Mit Plastikrecycling aus der Armutsfalle
Frau Naeff, können Sie das Projekt kurz beschreiben?
Marianne Naeff: Mit dem «Plastic Recycling Project» (PRP) wollen wir dem überall herumliegenden Plastikabfall einen Wert geben. Wenn jemand Plastik am Boden liegen sieht, soll er/sie es aufheben wollen – weil es wertvoll ist. Das Green Center kauft das in Liberia gesammelte Plastik an, verarbeitet es weiter und transportiert es ins Nachbarland Guinea. Dort wird es an eine Firma verkauft, welche neue Plastik-Produkte daraus herstellt. Das PRP generiert nicht nur neue Einkommensquellen und leistet damit einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensumstände der Slumbewohnerinnen und -bewohner, es fördert auch einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und führt zu einer saubereren Umwelt.
Welchen Herausforderungen begegnen Sie dabei?
Für einen rentablen Verkauf des Plastiks sollte es vorher gewaschen, gehäckselt und zu Pellets geschmolzen werden. Dafür braucht es zwei Maschinen. Der Kauf und der Transport der Maschinen sowie die Installation und Stromversorgung dafür stellen in einem Land, in dem es an elementarer Infrastruktur fehlt, eine Herausforderung dar.
Können Sie mit dem Verkauf von rezykliertem Plastik bereits erste Einkünfte generieren?
Wir stehen noch am Beginn unseres Projekts und haben noch keine der benötigten Maschinen. In Guinea wird das Plastik, wenn es zu Pellets geschmolzen ist, für 700 USD pro Tonne verkauft. Mit den Abzügen für Transport, Unterhalt der Maschinen, Strom etc. können wir den Sammelnden 200 USD pro Tonne (20 Cents pro Kg) für das gesammelte Plastik bezahlen. In einer Stunde können etwa 5 Kg gesammelt und somit 1 USD verdient werden. Damit kann man auf dem Markt etwa 2,5 Kg Reis kaufen. Im Moment wird dies von Cooperaxion gedeckt. Unser Ziel ist es, im Herbst die erste verarbeitete Ladung nach Guinea zu transportieren, zu verkaufen und damit den ersten Erlös zu generieren.
Gibt es bereits erste ermutigende Resultate, die mit dem Projekt erzielt werden konnten?
Neben dem Aufbau dieses «Business» ist ein wichtiger Aspekt des Projekts die Sensibilisierungskampagne: Wir informieren die Menschen, wie Abfall das Trinkwasser verschmutzen kann, welche Arten von Abfall rezykliert werden können und was sie konkret tun können, um ihre Umwelt und damit ihre Gesundheit zu verbessern. Im Rahmen dieser Kampagne konnten wir wertvolle Kontakte mit anderen Organisationen knüpfen. Besonders berührend ist das grosse Engagement der Leute. Trotz allem, was sie im 14-jährigen Bürgerkrieg erlebt und verloren haben, geben sie nicht auf und sind motiviert, ihre Lebensumstände zu verbessern.
Welche Rolle spielt der Glaube in Ihrem Projekt?
Der Glaube spielt eine zentrale Rolle im Alltag unserer Projektpartner. Unser Projektpartner James Mulbah etwa, engagiert sich in seiner Kirchgemeinde für die Betreuung kriegsverletzter Jugendlicher, welche nun ebenfalls von der neuen Projektidee profitieren können. Fast alle in diesen Slumquartieren sind Christen. Sie werden von christlichen Organisationen wie Mercy Corps, YMCA und USAID unterstützt. Dank der gemeinsamen Wertebasis trägt die Zusammenarbeit gute Früchte.
Was hat Recycling mit Glauben zu tun?
Der Glaube lehrt uns, der Schöpfung mit Respekt zu begegnen, ihr Sorge zu tragen und bewusst mit ihren Ressourcen umzugehen. Im Rahmen der Sensibilisierungskampagne werden diese Sorgfalt im Umgang mit der Natur, dem eigenen Körper (Hygiene) und die Nachhaltigkeit des eigenen Handelns thematisiert.
Oft sehen wir Schweizer uns als «Recycling-Weltmeister». Sind wir das wirklich? Oder können wir von Ihrem Projekt auch etwas für unser Leben in der Schweiz lernen?
Abfallmanagement besteht aus drei Komponenten: Reduzieren, wiederverwenden und rezyklieren (wiederaufbereiten). Im Bereich Recycling ist die Schweiz Liberia sicher einen grossen Schritt voraus. In den andern beiden Bereichen könnten wir aber noch viel von den Westafrikanern lernen. Sie produzieren pro Kopf viel weniger Abfall als wir, und in der Wiederverwendung sind sie «Weltmeister».
Bis Ende Juni 2014 können Projekte, Predigten, Werke oder Persönlichkeiten für den StopArmut-Preis angemeldet werden.
Datum: 25.06.2014
Autor: Stéphanie Bürgi
Quelle: Livenet / StopArmut2015