Ungarn: «Moralische Differenzen» zur EU
Die EU hatte ihr Budget – einschliesslich eines Anti-Covid-Fonds von 750'000 Euro – an die «Berücksichtigung der Regeln» und den «Schutz der Menschenrechte» in allen Empfängerländern gebunden. Dazu gehört u.a. eine liberale Politik und Praxis in LGBT- und Gender-Fragen. Polen und Ungarn hatten diese Vereinbarung blockiert, weil beiden Länder die Bedingungen Brüssels als «Einmischung in ihre Souveränität» ablehnen.
Nach Ungarns Präsident Viktor Orbán kann «diese Debatte nicht mit Geld gelöst werden». Sein polnischer Kollege Mateusz Morawiecki ist besonders besorgt über die Strategie der EU zu LGBT-Rechten, die die EU als direkte Antwort auf Polens Umgang mit der Gender-Ideologie verfasste.
Evangelische Allianz: Kein politisches Evangelium
Der Vorsitzende der ungarischen Evangelischen Allianz, Istvan Horvath, erklärte im Gespräch mit «Evangelical Focus», dass sich Ungarns evangelische Christen aus allen politischen Debatten heraushielten, die «nicht der Ehre Gottes und der Verbreitung des Evangeliums dienten». Ungarns Evangelikale sind aktiv in der Hilfe für Flüchtlinge, für Prostituierte und auch im Schutz des ungeborenen Lebens.
EU-Moral «nicht einfach übernehmen»
Auf den Konflikt mit der EU angesprochen, erklärt Horvath, dass Ungarn die Durchsetzung der EU-Regeln als Versuch verstünden, Polen und Ungarn zu disziplinieren, weil diese beiden Länder ihre traditionellen «europäischen und christlichen» Werte nicht aufgeben wollen: «Die ungarische Gesellschaft will den liberalen Trend, der in den westlichen Ländern akzeptiert ist, nicht annehmen.» Es seien «moralische Differenzen, eine andere Weltanschauung», die westliche EU-Länder von ihren Partnern im Osten trennten. Horvath: «Die Bedingungen, die bestimmte Länder von EU-Beiträgen ausschliessen, sind tatsächlich ideologischer Natur mit dem direkten Ziel, den Widerstand der beiden Länder zu brechen.»
Konkret nennt Horvath «illegale Einwanderung, die Propagierung von LGBT und Genderfragen» als einige der Themen, die näher abgeklärt werden müssten. Statt dass sie die EU-Politik in diesen Fragen einfach übernähmen, müssten Ungarn und Polen erst verstehen, «was diese Trends bisher erreicht haben und was in der Zukunft von ihnen zu erwarten ist», so Horvath.
Differenzierte Stellung zu Orbán
Die ungarische Regierung hat entschieden, «schädliche Trends umzukehren oder sie an der Verbreitung zu hindern», denn das Land wolle eine «familienfreundliche Politik» verfolgen. Das erkläre die Rebellion gegen das empfundene «Aufzwingen fremder Werte»: «Wir müssen einander Freiheit geben, damit jede Nation ihre Politik nach eigener Entscheidung umsetzen kann», so Horvath.
Zur Unterstützung der Evangelikalen von Präsident Viktor Orbán gebe es keine Zahlen, so Horvath. Bestimmte Prioritäten der Regierung fänden aber breite Unterstützung in evangelikalen Gemeinden, so die familienfreundliche Politik, der Schutz des Lebens, eine explizite Unterstützung für verfolgte Christen weltweit und das Programm «Ungarn hilft», das «Hilfe für Bedrängte bietet, ungeachtet von Nationalität und Religion». «Natürlich gibt es auch evangelische Christen, die der Regierung gegenüber kritisch eingestellt sind, was Inhalte oder Regierungsform betrifft», erklärt Horvath. «Aber alle Nachfolger von Christus sind sich einig, dass wir immer für die Regierung beten sollen – darum beten wir für die Leiter in Ungarn, in der EU und in anderen Ländern in der Welt.»
Horvath betont schliesslich, dass «Bekenntnis und Umsetzung unserer christlichen Werte keine kulturelle oder politische Sache seien», sondern eine direkte Folge, wenn «wir Jesus Christus als persönlichen Retter angenommen haben». Die Bibel sei darum der Leitfaden für die Evangelische Allianz. «Entsprechend unseres Rufs von Gott möchten wir mit allem, was wir tun, einen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben – mit dem Evangelium und dem Zeugnis unserer Worte und Taten.»
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Datum: 16.12.2020
Autor: Joel Forster / Reinhold Scharnowski
Quelle: Evangelical Focus / Übersetzung: Livenet