Besorgnis wegen Judenfeindlichkeit an deutschen Schulen
Nachdem der Vater des Mädchens sich an die Schule und die Öffentlichkeit gewandt hatte, weil seine Tochter gemobbt und sogar mit dem Tod bedroht wurde, berichteten zahlreiche Medien über solches religiös motivierte Mobbing. Etliche Politiker bezogen direkt Stellung für das angegriffene Mädchen und gegen Antisemitismus. Der deutsche Bundesaussenminister Heiko Maas, der selbst gerade in Israel und den Palästinensischen Autonomieregionen unterwegs war, twitterte empört: «Wenn ein Kind antisemitisch bedroht wird, ist das beschämend und unerträglich. Jeder Form von Antisemitismus müssen wir uns entschieden entgegen stellen. Wir müssen bei uns in Deutschland und weltweit alles tun, um jüdisches Leben zu schützen.»
Reaktionen
Das Kölner Domradio fasst auf seiner Internetseite eine ganze Reihe an Reaktionen zusammen. Deren Tenor ist, dass es sich zwar noch nicht um ein flächendeckendes Problem an deutschen Schulen handle, trotzdem aber dringend angegangen werden müsse. Markus Dörge, der evangelische Berliner Bischof, betonte zum Beispiel: «Wenn Kinder sich untereinander aus religiösen Gründen mobben, anstatt staunend und neugierig darauf zu schauen, was sie voneinander unterscheidet, ist Handeln dringend geboten.»
Antisemitismus – mehr als ein Wort
Antisemitismus bezeichnet eine pauschale Ablehnung von Juden bzw. des Judentums. Dabei geht es um mehr als Fremdenfeindlichkeit mit sozialen oder religiösen Vorurteilen. Er ist vielmehr eine antimoderne Weltanschauung, die die Ursache aller Probleme in der Existenz der Juden sieht. Antisemitismus kommt in unterschiedlichen politischen Lagern vor – von links bis rechts. Vielfach ist er auch religiös motiviert. Laut der deutschen Bundeszentrale für politische Bildung wächst er zurzeit, denn immerhin 21 Prozent der Befragten einer Studie in Deutschland meinen, dass der Einfluss der Juden zu gross sei. Die Verbalattacken auf dem Berliner Schulhof passen recht gut in diese Entwicklung, denn die Tabuschwelle für solche Antisemitismen ist in den letzten Jahren deutlich gesunken.
Judenfeindlichkeit im Alltag
Sanem Kleff ist Leiterin eines Projekts «Schule ohne Rassismus». In einem Interview der Amadeu Antonio Stiftung differenzierte sie verschiedene Formen des alltäglichen Antisemitismus. So gibt es die unbewusste mittransportierte Form. Dabei benutzen Kinder und Jugendliche «Jude» gedankenlos als Schimpfwort. Dann folgt der halb bewusste Antisemitismus. Hier wird in Gesprächen über Wirtschaft oder Politik behauptet: «Daran sind die Juden schuld», meist ohne ein geschlossenes Weltbild damit zu verbinden. Schliesslich gibt es die bewusst antisemitische Weltanschauung. Sie ist entweder durch ein islamistisches Weltbild oder rechtsextremen Hintergrund fundiert. Natürlich kann es nicht darum gehen, kindliches Nachplappern streng zu sanktionieren, aber jede der beschriebenen Formen verletzt das Gegenüber und setzt gleichzeitig die Hemmschwelle für weitere antisemitische Äusserungen und Aktionen herab.
Und was hilft?
Bei gefestigten antisemitischen Formen sind sicher auch Sanktionen angebracht, doch in den meisten Fällen gilt es zu reden, nachzufragen (Wie meinst du das? Warum sagst du das?) und immer wieder konsequent zu intervenieren. Informationen über den Hintergrund von Antisemitismus sind ebenfalls wichtig, aber hier passiert schon recht viel. Nur dass Information allein eben nicht reicht. Weitere Stichworte sind Zivilcourage und Opferschutz. All dies ist mit Aufwand verbunden. Aber genau dieser Aufwand ist nötig, um aufzuklären, Antisemitismus zu verhindern und Betroffene in Schutz zu nehmen. Rückzug kann keine Lösung sein.
Das Berliner Mädchen wird ihre Schule wohl verlassen. Die Täter bleiben. An einer Grundschule bestehen nur wenige Möglichkeiten, sie zur Rechenschaft zu ziehen. Und die jüdische Gemeinde in Berlin plant bereits eine jüdische Schule, damit ihre Kinder dort Schutz finden. Doch eine wirkliche Lösung ist nur gesamtgesellschaftlich möglich.
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Datum: 28.03.2018
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet