«Wir praktizieren das Grundeinkommen erfolgreich»
Heiner Schubert, Pfarrer und Leiter der Kommunität Don Camillo in Montmirail, erläuterte in Zürich mit einem theologischen Input mit Wort und gleichzeitigem Zeichnen das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg im Matthäus-Evangelium, Kapitel 20. Dem Leser falle vordergründig auf, dass der Weinbergbesitzer offensichtlich ein schlechter Planer war, wenn er mehrmals am Tag nochmals neue Arbeiter anheuern musste. Die von den ersten Arbeitern als Skandal empfundene Tatsache, dass sie gleich bezahlt wurden wie diejenigen, die nur eine Stunde dafür arbeiteten, erlaubt einen Blick in ein Geheimnis des Reiches Gottes: Offensichtlich ist hier das Existenzrecht und die Würde des Einzelnen wichtiger als das in dieser Welt übliche Leistungsprinzip.
Urchristliches Prinzip
Jedenfalls, so Heiner Schubert, erhielten alle Arbeiter im Gleichnis eine Art Grundeinkommen, ob sie nun den ganzen Tag oder nur eine Stunde gearbeitet hatten. Es reichte zum Leben aus. Ähnliche Verhältnisse herrschen ansonsten nur in kommunitären christlichen Gemeinschaften. Auch seine Kommunität kenne eine Art Grundeinkommen, indem die bestehenden Einkommen unter die Mitglieder verteilt werden, so Schubert. Das war auch in der christlichen Urgemeinde das Prinzip, in der selbst der Besitz verkauft und der Erlös für den Unterhalt der christlichen Gemeinschaft eingesetzt wurde. In der Jerusalemer Urgemeinde hat sich diese Regelung nach einhelliger Auffassung der Ausleger nicht bewährt, weil später die kleinasiatischen und europäischen Gemeinden Kollekten für Jerusalem sammelten. Doch in Montmirail sei dieses Teilen bis heute erfolgreich. Hier sei es nicht Voraussetzung für gemeinschaftliches Leben, sondern die Folge.
Ein Stück Himmel auf Erden – und viel weniger Ämter
Obwohl sich das schwer auf ein ganzes Land übertragen lässt, fasziniere ihn der Gedanke, mit einem bedingungslosen Grundeinkommen für alle «ein Stück Himmel auf Erden» zu schaffen, sagte Schubert in Zürich. «Doch es erfordert ein neues Denken für ein gemeinschaftliches Projekt.» Der Vorteil: «Wir hätten viel weniger Ämter auf Erden.» Der Zweifel: Würden unsere Jugendlichen noch bereit sein, eine aufwändige Lehre oder ein Studium auf sich zu nehmen?
Im Anschluss an den theologischen Input wurde eine engagierte Diskussion geführt, an der Franziska Schläpfer, alias Rapperin «Big Zis» (pro), und Nationalrat Philipp Hadorn (pro Vision einer gerechten Gesellschaft, aber contra Initiative) teilnahmen. Den Stuhl der ausgefallenen Contra-Referentin, Nationalrätin Doris Fiala, nahmen abwechselnd Teilnehmerinnen des Tagung ein (mehr dazu im idea Spektrum Schweiz vom Mittwoch).
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Datum: 23.05.2016
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet