Bioprint-Implantat könnte gelähmten Menschen helfen
Mit Hilfe einer Technologie, die im Laufe eines Jahrzehnts im Labor für regenerative Biotechnologie von Professor Tal Dvir an der Universität Tel Aviv entwickelt wurde, ermöglichte das Implantat gelähmten Labormäusen, wieder zu gehen.
Ein soeben in der Zeitschrift «Advanced Science» veröffentlichter Artikel enthält die bemerkenswerten Details. «Es ist wie Science Fiction», sagt Asaf Toker, CEO von Matricelf, dem Unternehmen, das Dvirs bahnbrechende Technologie auf den Markt bringen will.
Dvirs Labor druckte vor zwei Jahren das weltweit erste vaskularisierte menschliche Miniaturherz in 3D. In demselben Jahr gründeten Dvir und Alon Sinai das Unternehmen Matricelf, das im Jahr 2021 an die Börse ging. Am 30. Januar unterzeichnete das Unternehmen eine exklusive globale Lizenzvereinbarung mit dem Technologietransferunternehmen Ramot der Universität Tel Aviv, um das Patent für den 3D-Druck von Geweben und Organen zu vermarkten und zu nutzen.
Keine Abstossung
«Mit unserer Technologie können wir jedes beliebige Gewebe herstellen», erklärt Toker. «Das erste Projekt sind Nervenimplantate für Menschen mit einer Rückenmarksverletzung, die zu Lähmungen führt.»
Dvir erklärt, dass die Technik mit der Entnahme einer kleinen Biopsie von Bauchfettgewebe des Patienten beginnt. «Dieses Gewebe besteht, wie alle Gewebe in unserem Körper, aus Zellen zusammen mit einer extrazellulären Matrix aus Substanzen wie Kollagenen und Zuckern.»
Und weiter: «Nachdem wir die Zellen von der extrazellulären Matrix getrennt hatten, programmierten wir die Zellen mit Hilfe der Gentechnik um und versetzten sie in einen Zustand, der embryonalen Stammzellen ähnelt, die sich zu jeder Art von Zelle im Körper entwickeln können.» Dadurch entstehe keine Immunreaktion oder Abstossung, was das Hauptproblem bei Spenderimplantaten sei.
Bei Mäusen getestet
«Wir haben dann die Stammzellen in das Hydrogel eingekapselt und in einem Prozess – der die embryonale Entwicklung des Rückenmarks nachahmt – die Zellen in 3D-Implantate neuronaler Netzwerke mit Motoneuronen verwandelt», so Dvir.
Die menschlichen Rückenmarksimplantate wurden dann Mäusen eingepflanzt. Die Hälfte der Mäuse war erst seit kurzem gelähmt (akutes Modell) und die andere Hälfte war bereits seit einem Jahr gelähmt (chronisches Modell).
Nach der Implantation und einem schnellen Rehabilitationsprozess erlangten 100 Prozent der akut gelähmten Mäuse und 80 Prozent der chronisch gelähmten Mäuse ihre Gehfähigkeit zurück.
«Dies ist weltweit der erste Fall, in dem implantiertes menschliches Gewebe in einem Tiermodell für langfristige chronische Lähmungen – dem wichtigsten Modell für die Behandlung von Lähmungen beim Menschen – zur Genesung geführt hat», sagte Dvir.
Implantat für jeden gelähmten Menschen
«Menschen, die in sehr jungen Jahren verletzt werden, sind dazu verdammt, für den Rest ihres Lebens im Rollstuhl zu sitzen und alle sozialen, finanziellen und gesundheitsbezogenen Kosten der Lähmung zu tragen», da es bisher keine wirksame Behandlung gibt, so Dvir weiter. «Unser Ziel ist es, für jeden Gelähmten ein personalisiertes Rückenmarksimplantat herzustellen, das die Regeneration des geschädigten Gewebes ohne das Risiko einer Abstossung ermöglicht.»
Nach Gesprächen mit der US-amerikanischen «Food and Drug Administration» (FDA) plant Matricelf die erste klinische Studie des Rückenmarksimplantats am Menschen für Ende 2024. «Da wir eine fortschrittliche Technologie in der regenerativen Medizin vorschlagen und es derzeit keine Alternative für gelähmte Patienten gibt, können wir mit einer relativ schnellen Zulassung unserer Technologie rechnen.»
Drucken von Geweben und Organen
Toker erklärt, was diese Technologie so einzigartig macht: «Es werden zwei Komponenten benötigt: Zellen und eine extrazelluläre Matrix als Gerüst für die Zellen, die das Gewebe aufbauen. Viele Unternehmen verwenden dafür synthetische Materialien als Gerüst oder Zellen von einem Spender. Aber wenn man fremdes Material in den Körper einführt, wird es vom Immunsystem angegriffen, und das Implantat versagt, es sei denn, der Patient nimmt Medikamente zur Unterdrückung des Immunsystems ein.»
Die von Dvir entwickelte Matricelf-Technologie verwendet patienteneigene Zellen und extrazelluläre Matrix. Das Immunsystem erkennt sie und greift sie nicht an. «Die neue Lizenzvereinbarung mit Ramot ermöglicht uns auch den 3D-Druck von Geweben und Organen», sagt Toker.
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Datum: 10.02.2022
Autor: Abigail Klein Leichman / Daniel Gerber
Quelle: Israel21c.org / gekürzte Übersetzung: Livenet