«Dr. Sinn oder Sekten-Hartl?»
Der Autor Jonas Weyrosta traf sich mit Dr. Hartl im Augsburger Gebetshaus, setzte sich mit dessen Buch «Eden Culture» auseinander und besuchte eine Veranstaltung Hartls in der Stuttgarter Liederhalle. Der Beitrag erschien in der EKD-Publikation «Christ und Welt» (die Evangelische Kirche ist Herausgeber und die Publikation ist eine Beilage der Print-Ausgabe der Zeit) und ist auch auf Zeit-Online zu lesen.
So etwas nennt sich Vorurteil
Jonas Weyrosta nähert sich Johannes Hartl und seinen Aussagen und vermittelt dabei einen fast durchweg abschätzigen Blick auf den Theologen, ohne diesen jedoch mit harten Informationen zu belegen. – So etwas nennt sich Vorurteil.
In den ersten Zeilen heisst es: «Er (Johannes Hartl) lockt jedes Jahr 50'000 Glücksuchende in sein Gebetshaus. (Anm. der Red.: Beim Wort «locken» erscheint der Rattenfänger nicht weit.). Für die einen ist Bestsellerautor Johannes Hartl Deutschlands aufregendster Sinn-Guru, für die anderen ein gefährlicher konservativer Katholik.»
Reihenweise Etiketten für Dr. Hartl
Weyrosta verleiht Hartl verschiedenste Labels: Bestsellerautor, gefährlicher konservativer Katholik, Deutschlands aufregendster Sinn-Guru, frommer Sonderling... So changiert der Journalist in seinem Text zwischen Positiv- und Negativ-Labeln. Formulierungen wie «Für die einen... für die anderen...» oder «Einerseits... andererseits...» sind ganz typisch für die Darstellung in dem Text mit Reportageelementen.
Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass der Beitrag überhaupt nicht informiert, aber er ist im Grundduktus zu oberflächlich und geringschätzig gegenüber dem Theologen: «Johannes Hartl ist Linguist, promovierter Theologe, Künstler, Autor, ein Vortragsreisender. Er ist auch Ehemann, Vater, Reiheneckhausbesitzer und Teetrinker. Und Katholik. Spätestens da wird es aber zumindest für einige im Glaubenskosmos schon schwieriger mit diesem Mann. Er gilt einerseits als frommer Sonderling, der den Kirchen Gläubige abgräbt und in eine freikirchliche Sekte führt. Mit viel Musik, lautem Lobpreis und schmucken Veranstaltungen. Kein Kirchenmuff. Kein Theologieballast.»
Was unausgesprochen bleibt
Zusammengefasst entsteht so folgender Eindruck: Der Journalist erkennt an, dass Hartl sich gut zu äussern und darzustellen weiss, ein Mann, der intelligent und auch unterhaltsam sein mag und nicht in die üblichen Schubladen passt. Doch alles in allem bleibt ihm der Gebetsleiter suspekt, gedanklich fern, zu unkonkret und fragwürdig. Auch die Worte «gefährlich» und «Sekte» und andere nicht so charmante Betitelungen fallen, die zumeist nicht von Weyrosta stammen, sondern von Kritikern, die nicht genauer genannt werden, genau so wenig wie die Gründe für diese Urteile.
Zu einigen Einschätzungen fehlen harte Fakten
Die oben erwähnte Darstellung «Er gilt einerseits als frommer Sonderling, der den Kirchen Gläubige abgräbt und in eine freikirchliche Sekte führt» bleibt völlig unbelegt. Denn die meisten Christen, die Hartl anspricht, sind in ihrer Heimatgemeinde engagiert, sind ehrenamtlich Mitarbeitende. Hartl kann nicht in eine Sekte führen, weil er gar keine Anlaufstelle, kein Zuhause anbietet. Vielmehr macht er Christen Angebote mit Veranstaltungen, Vorträgen und Publikationen und ist nicht darauf ausgerichtet, Interessierte aus ihrer Herkunftskirche abzuziehen.
So bleibt der Vorwurf eines Mannes, «der den Kirchen Gläubige abgräbt», unbegründet und geht an der Wirklichkeit völlig vorbei; es ist mehr Vorurteil als Information. Das gilt auch für die wiederholt eingesetzte, aber inhaltlich nicht begründete, Wortkeule «Sekte».
Gott und Glaube sind nur am Rand ein Thema
Deutlicher wird Jonas Weyrosta, als es um die Rhetorik von Hartl geht: «Einige der Sätze von Hartl kommen einem manchmal vor wie Koffer. Man kann sie einfach mitnehmen, meistens kann man sie aber auch füllen, womit man möchte. Entfremdetes Arbeiten, ungebremstes Wachstum, vereinsamtes Leben, zerstrittene Gesellschaften, auseinanderfallende Wahrheiten – alles virulente Themen. Aber man wird eben auch nach zwei Stunden Gespräch und der Lektüre dieses Buches den Eindruck nicht ganz los, dass sich diese Probleme nicht mit nebulösen Begriffen erledigen lassen. Hartl sagt: «Mein Ansatz ist eben kein politischer. Mir geht es um die tiefer liegenden Ebenen menschlichen Lebens.»
Problematisch ist der Artikel nicht, weil er Dr. Hartl kritisiert; es geht vielmehr um die Art und Weise, wie es geschieht: Das Spiel mit Vorurteilen oder Ansprechen von Ängsten mit dem Begriff «Sekte», der inhaltlich nicht begründet wird. Der Text verzichtet darauf, das Glaubensverständnis und Gottesbild von Dr. Hartl zu thematisieren. Natürlich kann ein solcher Beitrag keine tiefgründige theologische Darstellung bieten. Aber eine Auseinandersetzung mit den Aussagen Hartls zu Gott, dem Sinnstifter, zum Glauben und zu Fragen des Frömmigkeitsstils wären für einen Beitrag für «Christ und Welt», einer Publikation der EKD, angemessen und das sollten Leserinnen und Leser von dem Medium auch erwarten dürfen.
Zweierlei Enttäuschung
Alles in allem bleibt der Artikel, nicht zuletzt im Hinblick auf seine Länge, inhaltlich viel zu oberflächlich Es dominieren Beobachtungen des Autors, die eher dessen Voreingenommenheit erkennen lassen, als Sachinformationen zu bieten. Das wird auch an einem nebensächlichen Punkt erkennbar: Weyrosta ärgert sich offensichtlich über den Ort seines Gesprächs mit Johannes Hartl und schreibt: «Statt auf einem Spaziergang im Grünen reden sie in einem winzigen knallpinken Zimmer mit stickiger Luft.» Doch leider enttäuscht und verärgert auch der Artikel, denn er bietet eher subjektive Beobachtungen als Informationen und eine ernstzunehmende Auseinandersetzung.
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Artikel von Zeit
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Autor: Norbert Abt
Quelle: Livenet / Die Zeit