Studenten werden wieder religiöser
Der Druck der Hochschulausbildung und das Wegsein von daheim führt zu einer wachsenden Zahl psychischer Erkrankungen bei Studenten. Leiter von Universitäten versuchen, dem mit einem wachsenden Beratungsangebot entgegenzuwirken.
«Bislang wurde dabei oft eine Ressource übersehen: Vertreter von Glaubensbewegungen, die versuchen, die religiösen Bedürfnisse der Studenten zu erfüllen», erklärt Mathew Guest, Soziologie-Professor an der Durham University. Zusammen mit Kristin Aune und Jeremy Law kartierte er die Arbeit von Universitätsseelsorgern an den britischen Universitäten.
Mindestens 1'000 Uni-Seelsorger
«Die Ergebnisse zeigen einen Aspekt des Universitätslebens, der selten anerkannt wird – und der das Bild der Universität als Ort, an dem die Suche nach Wissen keinen Platz für die Religion lässt, in Frage stellt», bilanziert Mathew Guest.
Der Seelsorge-Dienst sei an vielen Universitäten ein integraler Bestandteil des Campuslebens. «Es gibt mindestens 1'000 Geistliche, die an Universitäten im ganzen Vereinigten Königreich arbeiten und alle wichtigen Religionen – auch den Humanismus – vertreten.»
Das sei nicht immer so gewesen. Vor den 1960er Jahren war die Hochschulseelsorge hauptsächlich auf die alten Universitäten wie Oxford oder Cambridge beschränkt, die den anglikanischen Klerus als Kaplan ihrer Hochschulen ernannten. Doch dann ist das Angebot gewachsen: Mitte der 80er Jahre hatten die meisten Universitäten einen anglikanischen Kaplan.
Bedürfnis gewachsen
Die ernannten Ordensleute – meist Vertreter der etablierten «Church of England» – dienten in diesen Institutionen, wie auch in Gefängnissen, Spitälern oder im Militär. Inzwischen wurden auch die Bedürfnisse von Studenten anderer Religionen berücksichtigt, darunter jüdische, muslimische und hinduistische Uni-Besucher.
Mathew Guest: «Unsere Forschung ergab, dass die Universitätsseelsorger jedes Jahr rund 4,5 Millionen Pfund ehrenamtliche Arbeit in den Hochschulsektor einbringen. Freiwillige Universitätsseelsorger, die über 40 Prozent der Gesamtzahl ausmachen, leisten wöchentlich rund 3'500 Stunden kostenlose Arbeit.»
Sie sind für alle da
Zu den Schwerpunkten gehört die persönliche Betreuung von Studenten und Mitarbeitern. «Unsere Forschung ergab, dass sich diese Unterstützung nicht auf gläubige Studenten beschränkt, sondern auf Personen aller Religionen wie auch auf Atheisten.»
Und weiter: «Unsere Ergebnisse zeigen auch, dass viele Seelsorger ihre Rolle als Diener der gesamten Universität sehen und nicht nur derjenigen, mit denen sie ihren Glauben teilen. Dazu gehört die Unterstützung sozial benachteiligter oder in der Krise befindlicher Studierenden.»
Besonders wertvolle Kollegen
Einige Universitätsleiter sehen laut der Studie die Kaplane als besonders wertvolle Kollegen, weil sie eine Sichtweise anbieten, die Mitarbeiter und Studenten in der gesamten Institution und darüber hinaus einschliesst – und die nicht begrenzt ist auf eine bestimmte Abteilung oder Berufsgattung.
Der zunehmende Bedarf dieser Arbeit werde erkannt und von den Beratungsabteilungen mit einbezogen, damit die Studenten die Hilfe erhalten, die sie benötigen.
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Datum: 30.05.2019
Autor: Mathew Guest / Daniel Gerber
Quelle: Christian Today / Übersetzung: Livenet