Urs Leuenberger

Ein Leben für die Menschen und die Musik

Urs Leuenberger, 65 Jahre, wohnt in Waldstatt AR
«Mister Gospel», Urs Leuenberger aus Waldstatt gibt Einblick in sein berufliches Palmarès als Pöstler, Suchtkrankenhelfer, Sozial- und Jugendarbeiter und erzählt von seiner Leidenschaft für Gospelmusik.

Urs Leuenberger ist einer der grössten Experten und Förderer in Sachen Gospel in der Schweiz. Der 65-Jährige und zweifache Vater war 30 Jahre lang Leiter und Gesicht des bekannten «Gossau Gospel Choir», hat unzählige Radiobeiträge über Gospel und Brassbands moderiert und organisiert noch heute zweimal im Jahr Gospel-Wellness-Ferien.

Vom Kinderheim zu den Grosseltern

Urs Leuenberger wird im März 1956 als uneheliches Kind geboren. Für kurze Zeit kann er bei seiner Mutter leben. Da sie überfordert ist, kommt der Junge ins St. Galler Kinderheim Birnbäumen. Seine Grosseltern beantragen, ihn als Pflegekind aufzunehmen, was ihnen gewährt wird. «Mein Grossvater war eine ehrfurchtgebietende Erscheinung; er hat meine Mutter kurzerhand vor die Türe gestellt» erzählt Urs und schmunzelt. «Ich hatte es gut bei meinen Grosseltern; sie besassen nichts und es fehlte mir an nichts. Als die ersten Schwarzweissfernseher auf den Markt kamen, wollten sie nicht verzichten. Für meine Grosseltern war dieses Gerät ein grosser Luxus, für mich ein Tor in die weite Welt.»

«Ich hatte es gut bei meinen Grosseltern.»

Der Anker im Leben

Durch seine Tante, die ihn regelmässig in die Sonntagschule der Heilsarmee mitnimmt, kommt Urs früh mit dem christlichen Glauben in Kontakt, sagt heute dazu: «Die biblischen Geschichten faszinierten mich.» Der Glaube wird zu einem wichtigen Anker für sein Leben. Mit 16 tritt er dem Heilsarmee-Musikkorps bei. In der Heilsarmee leitet Urs die Jugendgruppe, gibt Sonntagsschule und engagiert sich in der Drogenarbeit; ebenso in städtischen Gremien der Jugendarbeit und an Grossanlässen. Zehn Jahre wirkt Leuenberger als Sänger und Perkussionist in der Jazz-Rock & Blues-Band «Metanoia».

«Die biblischen Geschichten faszinierten mich.»

Von der Post zu den Menschen

Als gelernter uniformierter Postbeamter arbeitet er neun Jahre als Verteiler sowie im Innen- und Fachdienst bei der einstigen PTT. «Hier wirst du bestimmt nicht alt», sagt sich Urs, als er Mobbing miterlebt. Der Wunsch, beruflich in die Jugendarbeit einzusteigen, erwacht. Zunächst arbeitet er als Betreuer sowie Leiter von Werkstätten beim Männerheim Hasenberg in Waldkirch, eine für ihn wichtige Lebensschule. Nebenbei bildet sich Urs zum Suchtkrankenhelfer weiter. Nach vier Jahren erhält er einen Anruf vom Blauen Kreuz St. Gallen – Appenzell; man ist auf der Suche nach einem Jugendarbeiter. Gut 14 Jahre leitet Urs dort Kinder- und Jugendlager und schult Mitarbeiter. Zu seinem Job gehört auch die Suchtprävention: Vorträge an Schulen halten – und Musicalprojekte auf die Beine stellen...

Jugendförderung mit Musicals

«Was gibt es Besseres, als Jugendliche neben dem Sport mit Musicalprojekten zu fördern?», sagt sich Leuenberger damals. Singen, Kleider entwerfen, Bühnen aufbauen, das begeistert junge Menschen. Dies trifft sich wunderbar mit seiner Vorliebe für Musicals. Vier Musicals gelangen erfolgreich zur Aufführung. Dann stellt ihn die Reformierte Kirchgemeinde Flawil 40 Prozent als Jugendarbeiter an. Ein Kinderchor sowie der unterdessen 25-jährige «Gospelchor Flawil» sind Früchte dieser Arbeit. Kurz vor seiner Pensionierung wird Urs von der Heilsarmee nochmals als Sozialberater engagiert.

Nach wie vor arbeitet er als Kirchenmusiker 20 Prozent im Bereich «Populäre Musik in der Kirche» in Flawil und leitet die Brassband Blaukreuzmusik Herisau. Insgesamt 30 Jahre lang engagiert sich Leuenberger als Leiter und Dirigent beim bekannten «Gossau Gospel Choir», der unzählige Konzerte gibt und auch im Fernsehen auftritt. «Mir war es sehr wichtig, dass wir uns auch privat trafen und gegenseitig unterstützten», bekräftigt Urs. Der Gossauer Chor wird zu einer geistlichen Tankstelle für ihn. Doch irgendwann ist die Luft raus. Die Chorauflösung wird 2019 mit einem emotionalen Schlussauftritt in der FEG-Gemeinde «Stami» eingeläutet.

«Was gibt es Besseres, als Jugendliche neben dem Sport mit Musicalprojekten zu fördern?»

Musikalische Vorbilder

Regelmässig macht Urs Abstecher in die USA. Immer wieder arbeitet er mit seinem grössten Vorbild, dem bekannten Sänger, Pianisten und Chorleiter, Pfarrer Freddy Washington zusammen. Von John Bracks Stimme und Präsenz ist der Schweizer begeistert, sagt: «Er markierte klar den Chef, war aber so ein feiner Kerl!» Unter den Schweizer Musikgrössen hat Urs auch mit Bo Katzman zu tun. Schlagerstar Francine Jordi lernt er noch vor ihrem Durchbruch bei einem Gospelprojekt kennen und sagt heute über sie: «Wenn Francine Jordi ihre Gospelstimme auspackt, dann muss sich so manche Gospelkoryphäe warm anziehen!»

Gospel ist mehr als Musik

Gospelmusik hat für Urs neben Rhythmus und Emotionen mit Substanz zu tun: Es gehe ihm um Gott und die befreiende Botschaft des Evangeliums. Negro Spirituals, Blues, Jazz, Country ... diese Musik sei vielfältiger, als viele denken würden. Country Gospel bezeichnet sogar Urs als Neuentdeckung: «Das sind wunderbare alte Südstaatenlieder mit Tiefgang!» Der Inhalt muss für den Gospelman immer stimmen. Anfragen für das Leiten von Chören, die auch Schlager oder Volkslieder singen, lehnt er stets ab.  

Ein Hirnschlag ändert den Takt

Leuenberger verfolgt seine klare Linie – und ein hohes Tempo! Eine Idee, ein Engangement, ein Projekt jagen das andere. Dass er nach eigenen Worten zu lang «fortefortissimo» unterwegs war, zeigt sich 2016. Aus heiterem Himmel erleidet der damals 59-Jährige einen Hirnschlag, liegt zehn Tage lang kraftlos im Spital. Leuenberger erinnert sich: «Ich hatte grosses Glück, ausser anfänglichen Gedächtnislücken habe ich keinen Schaden davongetragen. Mit dem Hirnschlag hat Gott mir ein klares Zeichen gesetzt – und das war gut so.»

Dennoch spürt Leuenberger: «Ich bin nicht mehr Derselbe, jetzt ist ‹mezzopiano› angesagt. Ein Jahr lang fängt er nichts Neues an, geht in die Reha, besucht Physio- und Ergotherapie, hört auf seine Familie und auf seinen Körper. Seine grosse Vision ist der Aufbau einer Chorleiterschule. Doch dieser Wunsch ist auf allen Ebenen mit hohem Aufwand verbunden. Schweren Herzens sieht Urs Leuenberger davon ab.

«Mit dem Hirnschlag hat mir Gott ein klares Zeichen gesetzt – und das war gut so.»

Zukunftsmusik?

Als er kürzlich auf ein Buch über Chorleitercoaching stösst, klingt wieder etwas in ihm an. «Mit meinem grossen Erfahrungsschatz und Knowhow bin ich doch prädestiniert fürs Coaching», erklärt Urs und guckt verschmitzt. Er könne bei der Auswahl der Solisten helfen oder bei Konflikten von seiner Erfahrung weitergeben. Man spürt, die Ideen werden diesem «Menschen- und Musikliebhaber» noch lange nicht ausgehen...

Zur Person:

Einer meiner Lieblingsplätze im Appenzellerland:
In meiner Gartenlaube mit Blick auf Säntis und Alpstein

Meine Lieblingsbeschäftigung an verregneten (Sonntag-)nachmittagen:
Ich höre gute Musik: zum Beispiel Gospel, Blues und Brass-Band-Musik (Salvation Army)

Meine Lieblings-App:
Ich habe keine

 

Zur Website:

www.ursleuenberger.com

Datum: 25.11.2022
Autor: Rolf Frey
Quelle: HOPE-Regiozeitungen