Primo Cirrincione: «Fairness heisst weitsichtig handeln»
Jesus.ch-Print: Primo Cirrincione, leben
wir in einer fairen Welt?
Primo Cirrincione: Auf keinen Fall. Es gibt viele Unterschiede, was Besitz, Bildung und Chancen anbelangt. Nehmen wir den
Hunger auf der Welt: Es wäre
genügend Nahrung für alle da. Sie ist einfach nicht fair verteilt. Die, die
viel haben, können nicht genug
kriegen. Trotzdem muss man sehen, dass diese Welt
nicht nur unfair ist. Es gibt immer mehr Menschen, die nicht mehr zusehen
wollen, die ihr Denk- und Konsumverhalten ändern – durch
den Kauf von Fairtrade-Produkten etwa oder persönliches Engagement.
Faires Handeln hängt auch mit unseren Werten zusammen. Behandeln wir die Menschen in Bezug auf Geschlecht, Gesundheitszustand, Herkunft, Religion und sozialer Position gleichwertig?
Was bringt uns
faires Verhalten?
Wenn ich mit
jemandem freundlich umgehe, ihn unterstütze oder schütze, dann kommt etwas
zurück. Ohne es bezweckt zu haben, erhalte ich Bestätigung und Anerkennung und empfinde Glück dabei.
Es ist eine Art Geheimnis, das die Bibel in der Apostelgeschichte,
Kapitel 20,
Vers 35 zusammenfasst. Der Apostel
Paulus zitiert dort die
bekannten Worte von Jesus: «Geben ist seliger als Nehmen».
Was sagt die Bibel sonst noch zum Thema
Fairness?
Im Gegensatz zu uns Menschen, die in Sachen Fairness
schwarz-weiss denken, steht Gott immer auf der Seite der Benachteiligten. In Jesaja, Kapitel
58, Vers 7 fordert Gott uns auf: «Teilt euer Brot mit den Hungrigen, nehmt
Obdachlose bei euch auf, und wenn ihr einem begegnet, der in Lumpen herumläuft, gebt ihm Kleider!
Helft, wo ihr könnt, und verschliesst eure
Augen nicht vor den Nöten
eurer Mitmenschen!» Liebe und Barmherzigkeit gehen bei Gott vor. Ich denke auch
an die spannende Geschichte des
Königs David, den Gott
trotz Ehebruch und Auftragsmord nicht
aufgibt (2. Buch
Samuel, Kapitel 11 und 12).
Sie sind in Ihrer Freizeit
Fussball-Schiedsrichter. Wie leben Sie
dort Fairness?
Ich
versuche immer mit Weitsicht zu reagieren. Wenn ein Spieler im Vorfeld auffällig war, behalte
ich ihn im Auge. Aber nicht, um ihn beim nächsten Fehltritt sogleich zu
sanktionieren. Ich frage mich, weshalb er aggressiv spielt. Und ich versuche, mich in ihn und sein soziales Umfeld hineinzuversetzen. Oft sind es starke, engagierte Männer, die ihre Grenzen einfach
nicht kennen. Foult dieser Spieler erneut, bitte ich ihn, die Grenzen zu respektieren, ermutige ihn und
lobe vielleicht noch sein Talent. Das zahlt
sich immer aus.
Was sollen wir tun, wenn wir unfair behandelt werden?
Es ist
menschlich und verständlich, wenn wir uns zunächst ärgern und Hass gegenüber der
Person empfinden. Aber das bringt uns
nicht weiter. Mir hilft es, zu versuchen, einen Schüler oder Spieler,
der sich daneben benimmt, mit den Augen von Jesus zu sehen.
Dann verändert sich mein Denken. Dann kann ich
Mitgefühl, ja sogar Liebe empfinden.
Ganz wichtig ist auch zu eruieren, weshalb ich mich so ärgere. Oft stecken persönliche Defizite (aus der Kindheit) dahinter – mangelnde Wertschätzung zum Beispiel. Gott möchte diese ausfüllen. Er ist immer
für uns!
Zur Person
Primo Cirrincione (46) ist dreifacher Vater und unterrichtet als Religionslehrer an der Unterstufe. Er lebt in Muttenz BL.
Dieser Artikel stammt aus dem Jesus.ch-Print Nr. 45 zum Thema «Fairness». Hier können Sie die neue Ausgabe bestellen oder herunterladen und verteilen.
Zum Thema:
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Datum: 20.02.2018
Autor: Manuela Herzog
Quelle: Livenet