Ball überwindet Gräben – und baut Brücken
Langsam erwacht das Leben nach der nachmittäglichen Siesta wieder. Dennoch ist die Hitze auch am frühen Abend noch gross. Der Schulunterricht ist zu Ende, Kinder und Jugendliche sind auf dem Weg nach Hause. Vor dem Mehrzweckgebäude in der Dorfmitte ist ein eingezäunter Betonplatz. Am Boden sind farbige Linien aufgezeichnet und Holzbanden begrenzen das Spielfeld. Ahmed, der Verantwortliche für das Unihockeytraining, schliesst die Türe zum Materialraum auf. Zwei Tore, selbstgebaut aus robusten PVC-Rohren, stehen schon auf dem Platz. Stöcke, Bälle und Torhüterausrüstungen stammen aus der Schweiz. Die wenigsten Spieler können sich einen eigenen Stock leisten. Nach dem Training muss das Material wieder sorgfältig eingeschlossen werden. Ansonsten wäre bald nichts mehr vorhanden…
Know-how aus der Schweiz
Allmählich kommen die ersten Spieler. Man begrüsst sich lautstark und jeder schnappt sich Ball und Stock. Das Unihockeytraining ist das einzige regelmässige Angebot, wo die Jugendlichen unter Anleitung Sport treiben können. Als der Trainer auf den Platz kommt, ausgerüstet mit Pfeife, Taktiktafel und Überziehleibchen, scharen sich die Jungs rasch um ihn. Am Anfang war das nicht immer so. Aber nach zwei, drei Trainings hatten sie verstanden, dass das gemeinsame Trainieren mehr Spass macht, wenn man die Anweisungen des Trainers befolgt. Und auch der Trainer hat gelernt sich durchzusetzen. Von seinem «Lehrmeister» aus der Schweiz wurde er instruiert, wie man ein Training vorbereitet und auf dem Platz die Übersicht behält.
Ein Mitarbeiter von «ReachAcross» begann mit den Kindern Unihockey zu spielen und seither wird an verschiedenen Orten im Land mit Stock und Ball trainiert. Die Sportart begeistert nicht nur junge Menschen in Europa.
Nicht jeder schaut nur für sich
Gute Vorbereitung, Disziplin und Durchsetzungsvermögen sind nötig. Diese Fähigkeiten werden dem jugendlichen Trainer auch in einer beruflichen Tätigkeit von Nutzen sein. Gerne würde er noch mehr über Taktik lernen, aber leider war schon lange kein Kurzzeitteam aus der Schweiz mehr auf Besuch. Das waren immer tolle Tage, wenn die jungen Leute aus Europa zusammen mit den afrikanischen Jungs dem Ball nachgerannt sind.
Nach ein paar Übungen mit Stock und Ball werden Torschuss und Passspiel geübt. Es ist nicht immer ganz einfach auf dem holprigen Terrain einen sauberen Pass zu spielen. Aber alle sind mit viel Einsatz dabei. Wenn mal ein Pass misslingt oder ein Ball daneben geht, hört man aufmunternde Worte. Hier schaut nicht jeder nur für sich, wie das sonst im Alltag oft der Fall ist.
Schiri wird respektiert
Nach einer kurzen Pause werden Teams gewählt und ein Trainingsspiel kann beginnen. Der Trainer amtet als Schiedsrichter und – erstaunlicherweise – wird jeder Pfiff akzeptiert und niemand motzt oder kommentiert die Schiedsrichterentscheide. Unterdessen stehen viele Mädchen und Buben auf dem Zaun rund ums Spielfeld und schauen interessiert zu. Die Stimmung ist gut und es wird viel gelacht. Als die Sonne untergeht, werden die Scheinwerfer angemacht. Auch daran war beim Bau des Feldes gedacht worden. In diesem Land nahe dem Äquator wird es abends früh dunkel. Nach zwei Stunden ist das Training vorüber und gemeinsam wird das Material weggeräumt. Noch eine Weile stehen die Jungs plaudernd zusammen, dann machen sie sich auf den Heimweg. Ob es wohl zu Hause heute Abend für jeden ein Nachtessen geben wird?
Das Unihockeyprojekt in Ostafrika ist unterdessen in einheimische Hände übergegangen. Aus der Schweiz wird aber weiterhin Material geliefert, da im Land selber keine Unihockeyartikel erhältlich sind. Ein grosses Bedürfnis wären weitere Besuche von Spielern und Trainern aus der Schweiz. Allen Sprachbarrieren zum Trotz hat die gemeinsame Leidenschaft für den Sport bisher immer die Herzen der Jugendlichen verbunden.
Datum: 23.04.2014
Autor: Jürg Gugger
Quelle: Livenet / ReachAcross