Nach einer Ablehnung käme es zum nächsten Anlauf
Die Diskussion um das umstrittene Gesetz, das auch homosexuellen Menschen die Ehe – und Lesben die Samenspende – erlauben soll, ist bislang im evangelischen Raum weithin sehr sachlich verlaufen. Dies war auch in der «DenkBar» am Donnerstagabend in Winterthur der Fall. Auch wenn die Diskussion zum Teil sehr engagiert geführt wurde.
Die Denkbar, diesmal von der Evangelischen Allianz Winterthur durchgeführt und auch für Zuhörende zuhause gestreamt, wurde als reine Podiumsdiskussion durchgeführt. Zuhörende hatten aber die Möglichkeit, via Internetportal Fragen an die Runde einzuwerfen. Für die Ehe für alle votierten Priscilla Schwendimann, Pfarrerin für die LGBTQ-Community in Zürich, und Renato Pfeffer, Jugendpfarrer in der reformierten Kirche Horgen. Gegen das Gesetz argumentierten der Generalsekretär der Schweizerischen Evangelischen Allianz, Marc Jost, und Paul Bruderer, Pastor der Chrischona Frauenfeld.
Kinder mit homosexuellen Eltern
In seinem einleitenden Referat begründete Marc Jost seine Ablehnung des Gesetzes mit dem Wohl der Kinder. Kinder von lesbischen Paaren, die durch die Samenspende ermöglicht werden, hätten weder einen biologischen noch sozialen Vater, weil dessen Name erst nach dem 18. Altersjahr des Kindes offengelegt werden müsse. Das Gesetz schaffe zudem eine neue Ungerechtigkeit gegenüber männlichen Paaren, da die Leihmutterschaft weiterhin nicht erlaubt sei. Im Kontrareferat argumentierte Renato Pfeffer, dass die aktuelle Diskussion zu Samenspende und Adoption zu spät komme, da die Fragen dazu per Gesetz zum Teil schon vor 20 Jahren (Samenspende) geregelt worden seien.
Ihm hielt Marc Jost in der Disskussion entgegen, dass es für lesbische Paare, im Gegensatz zu heterosexuellen, keine einjährige Wartefrist (nach der Feststellung der Unfruchtbarkeit) für eine Samenspende gebe. Damit sei der Zugang für lesbische Paare einfacher als für Ehepaare!
Kindeswohl – Die Crux mit den Studien
Eine längere Diskussion ergab sich aus den unterschiedlichen Studien zum Kindeswohl von schwulen und lesbischen Paaren. Von beiden Seiten wurden Studien für ihre Argumentation zitiert. Es wurde aber zunehmend klar, dass die Argumentation hier schwierig ist, da die Studien vielschichtig sind und ihnen unterschiedliche Ausgangslagen zugrunde liegen.
Priscilla Schwendimann bekannte, dass ein Kind ihr Herzenswunsch wäre. Sie sieht die Möglichkeit, dass ihr Kind einen Götti bekäme und so auch einen Mann in seinem Umfeld kennenlernte.
Gleiche Rechte für alle
Entscheidend für Priscilla Schwendimann und Renato Pfeffer ist, dass mit dem neuen Gesetz gleiche Rechte für alle gelten. Dies mache es möglich, dass man sich nicht immer wieder (als Frau in eingetragener Partnerschaft) outen müsse, so Schwendimann. Pfeffer gab zu bedenken, dass es schon in der Bibel sehr unterschiedliche Familienmodelle wie Patchworkfamilien, aber auch Leihmutterschaft, gegeben habe.
Die Ehe, staatlicher Vertrag oder heiliger Bund – auch für LGBTQ?
Paul Bruderer hat sich intensiv mit den theologischen Grundlagen der Ehe befasst. Auf den Einwand von Renato Pfeffer, dass Luther die Ehe als «weltlich Ding» bezeichnet habe, entgegnete er, dass der gleiche Luther die Ehe als von Gott gestiftet angesehen habe. Auch Jesus habe die Ehe als Bund von Mann und Frau und ihre grundsätzliche Unauflösbarkeit bestätigt.
Priscilla Schwendimann entgegnete, dass es bei der Diskussion um die gleichgeschlechtliche Ehe um eine hermeneutische Frage, also um die theologische Deutung der biblischen Aussagen, gehe. Daher wurde von der Runde auch die Frage der möglichen Mitarbeit von homosexuellen Menschen – die ihre Homosexualität ausleben – in der Kirche von den Kontrahenten unterschiedlich beantwortet.
Die Freiheit von Pfarrpersonen eingeschränkt?
Schliesslich wurde die Frage der Gewissensfreiheit von Pfarrerinnen und Pastoren diskutiert, die von einem kürzlich publizierten Rechtsgutachten aufgeworfen wurde, das die Frage der möglichen Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Paaren durch Pfarrpersonen bejahte, die ihnen die Trauung verweigern. Priscilla Schwendimann betonte, dass freikirchliche Pastoren davon nicht betroffen wären, weil sich das Gutachten auf die öffentlich-rechtlichen Kirchen beschränke. Sie würde sich im konkreten Fall entschieden für die Gewissensfreiheit einsetzen. Renato Pfeffer ergänzte, auch er beanspruche die Freiheit, Paare nicht zu trauen, welche die Voraussetzungen, die er dafür voraussetze, nicht erfüllten. Er verweigere die Trauung, wenn diese lediglich als Zeremonie gewünscht werde.
Was würden Sie tun, wenn ...?
In der Schlussfrage, was die Diskussionsteilnehmer tun würden, sollte das Gesetz abgelehnt werden, machten sowohl Schwendimann wie Pfeffer klar, dass sie sich weiterhin für die Ehe für alle einsetzen würden. Paul Bruderer würde weiterhin das Gespräch mit den Betroffenen suchen, während Marc Jost die Frage der Kinder von gleichgeschlechtlichen Paaren aktuell bleiben würde.
Die DenkBar
Die
DenkBar ist die jüngste Arbeitsgemeinschaft der Schweizerischen Allianz. Sie
will mit Debatten rund um «Glauben und Denken» und der Auseinandersetzung mit
kritischen Fragen dazu beitragen, dass Kirchen und Christen in Bezug auf ihre
Glaubensüberzeugungen sprachfähiger werden. So lädt die DenkBar ein, sich mit
anderen Meinungen auseinander zu setzen. Dabei soll der eigene Standpunkt durch
Behandlung von kontroversen Themen hinterfragt und geschärft werden.
Zum Thema:
Marc Jost: «Ich konnte auch in brenzligen Situationen ruhig bleiben»
Gespräch mit Renato Pfeffer: Livenet-Talk mit «Ehe für alle»-Befürworter
Gespräch mit Florian Sondheimer: Livenet-Talk mit «Ehe für alle»-Gegner
Datum: 07.09.2021
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet