen
Kleider und Lebensmittel, auch Zeit und Gespräche bieten Freiwillige von Spiis & Gwand in Oftringen Bedürftigen an. Im Basler Projekt «Limitless» trainieren Junge Sprünge über Dächer – und unterbrechen dies für eine Kurzpredigt. «Wir haben doch viel mehr zu bieten als der Barkeeper», sagten sich Christen in Lörrach und starteten die Café-Kirche.
Im Berner Mattenhof-Quartier bringen Kulturevents Leute zusammen, denen Nachhaltigkeit wichtig ist. Die Wuselchile in Hettlingen bei Winterthur begeistert Kinder und Eltern mit Basteln, Essen und Geschichten. Coffee & Deeds in Zürich-Hirzenbach ist mehr als ein Quartiercafé; auch Aufgabenhilfe und Coaching für Schüler bietet es an.
Freiräume
An der Tagung in der Johanneskirche in Basel skizzierte Sabrina Müller vom Zürcher Zentrum für Kirchenentwicklung mit Verweis auf englische Vordenker das Potenzial solcher Experimente. Diese sind so vielfältig wie ihr Umfeld – und es dürfen ihrer mehr werden. Freiräume, Freude am Probieren und Fehlerfreundlichkeit sind wesentlich für eine «kirchliche Biodiversität». Dabei werden die traditionellen Strukturen von Kirchgemeinden von innovativen Netzwerken und Interessengemeinschaften ergänzt.
Gott erleben
Erweisen sie sich als neue Formen von Kirche? Ja, meinte Sabine Brändlin vom Kirchenbund SEK in ihrem Grusswort – wenn die Gemeinschaft ausgerichtet ist auf den dreieinen Gott und das Evangelium «für Menschen heute wahr wird». Laut Sabrina Müller ist in solchen Experimenten die Präsenz Gottes jenseits der traditionellen kirchlichen Formen erfahrbar.
Anerkennung
Die Tagung, die vom Landeskirchen-Forum zusammen mit der Basler Kirche, dem TDS Aarau und a+w organisiert wurde, bot viel Zeit zum Austausch mit den Experimentierenden. Am Nachmittag berichtete Thomas Schlegel von den «Erprobungsräumen» der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Eine Erkenntnis: Neue Formen brauchen Anerkennung von der Kirchenleitung und viel mehr Zeit, als man zuerst denkt.
Die Kirche passt sich laut Schlegel veränderten Rahmenbedungen am besten an, wenn Christen vor Ort in eigener Regie Neues erproben. In Erfurt sind «Engel am Zug»: Im Bahnhof soll Gott erlebt werden. Die Erprobungsräume leben von Christen, die gut zuhören können und Zeit haben, für andere da zu sein. Sie sagen: «Was uns unterscheidet, ist nicht was wir machen, sondern wie wir es machen.»
Inspirierende Settings
Leidensdruck sei ein wichtiger Motor für Innovation, sagte der Kirchenrat aus Erfurt. Diese lasse sich nicht planen. «Es lassen sich nur inspirierende Settings schaffen.» Schlegel fasste die in Thüringen und Sachsen-Anhalt gemachten Erfahrungen pointiert zusammen.
Die Grundelemente von Kirche bleiben in neuen Formen dieselben: Gemeinschaft und Beziehungen, Essen und Trinken, Teilen und Helfen, Verkündigen und Gebet. Ausstrahlung haben Erprobungsräume «durch Präsenz statt Programm, Beziehung statt Angebot, Geschichten statt Gedanken, Unsicherheit statt Planung»; so werden sie relevant für erst gleichgültige Menschen.
Eine Dokumentation der Tagung mit Videoclips folgt auf www.lkf.ch.
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Datum: 07.11.2018
Quelle: Landeskirchen-Forum