Als Paulus in Athen vor den versammelten Dichtern und Denkern predigte, gab er ihrem „unbekannten Gott“ ein Gesicht, in dem er sie auf den Auferstandenen hinwies (vgl. Apg. 17,32 und 31). Doch genau an diesem Punkt wurde des Apostels Predigt jäh unterbrochen. Einige lachten laut auf. Die Rede vom Gekreuzigten und Auferstandenen polarisierte damals als wärs heute gewesen. In Athen spaltete sich die Zuhörerschaft in drei Parteien (vgl. Apg. 17,32): Partei A lacht. Partei B schiebt die Entscheidung hinaus. Partei C sagt: Ich glaube! Nur die C-Leute lassen sich in die Familie Gottes einfügen. Nur sie erleben diese neue Sicht der Dinge und die Kraft aus der Höhe, die in ihrem Innersten eine zuvor nicht gekannte Freude und Dynamik entzündet. Ihr Glaube an Christus wird beschenkt mit einem unsterblichen Geist. Paulus schrieb später über diese Erfahrung: „Unser Körper mag sterben, doch unser Geist wird jeden Tag erneuert!“ (2. Kor. 4,16) Im Strauch, der brennt, aber nicht verbrennt, ist Gott. Der brennende Dornbusch, dem sich Mose einst näherte, ist ein einprägsames Bild für den Geist Gottes, der unabhängig von allen sterbenden Weltstrukturen ewig existiert. Zeit und Vergänglichkeit berühren ihn nicht. Der Glaube an Christus vermittelt den Geist, der den „Zugang zum Vater“ (vgl. Eph. 1,18) bildet. Er ist die Verbindung mit der Ewigkeit. Gehen wir zu Mose. Der will noch näher zum Busch. Gott muss ihn bremsen: „Komm nicht näher! Zieh deine Sandalen aus, denn du stehst auf heiligem Boden!“ (2. Mose 3,5) Feuer ist in der Sprache der Bibel ein Symbol für Heiligkeit und Gericht. Der heilige Gott und der unheilige Mensch können nicht auf der gleichen Ebene stehen. Mit dieser Wahrheit haben die guten Menschen, die braven, ihre liebe Mühe. In der Regel treten sie der Partei B bei (siehe oben). Geht es um die Entscheidung für eine aufrichtige, anbetende Beziehung zu Gott, scheitern sie achselzuckend an ihrem „Gutsein“. Sie nähern sich zwar Gott, sie hören seine Stimme, aber sie unterwerfen sich ihm nicht. Doch Erkenntnis der eigenen Schuld vor Gott, ist die Voraussetzung, davon frei zu werden! Ich war viele Jahre meines Lebens überzeugt, vor Gott richtig da zu stehen. Für mich gab es Gott. Ich meinte, ich sei ihm nahe. Aber genau betrachtet hielt ich mir Gott auf Distanz. Meine Begabungen setzte ich für die eigenen Pläne ein, nicht für die Absichten Gottes. Meine Selbstüberschätzung wuchs ins Unermessliche. Sie führte dazu, dass Predigtworte, die zur Umkehr und zur Unterwerfung riefen, wirkungslos an mir abperlten, wie Wasser auf einem Lotosblatt. Ich war doch schon bei den Guten! Ich brauchte das Kreuz nicht... Schliesslich verwendete Gott eine besondere Situation, um mir die Augen über mich selbst zu öffnen. Dazu führte er mich nach Jerusalem, in die Altstadt, in die Burg Antonia, an jenen Platz, an dem Pilatus seine Hände in Unschuld wusch... Dort wurde erzählt, wie Jesus als Gefangener im Hof vor Pilatus stand. Gefesselt, ausgepeitscht, erschöpft, blutüberströmt und – völlig zu Unrecht angeklagt . Hinter ihm schrie das Volk: „Kreuzige ihn!“ Im Hof steht ein Unschuldiger. Man droht ihm mit der Todesstrafe - und er? Er wehrt sich nicht! Er schweigt .36.(vgl. Matth. 26,63). Schweigt zu den bodenlos gemeinen Anschuldigungen, den Lügen. Mit seinem Schweigen besiegelt er seinen Tod. „Kreuzige ihn!“ riefen die Menschen, ausgerechnet ihn, anstelle des Mörders Barabbas. „Jesus, warum wehrst du dich denn nicht?“ schoss es mir damals durch den Kopf. „Bist du von Sinnen oder – ist es wahr, was du den Jüngern gesagt hast: ‚Dies ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird.’?“ (Lk. 22.20) Ich stand vor der wichtigsten Entscheidung meines Lebens. Ich suchte nach einer Ausfahrt in die geistige Neutralität und fand keine. Ich spürte plötzlich, dass ich bei jenen Menschen stand, die „Kreuzige ihn!“ schrien. Auch wenn ich nicht schrie, bedeutete meine innere Distanz gegenüber Jesus letztlich dasselbe. Bei diesen Gedanken näherte ich mich Jesus und er näherte sich mir. Ich schloss meine tränenden Augen und erkannte: Da ist einer, der mich ohne Bedingung liebt. Da ist jemand, der für meine Selbstanmassung gegenüber Gott bereit ist zu sterben, damit ich die Chance zum Leben erhalte. Da ist einer, der mir vergibt. Christus öffnete mir den Weg zurück zum Vater. Paulus schrieb: „Durch seinen Tod am Kreuz in menschlicher Gestalt hat er euch mit sich versöhnt, um euch wieder in die Gegenwart Gottes zurück zu holen und euch heilig und makellos vor sich hinzustellen.“ (Kol. 1,22) „Zurückgeholt in die Gegenwart Gottes...“ Hier schliesst sich der Kreis. Der Beschluss, den Gott aus Liebe zu den Menschen gefasst hat, wird in die Tat umgesetzt! Epheser 1,5: „Aus Liebe hat er uns dazu bestimmt, seine Söhne und Töchter zu werden – durch Jesus Christus und im Blick auf ihn. So war es sein eigener gnädiger Wille.“ Längst bevor sich ein Mensch für Gott entscheidet, hat sich Gott für ihn entschieden. Gott legte sich fest – für uns. Er sucht seine Kinder. Er will sie führen, begleiten, erziehen. Als seine Geliebten sollen sie Lobsänger werden und seine Gnade preisen. Die Verse Römer 8,14 und 15 fassen diese neue Lebenshaltung prägnant zusammen: „Alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind seine Söhne und Töchter. Denn der Geist, den ihr empfangen habt, macht euch nicht zu Sklaven, so dass ihr von neuem in Angst und Furcht leben müsstet; er hat euch zu Söhnen und Töchtern gemacht, und durch ihn rufen wir, wenn wir beten: Abba, Vater! Ja, der Geist selbst bezeugt und in unserem Innersten, dass wir Gottes Kinder sind.“
Datum: 06.05.2003
Autor: Rolf Höneisen
Quelle: Jesus.ch