Thesen für ein neues christliches Jahrtausend
Kirchen tun sich eher schwer, sich zu reformieren, auch wenn sie es nötig hätten. Es sei denn, dass sie von einem erwecklichen Geist heimgesucht werden. Die Reformation wurde möglich, da der Missbrauch der Beichte durch den Ablasshandel so viel Frust und Wut verursachte, dass ein Mönch zur richtigen Zeit am richtigen Ort protestierte – und eine gewaltige Bewegung auslöste, die gleichzeitig durch das erste Massenmedium Buchdruck rasend schnell Verbreitung fand.
Kein Player im Machtkonstrukt
Doch heute würde eine solche Revolution der Kirchen und des Glaubens – im Gegensatz zu damals – die Welt relativ kalt lassen. Das grosse Geschäft würde davon kaum betroffen sein. Die Mächtigen müssten wohl nicht um ihre Macht fürchten. Zu fragen wäre deshalb, wie die Kirchen wieder so einflussreich werden könnten, dass sie den Verlauf der Welt beeinflussen könnten.
Heidentum 2.0
Diese Frage bewegte den Basler Zukunftsforscher Andreas Walker am Leiterforum der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) und der Leiterkonferenz der Freikirchen (LKF) letzte Woche in Emmetten. Nicht das kirchliche Glaubensmanko oder sein Finanzgebaren macht ihm Bauchweh, sondern ihre Bedeutungslosigkeit in der öffentlichen Wahrnehmung angesichts der Tatsache, dass sich die Gesellschaft wieder in Richtung eines vorchristlichen «Heidentums 2.0» bewege. Dass die Kirchen als Träger von Hoffnung bei der Umfrage für das Hoffnungsbarometer am Schluss rangieren, lässt dem Co-Präsidenten von swissfuture.ch daher keine Ruhe.
Game-Changer
Er reagiert auf diesen Befund nicht mit der Aufforderung, für eine Erweckung zu beten, sondern mit sieben Thesen. Damit fordert er die Kirchenleiter auf, sich für ein gutes aktuelles und zukünftiges Leben einzusetzen und dem aktuellen gesellschaftlichen Pessimismus zu widersprechen. Christen können sich auch für Dankbarkeit und Zufriedenheit einsetzen und zum Beispiel eine Theologie der Dankbarkeit lancieren. Sie können gezielt an die nächste Generation denken und sich für deren Wohl einsetzen. Dabei könne auf Jesus als «Game-Changer» Bezug genommen werden, der aktuelle Haltungen infrage stellte und neue zur Debatte stellte. Walker traut zudem den Kirchen zu, sich angesichts der gesellschaftlichen Megatrends zu positionieren, zum Beispiel zur digitalen Revolution, zur länger lebenden Gesellschaft, zu Migration und Globalisierung.
Im Detail hat er seine Thesen wie folgt beschrieben:
- Wir müssen als Christen« zukünftiges Leben» ermöglichen und segnen wollen.
- Evangelische Christen und Kirchen müssen für die Gesellschaft in der Schweiz zuerst wieder zu vertrauenswürdigen Partnern werden und wieder Zugang zu den «Türen» finden.
- Wir müssen das christliche Portfolio erneuern: «richtiger Glaube -> gegenwärtige Liebe -> Hoffnungskompetenz für die Zukunft».
- Wir brauchen eine Theologie der Dankbarkeit.
- Wir brauchen eine Theologie der «Früchte des Geistes». Dazu müssen wir bereit sein, Bäume zu pflanzen, deren Früchte erst in Zukunft geerntet werden.
- Wir müssen Kompetenz erwerben und uns sowohl konkret gesellschaftlich wie auch «theoretisch» aktiv positionieren bezüglich der grossen Megatrends.
- Wir müssen Jesus als «Game Changer» und die disruptive Kraft des Evangeliums verstehen.
swisschurch 2.0
Der Basler setzt die Latte bewusst hoch. Er regt damit auch neue Thinktanks an. Nach seiner Erfahrung gibt es in der Schweiz zahlreiche Fachleute auf allen Gebieten mit einem christlichen Bekenntnis. Sie müssten aber entdeckt und zusammengerufen werden. Wie wäre es mit einem Thinktank zum Lutherjahr. Vielleicht mit dem Namen «swisschurch 2.0»?
Andreas Walker gab sich zum Schluss seiner Präsentation hoffnungsvoll: «Ich glaube, wir haben ein christliches Jahrtausend vor uns!»
Zur Webseite:
Webseite der SEA
Webseite der Freikirchen
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Datum: 12.12.2016
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet