Russland will 200 Schnellbaukirchen errichten lassen
Auf einer kleinen Wiese zwischen den Hochhäusern von Butowo sollte sie stehen, die erste von 200 neuen orthodoxen Kirchen in Moskau. In den Wohntürmen der Trabantenvorstadt am Südrand der russischen Hauptstadt leben mehr als 160.000 Menschen. Es gibt aber in der gesamten Gegend nur ein orthodoxes Gotteshaus, die rostbraune Kirche der Geburt Christi aus dem 18. Jahrhundert. Deshalb wurde bereits im vergangenen November feierlich der Grundstein für die zweite Kirche gelegt. Ein orthodoxes Kreuz aus hellem Holz markiert seitdem den Baugrund. Doch gebaut wurde bisher nichts.
Erheblicher Kirchenmangel
Marina Petrowna, eine junge Mutter aus der Nachbarschaft, schiebt den Kinderwagen am Metallzaun entlang und schaut sich die grosse Bautafel an. Weiss soll die neue Kirche werden, aus Stahlbetonteilen zusammengesetzt, mit einem grossen und vier kleinen Zwiebeltürmen auf dem Dach. Die geplante Kirche sehe ja ganz gut aus, urteilt Marina Petrowna, die selbst nur einmal im Jahr zur Messe geht. Von Nachbarn habe sie gehört, dass es an Feiertagen sehr eng sei in der einzigen Kirche des südlichen Butowo.
Das weiss auch das Moskauer Patriarchat. In der Hauptstadt herrsche eklatanter Kirchenmangel, klagt Patriarch Kyrill regelmässig. Das Verhältnis von Einwohnern zu Gotteshäusern sei katastrophal. Das Kirchenoberhaupt geht davon aus, dass 89 Prozent der Moskauer orthodoxen Glaubens sind, offizielle Zahlen gibt es nicht. Nach den Berechnungen der Kirche kommen auf ein Gotteshaus durchschnittlich 35.000 Gläubige. Da die meisten der rund 1.000 existierenden Kirchen im historischen Zentrum stehen, ist das Verhältnis besonders in den Pendlervororten schlecht.
Für 15 steht der Grund
So entstand der Plan, in den kommenden drei bis vier Jahren 200 neue, schnell zu errichtende Kirchen zu erbauen. Verschiedene Modelle mit Platz für 100 bis 500 Gläubige stehen zur Auswahl. Moskaus Bürgermeister Sergei Sobjanin unterstützt das Patriarchat. Vor wenigen Wochen kündigte er an, die notwendigen Grundstücke zur Verfügung zu stellen. Für 15 Neubauten steht der Grund schon bereit, weitere Flächen sollen ausgewiesen werden.
Die Orthodoxen haben für ihre ambitionierten Kirchenneubauten zwar die Stadtverwaltung hinter sich, trotzdem geraten die Bauvorhaben ins Stocken. Denn es fehlt an Geld. Die Schnellbaukirchen sollen aus Spenden finanziert werden. An Wohltätern aus Wirtschaft und Politik, die bisher oft eingesprungen waren, scheint es jedoch nach der Wirtschaftskrise zu mangeln. Und auch private Einzelspenden bleiben bisher aus.
Datum: 25.06.2011
Quelle: epd (Ann-Dorit Boy)