In Tunesien entstand das Wort «Dreifaltigkeit»
Das nordafrikanische Tunesien ist tief im Christentum verwurzelt und verfügt über ein reiches Erbe, das Jahrhunderte zurückreicht. Trotz seiner mehrheitlich muslimischen Bevölkerung prägt die Glaubensgeschichte des Mittelmeeranrainers, einschliesslich des Erbes des antiken Karthago, noch immer einen Teil seiner Identität.
«Tunesien ist ein wunderbares Land», sagt Elijah, ein einheimischer Gemeindeleiter in der Hauptstadt Tunis. «Wir nennen es gerne die ‚Perle des Mittelmeers‘. Es blickt auf das Mittelmeer und ist wie ein wunderschönes Fenster zu unserer Wüste.»
Hier wurde «Star Wars» gedreht
Eingebettet zwischen Algerien, Libyen und dem Mittelmeer bietet Tunesien eine beeindruckende landschaftliche Vielfalt – von malerischen Stränden bis hin zu den Weiten der Sahara. Filmfans dürfte Tunesien auch als Heimat von «Star Wars» bekannt sein: Die ersten sechs Filme der Reihe wurden hier gedreht, einige Drehorte sind noch heute in der Wüste zu sehen.
Tunesien hat aber auch eine beeindruckende christliche Geschichte. «Schon 200 Jahre nach Christus gab es hier eine lebendige Kirche», erklärt William Brown, ein US-Amerikaner, der seit 22 Jahren in Tunesien lebt und die Reformierte Kirche Tunesiens leitet. Etwa 20 Minuten nordöstlich der Hauptstadt Tunis liegen die antiken römischen Ruinen von Karthago. «Sie sind sehr beeindruckend.»
«Hier unterrichtete Augustinus»
Karthago war ein wichtiges Zentrum des frühchristlichen Denkens und die Heimat einflussreicher Kirchenväter. «Da ist Cyprian mit seinem Werk über die Einheit der Kirche. Dann Augustinus, der zwar nicht aus Karthago, sondern aus dem heutigen Algerien stammte, aber hier lehrte», erklärt Brown.
«Und natürlich Tertullian – ein tunesischer Rechtsgelehrter, der zum Christentum fand und ein neues Vokabular entwickelte, um christliche Konzepte zu erklären. Sogar das Wort 'Dreifaltigkeit' geht auf ihn zurück.»
Der Amerikaner Frank Bernardi, Pfarrer der «St. George's Anglican Church» in Tunis, beschreibt Karthago als ein wichtiges Zentrum des Christentums im 2. und 3. Jahrhundert – ein blühendes Zentrum des Glaubens, das als Sitz der Kirche für ganz Nordafrika diente. «Es war eine Art Hochleistungskirche, die weltweit bekannt war, weil ihre Mitglieder ihren Glauben so ernst nahmen und bereit waren, dafür zu sterben.»
Zahlreiche Märtyrer
Corne Bekker, Dekan der School of Divinity an der Regent University, betont, dass das Christentum im Römischen Reich auf Widerstand stiess. «Karthago war ein Brennpunkt der Verfolgung. Das Christentum kam Anfang des 2. Jahrhunderts hierher, und von Anfang an gab es viele Märtyrer», so Bekker.
Zu den bekanntesten Märtyrern gehören Felicitas und Perpetua, zwei Frauen, die am 7. März 203 nach Christus ins Amphitheater geführt wurden, um für ihren Glauben bestraft zu werden. Historischen Berichten zufolge wurden Felicitas und Perpetua durch das Tor hinaus und durch einen schmalen Gang im unteren Teil des Amphitheaters geführt. Auf den oberen Rängen hatten sich an jenem 7. März vermutlich zehntausende Menschen versammelt, die erwarteten, dass die beiden Christinnen von wilden Tieren zerrissen würden. Stattdessen befahl der damalige Kaiser, die Frauen mit dem Schwert hinzurichten.
«Sie verleugneten ihn nicht»
Moufida (Name aus Sicherheitsgründen nicht vollständig genannt), ein Mitglied der christlichen Gemeinde vor Ort, berichtet: «Die Christen damals, die die Wahrheit angenommen haben, haben sich selbst geopfert und Christus und ihren Glauben nicht verleugnet. Ich fühle mich mit diesen Märtyrern verbunden, die zu den ersten tunesischen Christen gehörten. Ich gehöre zu etwas Historischem, das in Tunesien tief verwurzelt ist, und das macht mich noch stolzer, zu Christus zu gehören.»
Elijah sagt, dass die kleine christliche Gemeinschaft des Landes ein lebendiges Zeugnis für die beständige Kraft des Glaubens ist. «Es ist eine Herausforderung, in Tunesien Christ zu sein, aber auch eine Freude, das christliche Leben zu leben und mit anderen zu teilen.»
In Tunesien leben heute schätzungsweise 30'000 Christen, von denen 80 Prozent Ausländer sind. Die Zahl der einheimischen tunesischen Gläubigen liegt bei etwa 5'000 (bei einer Einwohnerzahl von 12,4 Millionen)
Offenheit wächst
Obwohl Tunesien ein mehrheitlich muslimisches Land ist, wird die Religionsfreiheit anerkannt. Seit dem Arabischen Frühling vor fast 14 Jahren hat die Regierung zunehmend demokratische Werte angenommen. «Früher war es für Christen sehr schwierig, offen von Christus zu sprechen und ihren Glauben zu teilen», erinnert sich Moufida. «Manche wurden geschlagen und starben im Gefängnis. Es gab viele Gefahren und Einschränkungen. Aber jetzt, mit der Öffnung der Gesellschaft, ändert sich das langsam.»
Bernardi betont, dass das geistige Erbe Tunesiens nicht nur in den antiken Ruinen, sondern auch im Gedächtnis der Märtyrer und Theologen bewahrt wird. Er wünscht sich ein neues spirituelles Erwachen, das an das kraftvolle, weltverändernde Christentum früherer Zeiten anknüpft. «Ich wünsche mir, dass die Christen dafür beten, dass der Segen Karthagos in dieses Land zurückkehrt», sagte Bernardi. «Damals hat dieses ‘Hochleistungschristentum’ die Kirche definiert und die Welt verändert. Und ich hoffe, dass dies wieder geschehen wird.»
Glaube wird im Verborgenen gelebt
Tunesiens Christen sind jedoch nach wie vor Diskriminierungen und Angriffen ausgesetzt, die oft im Verborgenen und unbemerkt von der Öffentlichkeit stattfinden, bilanziert «Open Doors». Sie erfahren Ablehnung durch ihre Familien, Freunde und Partner. Zudem werden sie Opfer von verbaler, psychischer und physischer Gewalt.
Aus diesen Gründen können die meisten tunesischen Konvertiten muslimischer Herkunft ihren christlichen Glauben nicht offen praktizieren und verstecken ihn lieber. Die Feindseligkeit und der Druck, dem sie von der Gesellschaft ausgesetzt sind, machen es für sie gefährlich, mit Familienmitgliedern oder Freunden über ihren Glauben zu sprechen. Ausserdem ist es für sie schwierig, sich zu Gottesdiensten zu versammeln.
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Datum: 14.02.2025
Autor:
George Thomas / Daniel Gerber
Quelle:
CBN / gekürzte und ergänzte Übersetzung: Livenet