Click, click zum Sexkick
Als Single mit eigener Wohnung war für Michael der nächste Kick nur einige Klicks weit weg. „Bilder von 'normalem' Geschlechtsverkehr reichten bald nicht mehr aus, ich suchte nach immer krasseren Darstellungen. Es wurde immer härter und mit der Zeit zum Problem", erfuhr Michael, der heute in einer Wohngemeinschaft lebt.
Schon mit sechs befriedigte er sich selbst. Katalogbilder von Unterwäsche, softerotische Heftli und später Pornoheftli hielten ihn auf Trab. Der Kick war nur von kurzer Dauer. „Nachdem ich mich befriedigt hatte, fühlte ich mich wieder leer." Die Spannung war weg und er fragte sich: „Weshalb mache ich das?"
Im christlichen Elternhaus
Michael wuchs in einem christlichen Elternhaus auf und interessierte sich schon als Kind für Gott. In der Pubertät setzte er sich intensiv mit dem christlichen Glauben auseinander, las in der Bibel und suchte das Gespräch mit anderen Christen. „Ich habe mir dann gesagt: ich will auch an einen lebendigen Gott glauben, darin erkannte ich einen Sinn."Dennoch behielt die Sexsucht ihn vorerst im Griff. Es dauerte Jahre, bis Michael in einer Veranstaltung mit dem Thema konfrontiert wurde. Der Referent sprach über seine Erfahrungen mit der Internetpornographie. „Das hat mich total angesprochen, dieser Mann wusste, wovon er sprach, er erzählte meine Geschichte", erinnert sich Michael. Er packte die Chance und suchte das Gespräch mit dem Fachmann. Der Referent, Benjamin Schaffner, erinnert sich: „Ich ermutigte Michael, Schritte zu tun, die ihm helfen würden, aus dem Suchtkreislauf auszubrechen und die Scham zu durchbrechen." Für Michael war entscheidend, dass er über seine Sexsucht sprechen konnte: „Es war für mich eine riesige Befreiung, endlich mit jemandem offen darüber zu reden und diesen Mist auszuräumen."
Die verborgenen Themen
In der Beratung wurde Michael klar, dass die Sexsucht ein Symptom war, hinter der sich offene Fragen wie Identität und Selbstwert verbargen. „Es half mir, mich über längere Zeit mit diesen Themen zu beschäftigen, meint Michael. Bei regelmässigen Treffen mit Gesprächsgruppen oder im Einzelgespräch kam er seinen wirklichen Bedürfnissen auf die Spur.„Anfangs war es ein schwieriger Prozess", erinnert sich Michael. Monatelang kämpfte er gegen Gefühle der Unsicherheit, Angst und Scham. Er schwankte zwischen Wut und Resignation. „Doch ich hatte Gott sei Dank immer die Motivation, dran zu bleiben", meint Michael, „auch wenn es oft sehr hart war".
Auch seine Ansichten über Gott musste Michael revidieren. „Ich trug das Bild eines strafenden Gottes in mir, der mit ausgestrecktem Zeigefinger auf mich zeigte und mich wegen meiner Sucht anklagte." Nach und nach lernte er Gott als einen barmherzigen, liebenden Vater kennen. „Ich verstand auf einmal, dass Jesus für meine ganze Schuld bezahlt hatte, und dass Gott mich liebt."
„Unglaubliche Lebensqualität"
Durch die Pornographie hatte Michael ein völlig falsches Frauenbild entwickelt: die Frau als stets williges Lustobjekt. Nun musste er einen neuen, respektvollen Umgang mit Frauen lernen. Das gelingt ihm immer besser. Er ist auch sportlich aktiv geworden und geht Joggen, statt einsam daheim herumzuhängen; er trifft Freunde, die ihm helfen, die Einsamkeit zu vertreiben und gegen den Suchtkreislauf anzugehen. Und er gibt seine positiven Erfahrungen in Gruppengesprächen weiter. „Ich kann meine Gefühle heute erkennen und ausdrücken, und das Beste ist, ich werde nicht mehr fremdbestimmt", stellt er befriedigt fest. „Ich bestimme selbst, was ich möchte und kann mich auch abgrenzen gegen das, was ich nicht will." Das gebe ihm heute „eine unglaubliche Lebensqualität", meint Michael strahlend. * Name geändertMehr zum Thema: Porno-Frei!
Datum: 11.01.2010
Autor: Willy Seelaus
Quelle: Livenet.ch